Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 107 III 3



107 III 3

2. Auszug aus dem Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
vom 21. Mai 1981 i.S. Bertschi und Mitbeteiligte (Rekurs) Regeste

    Rechtsverzögerung.

    Stellt die kantonale Aufsichtsbehörde eine Rechtsverzögerung fest,
die auf eine generelle Überlastung des betreffenden Amtes zurückzuführen
ist, so darf sie sich nicht mit einer blossen Feststellung des Missstandes
begnügen, sondern sie hat dafür zu sorgen, dass der Missstand behoben wird.

Sachverhalt

    A.- Am 18. Mai 1977 wurde über die Hebag-Hoka Elementfabriken AG,
Vordemwald, der Konkurs eröffnet. Das Konkursverfahren ist noch nicht
abgeschlossen. Zwar wurden die Fabrikliegenschaft und die beweglichen
Aktiven bereits in den Jahren 1977/1978 verwertet, doch ist der
Kollokationsplan noch nicht erstellt worden.

    B.- Mit Eingabe vom 18. Dezember 1980 erhoben zehn Gläubiger,
die im Konkurs Lohnforderungen eingegeben hatten, beim Präsidenten des
Bezirksgerichts Zofingen als unterer kantonaler Aufsichtsbehörde über
Schuldbetreibung und Konkurs Rechtsverzögerungsbeschwerde mit dem Begehren,
es sei dafür zu sorgen, dass das Konkursverfahren endlich vorwärts
gehe. Mit Entscheid vom 12. Januar 1981 hiess der Gerichtspräsident
die Beschwerde sinngemäss gut und wies das Konkursamt Zofingen an, das
Konkursverfahren den Verhältnissen entsprechend abzuschliessen.

    Gegen diesen Entscheid beschwerten sich neun Gläubiger bei der
Schuldbetreibungs- und Konkurskommission des Obergerichts des Kantons
Aargau, sinngemäss mit dem Antrag, das Konkursamt Zofingen sei anzuweisen,
den Konkurs sofort zu Ende zu führen. Mit Entscheid vom 2. April 1981
wies das Obergericht die Beschwerde ab. Zur Begründung führte es aus,
es sei richtig, dass der vorliegende Konkurs nicht fristgerecht habe
abgeschlossen werden können. Der Gerichtspräsident von Zofingen habe die
Rechtsverzögerungsbeschwerde folglich zu Recht gutgeheissen. Es stehe
jedoch fest, dass den Konkursbeamten von Zofingen an der Verzögerung kein
Verschulden treffe. Mit zur Zeit 31 hängigen und zum Teil sehr aufwendigen
Konkursverfahren, wovon deren 14 älter seien als das vorliegende,
sei er überlastet. Das Konkursamt Zofingen sei personell unterdotiert
und habe, zusammen mit den Aufsichtsbehörden, seit Jahren auf diesen
Missstand hingewiesen. Einer Bereinigung der Situation seien der verfügte
Personalstop und der Sparwille der kantonalen Finanzkontrolle zusätzlich
hinderlich. Der vorgesehene leitende Konkursbeamte dürfte auf längere Sicht
eine gewisse Entlastung bringen, doch dürfte diese Sanierungsmassnahme
für den zeitlichen Ablauf des vorliegenden Konkurses noch kaum spürbare
Auswirkungen haben. Unter diesen Umständen habe der Gerichtspräsident zu
Recht davon abgesehen, das Konkursamt Zofingen anzuweisen, das vorliegende
Verfahren sofort zu Ende zu führen. Angesichts der ständigen Überlastung
des Konkursbeamten, der eine enorme Zahl von Überstunden leiste, würde eine
derartige Weisung die noch älteren Verfahren unweigerlich benachteiligen.

    C.- Gegen den Entscheid des Obergerichts rekurrierten sechs
Beschwerdeführer an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
des Bundesgerichts. Sie beantragen die Gutheissung der
Rechtsverzögerungsbeschwerde.

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer heisst den Rekurs gut
und weist die Sache zu neuem Entscheid im Sinne der Erwägungen an die
Vorinstanz zurück.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Die kantonalen Aufsichtsbehörden haben zu Recht eine
Rechtsverzögerung festgestellt. Wenn es auch in vielen Fällen unmöglich
ist, ein Konkursverfahren binnen der in Art. 270 SchKG vorgesehenen Frist
von sechs Monaten abzuschliessen, so geht es doch keinesfalls an, ein
Verfahren während Jahren einfach liegen zu lassen, wie es hier geschehen
ist. Besonders bedenklich ist, dass vier Jahre nach der Konkurseröffnung
noch nicht einmal der Kollokationsplan erstellt ist, obwohl dies nach
der Vorstellung des Gesetzgebers innerhalb von 20 Tagen nach Ablauf
der Eingabefrist geschehen sollte (Art. 247 SchKG). Die Gläubiger haben
einen Anspruch darauf, dass das Konkursverfahren ohne unnötige Verzögerung
durchgeführt wird. Auch wenn ihre Forderungen schliesslich gedeckt werden,
erleiden sie durch die Verlängerung des Verfahrens doch einen entsprechend
grösseren Zinsverlust. Handelt es sich wie im vorliegenden Fall um einen
Konkurs, in dem Lohnforderungen geltend gemacht werden, so sprechen auch
sozialpolitische Überlegungen dafür, dass die Gläubiger möglichst rasch
zu ihrem Geld kommen.

    Den kantonalen Behörden ist auch darin Recht zu geben, dass der
Konkursbeamte trotz der festgestellten Rechtsverzögerung nicht einfach
angewiesen werden kann, das vorliegende Konkursverfahren sofort zu
Ende zu führen. Zwar sieht Art. 21 SchKG vor, dass die Aufsichtsbehörde
den Vollzug der Handlungen anzuordnen habe, deren Vornahme der Beamte
unbegründetermassen verweigere oder verzögere. Das kann jedoch nicht
ohne weiteres gelten, wenn die Verzögerung wie hier auf eine generelle
Überlastung des Beamten zurückzuführen ist. In einem solchen Fall hätte die
bevorzugte Behandlung des einen Konkurses notwendig zur Folge, dass andere,
noch ältere Verfahren noch länger liegen bleiben würden. Das aber wäre mit
dem Gebot rechtsgleicher Behandlung nicht vereinbar (vgl. BGE 103 V 199).

Erwägung 3

    3.- Mit der blossen Feststellung einer Rechtsverzögerung durfte sich
die Vorinstanz indessen nicht begnügen. In ihrer Eigenschaft als kantonale
Aufsichtsbehörde über die Konkursämter wäre sie vielmehr verpflichtet
gewesen, dafür zu sorgen, dass die beim Konkursamt Zofingen herrschenden
Missstände behoben werden. So hätte sie beispielsweise gestützt auf § 4
Abs. 1 des Dekrets über die Organisation des Konkurswesens vom 19. August
1975 einzelne Geschäfte des Konkursamtes Zofingen zu dessen Entlastung
den Konkursbeamten anderer Bezirke zuweisen können. Abs. 3 der genannten
Bestimmung hätte es ihr sodann erlaubt, auch befähigte Drittpersonen als
ausserordentliche Stellvertreter einzusetzen. Deren Entschädigung hätte sie
freilich nur im Einvernehmen mit der Finanzverwaltung festsetzen können,
wobei nach § 8 des Dekrets der Regierungsrat zu entscheiden gehabt
hätte, wenn eine Einigung nicht zustande gekommen wäre. Als weitere
Massnahme wäre die vorübergehende Delegierung eines Gerichtsschreibers
des Obergerichts oder, im Einvernehmen mit der Verwaltung, eines
geeigneten Verwaltungsbeamten in Frage gekommen. Schliesslich hätte die
Vorinstanz darauf bestehen können, dass § 2 Abs. 2 des Dekrets, wonach den
Konkursämtern das erforderliche Kanzleipersonal beizugeben ist, Nachachtung
verschafft werde, hat sich doch der Konkursbeamte in seiner Vernehmlassung
darüber beklagt, dass ihm als Hilfskraft nur eine Halbtagssekretärin
zur Verfügung stehe. Jedenfalls durfte sie nicht einfach die Hände in
den Schoss legen, zumal ihr die Verhältnisse am Konkursamt Zofingen seit
Jahren bekannt sind. Dass sich die vorgesehene Schaffung der Stelle eines
leitenden Konkursbeamten auf die bereits hängigen Konkursverfahren kaum
spürbar auswirken wird, räumt die Vorinstanz selbst ein.

    Es ist nicht Sache des Bundesgerichts, darüber zu befinden, mit
welchen Mitteln die bestehenden Missstände am besten saniert werden
können. Die Sache ist daher an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit diese
die geeigneten Massnahmen treffe. Dabei wird sie freilich zum Teil auf
das Einverständnis von Regierung und Verwaltung angewiesen sein. Die
kantonalen Behörden werden ihre Mithilfe indessen nicht unter Berufung
auf fehlende Mittel oder allfällige Beschränkungen bei der Einstellung von
Staatspersonal verweigern dürfen, da der Kanton als Ganzes seinen Bürgern
gegenüber zur Gewährung einer ordnungsgemässen Rechtspflege, zu der in
einem weiteren Sinn auch das Konkurswesen gehört, verpflichtet ist und
er sich haftbar machen kann, wenn er dieser Verpflichtung nicht nachkommt.

    In diesem Sinne ist der Rekurs gutzuheissen.

Erwägung 4

    4.- Da die Vorinstanz die festgestellten Mängel möglicherweise nicht
aus eigener Kraft beheben kann, erscheint es angezeigt, das vorliegende
Urteil auch dem Regierungsrat des Kantons Aargau zur Kenntnis zu bringen.