Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 107 IB 89



107 Ib 89

20. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 10.
Juli 1981 i.S. Bundesamt für Justiz gegen van Paridon und Staatsrat des
Kantons Wallis (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Bewilligungssperre über Fremdenverkehrsorte gemäss BewVF in der seit
1. Juli 1979 geltenden Fassung; Übergangsbestimmungen.

    1. Art. 12 Abs. 1 lit. c BewB; Art. 114 Abs. 1
OG. Beschwerdeberechtigte Bundesbehörde. Kognitionsbefugnis des
Bundesgerichts (E. 1).

    2. Abs. 3 der Übergangsbestimmungen zur BewVF. Auslegung der Vorschrift
nach ihrem Wortlaut, Sinn und Zweck; Beschränkung der Vorschrift auf
Härtefälle, die durch das neue Recht bedingt sind (E. 3).

Sachverhalt

    A.- Mit Beschluss vom 18. Juni 1979 hat der Bundesrat die Verordnung
über den Erwerb von Grundstücken in Fremdenverkehrsorten durch Personen im
Ausland (BewVF, SR 211.412.413) verschärft und die Änderung unter Ziff. II
durch Übergangsbestimmungen ergänzt. Nach Abs. 3 dieser Bestimmungen
erstreckt sich die Bewilligungssperre in Orten, die ihr bisher nicht
unterlagen, nicht auf Bewilligungen für den Erwerb von Zweitwohnungen, die
im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Änderung ausführungsreif projektiert,
in Ausführung begriffen oder neu erbaut waren. Die Änderung ist am 26. Juni
1979 in der Amtlichen Sammlung veröffentlicht worden und am 1. Juli 1979
in Kraft getreten (AS 1979 S. 806 ff.).

    Mit dem gleichen Beschluss wurde die Gemeinde Lax mit drei
Sternchen versehen in den Anhang 2 zur BewVF aufgenommen und damit der
Bewilligungssperre unterstellt, weil dieser Fremdenverkehrsort mit 110
Bewilligungen die zulässige Quote bereits nach den alten Vorschriften
ausgeschöpft habe. Die Sperre trat ebenfalls am 1. Juli 1979 in Kraft
(AS 1979 S. 809 und 811).

    B.- Der Holländer Nicolaas van Paridon, der in seiner Heimat wohnt,
kaufte am 24. April 1980 von Josef Amacker in Lax die Parzelle Nr. 996. Der
Vertrag wurde am gleichen Tag öffentlich beurkundet. Auf der Kaufsparzelle
war damals ein Ferienhaus, das im Kaufpreis von Fr. 179'000.-- inbegriffen
war, weitgehend erstellt.

    Der Grundbuchinspektor und auf Beschwerde hin am 22. Oktober 1980 auch
der Staatsrat des Kantons Wallis erteilten dem Käufer die gemäss Art. 1
BewB notwendige Bewilligung. Sie fanden, Gegenstand des Kaufes sei eine
Zweitwohnung im Sinne von Abs. 3 der Übergangsbestimmungen zur Änderung der
BewVF vom 18. Juni 1979, weshalb das vor seiner Fertigstellung stehende
Ferienhaus von der Sperre nicht erfasst werde.

    C.- Das Bundesamt für Justiz führte gegen den Entscheid des Staatsrates
Verwaltungsgerichtsbeschwerde, die vom Bundesgericht gutgeheissen
worden ist.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Entgegen dem angefochtenen Entscheid ist nicht das Eidg.  Justiz-
und Polizeidepartement, sondern das Bundesamt für Justiz als Bundesbehörde
berechtigt, kantonale Entscheide über die Bewilligung zum Erwerb von
Grundstücken durch Personen im Ausland an die kantonale Beschwerdeinstanz
und an das Bundesgericht weiterzuziehen (Art. 12 Abs. 1 lit. c und 13 BewB
sowie Art. 18 lit. c der dazugehörigen Verordnung vom 21. Dezember 1973).

    Erweist sich eine Beschwerde wie die vorliegende, die rechtzeitig
eingereicht worden ist und sich gegen einen letztinstanzlichen kantonalen
Entscheid richtet, als zulässig, so kann das Bundesgericht nicht nur die
Anwendung des öffentlichen Bundesrechts, sondern auch die Feststellung
des Sachverhalts durch die kantonale Verwaltungsbehörde frei überprüfen
(Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 1 OG). Mit der Unangemessenheit
eines Entscheides hat es sich dagegen nur in den drei Fällen zu befassen,
die in Art. 104 lit. c aufgezählt sind. Vorauszuschicken ist ferner,
dass es dem Bundesgericht bei der Überprüfung der Rechtsanwendung
nicht untersagt ist, einen angefochtenen Entscheid mit Erwägungen
aufrechtzuerhalten, die von denen der kantonalen Instanz abweichen;
ebensowenig ist ihm verboten, einen Entscheid aus anderen als den mit
der Beschwerde vorgebrachten Gründen aufzuheben. Das eine wie das andere
folgt aus Art. 114 Abs. 1 OG, wonach das Bundesgericht an die Begründung
der Parteien nicht gebunden ist, das Bundesrecht vielmehr von Amtes wegen
anzuwenden hat.

Erwägung 3

    3.- Streitig ist, ob der Beschwerdegegner sich auf die
Übergangsbestimmung unter Ziff. II/3 berufen kann, die in gesperrten
Fremdenverkehrsorten Bewilligungen für den Erwerb von Zweitwohnungen
von der Sperre insbesondere ausnimmt, wenn die Wohnung am 1. Juli 1979,
als die Novelle in Kraft trat, bereits im Bau oder neu erbaut war.

    a) Diese Bestimmung ist nach Auffassung des Bundesamtes eng auszulegen,
weil damit bloss Härtefälle vermieden werden sollten, die sich aus einer
unmittelbaren und vorbehaltlosen Anwendung der neuen Sperrbedingungen
gemäss Art. 3 Abs. 2 BewVF ergeben könnten. Dazu ist vorweg zu bemerken,
dass vor der Änderung vom 18. Juni 1979 der Umfang des ausländischen
Grundeigentums in einem Fremdenverkehrsort in der Regel als erheblich
galt, wenn für den Ort bereits mehr als 100 Bewilligungen ausgestellt
wurden. In der Novelle ist die Zahl der zulässigen Bewilligungen für jeden
Ort, der von ihr erfasst wird, auf 50 herabgesetzt worden (Art. 3 Abs. 2
BewVF). Das Bundesamt meint nun, die streitige Übergangsbestimmung finde
keine Anwendung, wenn ein Fremdenverkehrsort nicht mit der Änderung oder
kurze Zeit später wegen Verschärfung der Bedingungen gesperrt worden sei;
der Erwerb einer Zweitwohnung gestützt auf die Übergangsbestimmung könne
nur gestattet werden, wenn der Ort der Bewilligungssperre unterstellt
worden sei, weil er im Zeitpunkt der Änderung die alte Mindestzahl von
100 noch nicht erreicht, die neue von 50 aber bereits überschritten habe.

    Für eine solche Auslegung ist dem Wortlaut der streitigen Bestimmung
weder mittelbar noch unmittelbar etwas zu entnehmen. Auch aus den
Vorarbeiten ergibt sich dafür nichts, da die Bestimmung praktisch
kommentarlos aus dem Vorentwurf übernommen worden ist; die Kantone
Graubünden, Tessin und Wallis machten lediglich darauf aufmerksam, dass
sie in der vorgeschlagenen Form beibehalten werden sollte.

    b) Das Bundesamt verteidigt seine Auffassung ferner damit, durch Abs. 3
der Übergangsbestimmungen habe man den Promotoren, die sich für den Bau
von Zweitwohnungen in Fremdenverkehrsorten einsetzten, Härten ersparen
wollen. Das könne allerdings nur unter der Voraussetzung gelten, dass
der Ort sich an die Vorschriften des alten Rechts gehalten, insbesondere
die ursprüngliche Mindestzahl von 100 Bewilligungen nicht schon vor
Inkrafttreten der Novelle überschritten habe; denn durch das neue Recht
bedingte Härtefälle dürften so oder anders nur im Rahmen der Verschärfung
berücksichtigt werden. Wollte man mit dem Beschwerdegegner und den Walliser
Behörden darüber hinausgehen, so würde Art. 3 Abs. 2 BewVF ausser Kraft
gesetzt und die gewollte Verschärfung in ihr Gegenteil verkehrt.

    Diese Argumentation hat vieles für sich, zumal der Bundesrat die BewVF
mit Zustimmung der Mehrheit der Kantone und der politischen Parteien
abgeändert hat, um die Möglichkeit, von dem in Art. 7 Abs. 1 lit. b
BewB enthaltenen Verbot Ausnahmen zu machen, weiter einzuschränken. Die
Neuerungen vom Juni 1979 würden in der Tat weitgehend illusorisch, wenn
die streitige Übergangsbestimmung nach der gegenteiligen Auffassung
ohne zeitliche Beschränkung gelten sollte. Diesfalls könnte der Erwerb
einer Zweitwohnung in einem gesperrten Fremdenverkehrsort noch lange
nach Inkrafttreten der Novelle bewilligt werden; es würde genügen, dass
die Sperre erst nach dem 1. Juli 1979 angeordnet wurde, die Wohnung zu
diesem Zeitpunkt aber bereits ausführungsreif projektiert, in Ausführung
begriffen oder neu erbaut war. Dass dies dem Zweck der Verschärfung
stracks zuwiderliefe und daher nicht der Sinn der Bestimmung sein kann,
liegt auf der Hand.

    Übergangsbestimmungen werden erlassen, um die Ablösung von altem Recht
zu erleichtern und unerwünschte Auswirkungen des neuen auf Tatsachen,
die bereits vor dessen Inkraftsetzung eingetreten sind, aber noch eine
Behandlung nach dem alten rechtfertigen im Interesse der Rechtssicherheit
zu vermeiden. Zu diesem Zweck wird die Geltung von verschärften
Vorschriften unter bestimmten Bedingungen zeitlich verzögert. Daraus folgt,
dass eine Übergangsbestimmung nicht für sich allein zu verstehen, sondern
stets zusammen mit den Neuerungen auszulegen ist. Dies ist aber gerade
die Betrachtungsweise des Bundesamtes, das die streitige Bestimmung nur
für anwendbar hält, wenn ein Fremdenverkehrsort wegen der ab 1. Juli 1979
geltenden Verschärfung der Bedingungen gesperrt worden ist. Dazu gehörte
insbesondere, dass die vorher massgebende Mindestzahl um die Hälfte gekürzt
worden ist (Art. 3 Abs. 2 BewVF). Um insbesondere im Bau begriffene
oder neu erbaute Wohnungen in Fremdenverkehrsorten von der strengeren
Bewilligungssperre, die sich aus dieser Neuerung ergab, ausnehmen zu
können, wurde die Novelle durch Abs. 3 der Übergangsbestimmungen für
solche Wohnungen gemildert. Die Milderung entbehrt jedoch zum vorneherein
der Rechtfertigung, wenn die Anwendbarkeit des neuen Rechts schon aus
einem andern Grund zu verneinen ist. Die Auffassung des Bundesamtes,
die Ergänzung sei eng auszulegen und auf Härtefälle zu beschränken,
ist daher nicht zu beanstanden; sie entspricht nicht nur dem Begriff der
Übergangsbestimmung, sondern auch dem Sinn und Zweck der Novelle.

    c) Im vorliegenden Fall ist unbestritten, dass Lax am 1. Juli 1979
nicht wegen der herabgesetzten Toleranzgrenze gesperrt worden ist, sondern
weil dieser Fremdenverkehrsort mit 110 Bewilligungen die zulässige
Quote selbst nach altem Recht bereits ausgeschöpft hatte. Damit ist
der Auffassung des Staatsrates, der Abs. 3 der Übergangsbestimmungen zu
Unrecht für anwendbar hielt, die Grundlage entzogen. Sein Entscheid ist
daher aufzuheben und Nicolaas van Paridon die Bewilligung zum Erwerb des
Ferienhauses in Lax zu verweigern.

    Dass das Bundesamt in andern Fällen die liberale Bewilligungspraxis
der Walliser Behörden hingenommen haben soll, ist kein Grund, die streitige
Bestimmung auch im vorliegenden Fall large zu handhaben und entgegen ihrem
Zweck auszulegen. Das Bundesgericht hat von Amtes wegen dafür zu sorgen,
dass eine öffentlichrechtliche Norm richtig und in der ganzen Schweiz
gleich angewendet wird; es ist nicht an die Übung des Bundesamtes gebunden,
und dieses selbst darf seine Praxis ändern, wenn es dafür sachliche Gründe
anführen kann.