Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 107 III 118



107 III 118

28. Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 5. Oktober
1981 i.S. Bundesrepublik Deutschland (Rekurs) Regeste

    Widerspruchs- und Anfechtungsklage.

    1. Zur Beurteilung einer Widerspruchsklage ist ausschliesslich der
schweizerische Richter zuständig (E. 2).

    2. Die Widerspruchsklage kann auch damit begründet werden, der
Ansprecher habe den streitigen Gegenstand durch ein im Sinne von Art. 285
ff. SchKG anfechtbares Rechtsgeschäft erworben (E. 3).

    3. Ein im Ausland erwirktes Anfechtungsurteil kann in einem laufenden
Betreibungsverfahren nicht berücksichtigt werden (E. 3).

Sachverhalt

    A.- Auf Begehren der Bundesrepublik Deutschland belegte der
Amtsgerichtspräsident III von Luzern-Land am 11. August 1978 das Grundstück
Nr. 1 054 GB Weggis für eine Forderung von Fr. 300'000.-- nebst Zins gegen
den in Saarbrücken wohnhaften H. S. mit Arrest. Das Grundstück wurde von
A. S., der Ehefrau des Arrestschuldners, gestützt auf einen Kaufvertrag
vom 10. Mai 1978 und die gleichentags erfolgte Grundbuchanmeldung zu
Eigentum angesprochen. Der Arrestgläubigerin wurde deshalb eine Frist
von 10 Tagen zur Einreichung der Widerspruchsklage nach Art. 109 SchKG
angesetzt. Eine Beschwerde gegen diese Fristansetzung wurde von der
Schuldbetreibungs- und Konkurskommission des Obergerichts des Kantons
Luzern als oberer kantonaler Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und
Konkurs am 16. Oktober 1978 zweit- und letztinstanzlich abgewiesen.

    In der Zwischenzeit hatte die Gläubigerin den Arrest durch Einleitung
der Betreibung gegen den Schuldner rechtzeitig prosequiert. Am 18. November
1978 vollzog das Betreibungsamt die Pfändung des mit Arrest belegten
Grundstücks und setzte der Gläubigerin erneut Frist zur Einreichung der
Widerspruchsklage an. Hierauf erhob die Gläubigerin am 21. November 1978
beim Landgericht Saarbrücken gegen A. S. Anfechtungsklage mit dem Antrag,
diese sei zu verurteilen, die Zwangsvollstreckung in ihr Grundstück für die
Forderung gegen ihren Ehemann zu dulden. Das Gericht hiess die Klage am
13. Juni 1980 in Anwendung schweizerischen Rechts gestützt auf Art. 288
SchKG gut und erklärte das Urteil gegen eine Sicherheitsleistung im
Betrag von DM 400'000.-- als vorläufig vollstreckbar. Gestützt auf dieses
Urteil stellte die Gläubigerin am 16. Oktober 1980 beim Betreibungsamt
das Verwertungsbegehren.

    B.- Gegen die Mitteilung des Verwertungsbegehrens beschwerten
sich A. und H. S. beim Amtsgerichtspräsidenten III von Luzern-Land
als unterer kantonaler Aufsichtsbehörde im Schuldbetreibungs- und
Konkurswesen. Mit Entscheid vom 25. Mai hiess dieser die Beschwerde gut
und hob die Anordnungen des Betreibungsamtes betreffend die Verwertung
des gepfändeten Grundstücks auf. Die Gläubigerin zog diesen Entscheid an
die Schuldbetreibungs- und Konkurskommission des Obergerichts des Kantons
Luzern als obere kantonale Aufsichtsbehörde weiter, welche ihn jedoch am
21. August 1981 bestätigte.

    C.- Gegen den Entscheid des Obergerichts rekurrierte die
Bundesrepublik Deutschland an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des
Bundesgerichts. Sie beantragt, das Betreibungsamt Weggis sei anzuweisen,
dem Verwertungsbegehren gegen eine Sicherheitsleistung von DM 400'000.--
stattzugeben. Ferner ersucht sie um Erteilung der aufschiebenden Wirkung.

Auszug aus den Erwägungen:

Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die Rekurrentin bestreitet nicht, dass sie innert der Frist von
10 Tagen, die ihr mit der Zustellung der Arresturkunde angesetzt wurde
und die mit der Zustellung des obergerichtlichen Beschwerdeentscheids
vom 16. Oktober 1978 zu laufen begann, keine Widerspruchsklage im Sinne
von Art. 109 SchKG eingeleitet hat und dass die Klage beim Landgericht
Saarbrücken erst nach Ablauf dieser Frist, nämlich am 21. November
1978, erhoben worden ist. Mit dem unbenutzten Ablauf der Klagefrist
hatte der Drittanspruch aber als anerkannt zu gelten (Art. 109 Satz
2 SchKG). Damit wurde der Arrest gegenstandslos, wodurch auch der
Arrestprosequierungsbetreibung die Grundlage entzogen wurde. Dass das
Betreibungsamt in der Folge dennoch zur Pfändung schritt und erneut
Frist zur Widerspruchsklage ansetzte, vermochte daran nichts mehr zu
ändern. Schon aus diesem Grund ist der Rekurs abzuweisen.

Erwägung 2

    2.- Abgesehen davon hätte die Klage vor dem Landgericht Saarbrücken,
selbst wenn sie rechtzeitig erhoben worden wäre, nicht die Wirkung
einer Widerspruchsklage im Sinne von Art. 109 SchKG haben können. Im
Widerspruchsverfahren zwischen dem betreibenden Gläubiger und dem Dritten,
der das Eigentum an einem gepfändeten oder mit Arrest belegten Gegenstand
beansprucht, wird einzig darüber entschieden, ob der betreffende Gegenstand
in der laufenden Betreibung zugunsten des Gläubigers verwertet werden
dürfe oder ob er aus der Pfändung bzw. dem Arrestbeschlag zu entlassen
sei (BGE 99 III 14 E. 1 mit Hinweisen). Dementsprechend bildet der
Widerspruchsprozess lediglich ein Zwischenverfahren in einer bestimmten
Betreibung, auf welche sich seine Rechtskraftwirkung beschränkt (BGE 86 III
142/143). Diese enge Verknüpfung mit dem Zwangsvollstreckungsverfahren
hat zur Folge, dass zur Beurteilung einer Widerspruchsklage nur der
schweizerische Richter zuständig sei kann. Eine Zwangsvollstreckung
in inländisches Vermögen kann nur von den schweizerischen Behörden
vollzogen werden. Es ist daher ausgeschlossen, dass der schweizerische
Betreibungsbeamte von einem ausländischen Richter Weisungen darüber
entgegenzunehmen hätte, ob ein in der Schweiz liegendes Vermögensstück,
das von einem Dritten zu Eigentum beansprucht wird, in einer bestimmten
Betreibung zugunsten des betreibenden Gläubigers verwertet werden dürfe
(BGE 57 III 16; Entscheid des bernischen Appellationshofes in ZBJV 41/1905
S. 426/427; JAEGER, N. 5 E. zu Art. 107 SchKG, S. 348). Mit einer im
Ausland erhobenen Widerspruchsklage kann deshalb auch die Frist des
Art. 109 SchKG nicht gewahrt werden.

Erwägung 3

    3.- Die Rekurrentin macht freilich geltend, sie habe vor dem
Landgericht Saarbrücken gar keinen Widerspruchsprozess, sondern
einen Anfechtungsprozess durchgeführt. Das Landgericht habe die Klage
gutgeheissen und verbindlich erklärt, dass das fragliche Grundstück zum
Verwertungssubstrat des Schuldners gehöre. Damit stehe aber gleichzeitig
fest, dass der Arrest zur Recht bestehe. Dem Verwertungsbegehren müsse
daher stattgegeben werden.

    In das laufende Arrest- bzw. Betreibungsverfahren vermochte der
deutsche Richter nach dem Gesagten indessen nicht einzugreifen. Nur durch
einen Widerspruchsprozess vor dem schweizerischen Richter hätte die von
der Ehefrau des Arrestschuldners erhobene Eigentumsansprache beseitigt
werden können. Dabei hätte die Widerspruchsklage durchaus auch damit
begründet werden können, der Erwerb des Grundstücks durch die Ansprecherin
sei im Sinne von Art. 285 ff. SchKG anfechtbar, sofern die Rekurrentin
gemäss Art. 285 Abs. 2 Ziff. 1 SchKG zur Erhebung der Anfechtungsklage
legitimiert gewesen wäre (BGE 103 III 104; vgl. auch BGE 96 III 117;
FRITZSCHE, Schuldbetreibung und Konkurs, 2. Aufl., Bd. II, S. 287; JAEGER,
N. 2 zu Art. 285 SchKG).

    Damit ist nicht gesagt, dass der in Deutschland durchgeführte
Anfechtungsprozess für die Schweiz zum vornherein unbeachtlich
ist. Ausgeschlossen ist nur seine Berücksichtigung im laufenden
Vollstreckungsverfahren. Über die Vollstreckbarkeit des Urteils des
Landgerichts Saarbrücken ist im übrigen nicht im vorliegenden Verfahren zu
befinden. Wenn die Rekurrentin dieses Urteil in der Schweiz vollstrecken
lassen will, hat sie vorerst bei der zuständigen Behörde das Exequatur
zu erwirken (§ 325 ZPO/LU; Art. 6 des Abkommens zwischen der Schweiz
und Deutschland über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von
gerichtlichen Entscheiden und Schiedssprüchen vom 2. November 1929). Erst
wenn feststeht, dass das Urteil in der Schweiz vollstreckbar ist, kann das
Grundstück zugunsten der Rekurrentin verwertet werden. Die Möglichkeit,
dass das Exequatur erteilt werden könnte, ändert jedoch nichts am Hinfall
des Arrests.

Erwägung 4

    4.- Der Rekurs erweist sich somit als unbegründet.

    Mit dem sofortigen Entscheid in der Sache wird das Gesuch um Erteilung
der aufschiebenden Wirkung hinfällig.

Entscheid:

    Demnach erkennt die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer:

    Der Rekurs wird abgewiesen.