Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 107 III 49



107 III 49

12. Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 15. Juni
1981 i.S. Gläubigergemeinschaft der 6 1/2% Obligationen-Anleihe 1973-88
der Rheintalischen Gas-Gesellschaft sowie alle einzelnen Gläubiger dieser
Anleihe (Rekurs) Regeste

    Betreibungsbegehren eines vollmachtlosen Stellvertreters.

    Das Betreibungsbegehren eines vollmachtlosen Stellvertreters ist
gültig, wenn es im Beschwerdeverfahren durch den Vertretenen genehmigt
wird. Muss dem Stellvertreter oder dem Vertretenen Frist zur Beibringung
der Genehmigung angesetzt werden? Frage offen gelassen (E. 1, 2).

    Gläubigergemeinschaft bei Anleihensobligationen.

    Eine Betreibung im Namen sowohl der Gläubigergemeinschaft als auch
sämtlicher einzelner Anleihensgläubiger ist unzulässig (E. 2).

Sachverhalt

    A.- Namens der Gläubigergemeinschaft sowie aller Gläubiger der 6 1/2%
Obligationen-Anleihe 1973-1988 der Rheintalischen Gas-Gesellschaft,
St. Margrethen, betrieb Rechtsanwalt Dr. S. zwecks Unterbrechung der
Verjährung die Bank X. für einen Forderungsbetrag von Fr. 4'000'000.--
nebst Zins und Kosten aus Prospekthaftung gemäss Art. 752 OR.

    Das Betreibungsamt der Stadt St. Gallen nahm das Betreibungsbegehren
unter der Nr. 39'262 entgegen und stellte der Betriebenen den
Zahlungsbefehl zu.

    Hiegegen führte diese beim Bezirksgerichtspräsidium St. Gallen als
unterer kantonaler Aufsichtsbehörde im Betreibungswesen Beschwerde mit dem
Antrag, die Betreibung aufzuheben und die Zustellung des Zahlungsbefehls
zu annullieren. Sie machte geltend, die Gläubigerbezeichnung lasse die
handlungs- und parteifähigen wirklichen Gläubiger nicht erkennen und sei
daher mangelhaft; ferner sei der Vertreter nicht von allen Gläubigern
der Anleihe bevollmächtigt. Während das Bezirksgerichtspräsidium
die Beschwerde abwies, hiess sie die kantonale Aufsichtsbehörde für
Schuldbetreibung und Konkurs des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom
18. Mai 1981 gut und hob demgemäss die Betreibung auf.

    B.- Gegen den Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde rekurrierte
Rechtsanwalt Dr. S. namens der Gläubigergemeinschaft sowie sämtlicher
einzelner Gläubiger an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des
Bundesgerichts mit dem Antrag, die Beschwerde der Betriebenen sei
abzuweisen; eventuell sei sie insoweit abzuweisen, als sie sich gegen
die Betreibung seitens der Anleihensgläubigergemeinschaft richte.

Auszug aus den Erwägungen:

Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Rechtsanwalt Dr. S. ist unbestrittenermassen weder gemäss Art. 1158
OR zum Vertreter der Gemeinschaft der Anleihensgläubiger bestellt noch
von den einzelnen Anleihensgläubigern direkt bevollmächtigt worden. Zwar
kann die Betreibungshandlung eines vollmachtlosen Stellvertreters vom
Vertretenen nachträglich genehmigt werden (vgl. BGE 97 III 115 unten
bezüglich eines von einem nicht bevollmächtigten Vertreter für den
Schuldner erhobenen Rechtsvorschlags). Eine solche Genehmigung hat
Dr. S. im vorliegenden Beschwerdeverfahren indessen nicht beigebracht,
obwohl die Betriebene seine Vertretungsbefugnis schon in ihrer Beschwerde
an die untere kantonale Aufsichtsbehörde bestritten hatte. Unter
diesen Umständen muss die Betreibung mangels Vertretungsbefugnis des
Gläubigervertreters als ungültig aufgehoben werden, da entgegen der im
Rekurs vertretenen Ansicht nicht unbestimmte Zeit auf eine allfällige
Genehmigung der Betreibungshandlung gewartet werden kann, mit der Folge,
dass das Schicksal der Betreibung möglicherweise jahrelang in der Schwebe
bliebe. Im vorliegenden Fall gilt dies umso mehr, als die in erster
Linie als Gläubigerin genannte Gläubigergemeinschaft, solange ihr kein
Vertreter bestellt worden ist, gar nicht als Partei im Betreibungsverfahren
auftreten kann.

Erwägung 2

    2.- Fragen kann sich bloss, ob die Vorinstanz verpflichtet gewesen
wäre, dem Vertreter oder allenfalls den Vertretenen selbst eine Frist zur
Beibringung der Genehmigungen bzw. der Vollmachtserklärungen anzusetzen.

    Wie es sich damit verhält, kann indessen dahingestellt bleiben, da zum
vornherein feststeht, dass nicht sämtliche Gläubiger, die Dr. S. vertreten
will, mit der Betreibung einverstanden sind. Aus dem bei den Akten
liegenden Kollokationsplan geht nämlich hervor, dass die Betriebene
selbst Inhaberin von Obligationen im Betrag von Fr. 251'000.-- ist. Sie
wird zweifellos nicht gegen sich selbst Betreibung führen wollen. Schon
deswegen ist die Betreibung ungültig. Sie kann nicht einfach mit einer
anderen Gläubigerbezeichnung und für einen anderen Forderungsbetrag
fortgesetzt werden. Weil die Schadenersatzforderungen der einzelnen
Gläubiger ein verschiedenes Schicksal haben können, wie dieses Beispiel
zeigt, können sie im übrigen ohnehin nicht in einer gemeinschaftlichen
Betreibung zusammengefasst werden (BGE 71 III 164 ff.).

    Auch von der Gläubigergemeinschaft als Ganzes könnte wohl
innert nützlicher Frist keine Genehmigung beigebracht werden, da eine
Gläubigerversammlung, die einen Vertreter der Gemeinschaft zu wählen hätte,
noch nicht einmal angekündigt ist, obwohl der von der Anleihensschuldnerin
vorgeschlagene Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung bereits am 13. Januar
1979 genehmigt worden ist und somit schon lange Anlass bestanden hätte, in
entsprechender Anwendung von Art. 1183 Abs. 1 OR eine solche Versammlung
einzuberufen. Würde aber die Gläubigerversammlung nachträglich einen
Vertreter zur Geltendmachung der Rechte der Gläubiger gegen die Betriebene
ermächtigen, so hätte dies übrigens nach Art. 1159 Abs. 3 OR zur Folge,
dass die einzelnen Gläubiger zur selbständigen Ausübung ihrer Rechte
nicht mehr befugt wären. Daraus ergibt sich, dass die Betreibung an einem
weiteren Ungültigkeitsgrund leidet: Da sich die Gläubigergemeinschaft
und die einzelnen Anleihensgläubiger als Betreibungsgläubiger gegenseitig
ausschliessen, liegt eine unzulässige alternative Gläubigerbezeichnung vor
(vgl. BGE 80 III 10/11).

    Die Betreibung ist somit als ungültig aufzuheben, ohne dass geprüft
werden müsste, ob die einzelnen Gläubiger im Betreibungsbegehren namentlich
hätten aufgeführt werden müssen (vgl. BGE 80 III 9/10).

Erwägung 3

    3.- Da der Rekurs abgewiesen wird und keine Kosten auferlegt werden,
erübrigt es sich, von Dr. S. Vollmachten für das Rekursverfahren
einzuverlangen.

Entscheid:

    Demnach erkennt die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer:

    Der Rekurs wird abgewiesen.