Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 107 IB 387



107 Ib 387

68. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom
8. Juli 1981 i.S. Hossli gegen Schweiz. Eidgenossenschaft und Obergericht
des Kantons Aargau (staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Immissionen aus Schiessbetrieb, Zuständigkeit des Zivil- und des
Enteignungsrichters.

    Gehen Immissionen von einem Waffen- oder Schiessplatz aus, für
welchen dem Gemeinwesen das eidgenössische Enteignungsrecht zusteht,
ist die Durchführung eines Befehls- oder Besitzesschutzverfahrens vor dem
Zivilrichter ausgeschlossen, es sei denn, die Lärmeinwirkungen seien nicht
notwendige oder doch leicht vermeidbare Folge des Schiessbetriebes. Die
Vermeidbarkeit der Immissionen kann nicht darin bestehen, dass die Anlage
an sich verlegt werden könnte.

Sachverhalt

    A.- Der zum Waffenplatz Brugg gehörende, in der Gemeinde Zeihen
liegende Gefechtsschiessplatz Eichwald wurde 1972 wegen übermässiger
Lärmbelastung der Umgebung für das Werfen von Handgranaten gesperrt. In
den folgenden Jahren führte die Truppe ihre Wurfübungen auf den
Schiessplätzen Reiden/Langnau und Cholloch am Rickenpass durch. 1978
wurde das Handgranaten-Werfen im Eichwald wieder aufgenommen, allerdings
nur in stark eingeschränktem Umfang und ausschliesslich in den in der
Zwischenzeit mit Lärmschutzvorrichtungen versehenen Stellungsräumen.

    Walter Hossli ist Eigentümer eines etwa 1,5 km vom Schiessplatz
Eichwald entfernt liegenden landwirtschaftlichen Heimwesens. Er leitete
im April 1979 beim Gerichtspräsidium Laufenburg ein Befehlsverfahren
ein und verlangte gestützt auf Art. 684 und Art. 28 ZGB, es sei der
Schweiz. Eidgenossenschaft zu verbieten, auf dem Schiessplatz Eichwald
bis zum rechtskräftigen Entscheid über eine noch einzureichende
Besitzesschutzklage scharfe Handgranaten werfen zu lassen. Die
Schweiz. Eidgenossenschaft erhob die Einrede der Unzuständigkeit. Diese
wurde vom Präsidenten des Bezirksgerichtes Laufenburg abgewiesen mit der
Begründung, die Lärmbelästigungen seien vermeidbar, und die zivilrechtliche
Klage aus Nachbarrecht daher grundsätzlich zulässig; indessen gab er dem
Befehlsbegehren keine Folge, weil übermässige Immissionen nicht glaubhaft
gemacht worden seien. Auf Beschwerde Hosslis hob das Obergericht des
Kantons Aargau das erstinstanzliche Urteil mangels Zuständigkeit von Amtes
wegen auf und ersetzte es durch eine Nichteintretensbestimmung. Dagegen
hat Walter Hossli erfolglos staatsrechtliche Beschwerde eingereicht.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Das Obergericht hat im angefochtenen Entscheid festgestellt,
dass die Vermeidbarkeit der vom Schiessplatz Eichwald ausgehenden
Immissionen nicht glaubhaft gemacht worden sei und der Streitsache daher
öffentlichrechtlicher Charakter zukomme. Zu Recht.

    a) Ergeben sich aus der Art der Nutzung eines Grundstückes übermässige
Einwirkungen auf die benachbarten Liegenschaften, so können sich deren
Eigentümer gestützt auf Art. 684 ZGB mit den nachbarrechtlichen Klagen im
Sinne von Art. 679 ZGB zur Wehr setzen. Gehen allerdings die Immissionen
von einem Werk aus, das im öffentlichen Interesse liegt und für welches dem
Werkeigentümer das eidgenössische Enteignungsrecht zusteht, und lassen
sich die Einwirkungen nicht oder nur mit einem unverhältnismässigen
Kostenaufwand vermeiden, so werden die Abwehransprüche des Nachbarn
zugunsten des vorrangigen öffentlichen Interesses am Werk unterdrückt
und stehen den Betroffenen nur noch die Rechte zu, die ihnen das
Enteignungsgesetz verleiht (BGE 106 Ib 244 E. 3, 383; 102 Ib 351,
100 Ib 195 E. 7a, 96 II 348 f. E. 6, 94 I 297 E. 6, 93 I 300 ff.,
79 I 203, 66 I 140 ff., 62 I 269, 49 I 387, 40 II 290 f., 36 I 627,
34 I 694 f.; vgl. auch LIVER, Die nachbarrechtliche Haftung des
Gemeinwesens, ZBJV 99/1963 S. 241 ff. insbes. S. 253 f.). In diesem
Falle kann der Grundeigentümer den Zivilrichter einzig dann anrufen,
wenn er geltend macht, die Immissionen seien nicht notwendige oder
doch leicht vermeidbare Folge der Werkerstellung oder des -betriebes;
dagegen kann er nicht verlangen, dass der plan- und bestimmungsgemässe
Betrieb der im öffentlichen Interesse liegenden Anlage ganz oder teilweise
eingestellt werde. Dies heisst im übrigen nicht, dass sich die Rechte des
Betroffenen in jedem Fall darauf beschränkten, für erlittene Nachteile
Entschädigung zu fordern. Sind die Voraussetzungen zur Durchführung
eines enteignungsrechtlichen Einspracheverfahrens erfüllt, so kann der
Enteignete im Rahmen eines Planänderungsbegehrens auch um den Bau von
Schutzvorrichtungen ersuchen (Art. 7 Abs. 3, Art. 30 Abs. 1 lit b und
Art. 39 EntG; HESS, Das Enteignungsrecht des Bundes, N. 35 zu Art. 7 EntG).

    b) Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass der Bau und Betrieb
von Waffen- und Schiessplätzen im Interesse des Landes liegt und dem Bund
hiefür nach Art. 1, Art. 2 und Art. 3 Abs. 1 EntG das Expropriationsrecht
zusteht. Er widerspricht auch der Feststellung des Obergerichtes nicht,
wonach auf dem Schiessplatz Eichwald Lärmschutzvorkehren getroffen
worden sind und der Schiessbetrieb bzw. der gefechtmässige Einsatz
von Handgranaten, ohne das Ausbildungsziel in Frage zu stellen,
nicht weiter beschränkt werden könne. Hingegen macht Hossli
geltend, die Lärm-Immissionen seien in dem Sinne vermeidbar, als die
Ausbildung im Handgranaten-Werfen andernorts stattfinden könne. Ein
solches Vorbringen ist aber, wie erwähnt, vor dem Zivilrichter
fehl am Platz. Im zivilrechtlichen Prozess ist nur zu prüfen, ob die
bestimmungsgemässe Benützung des Schiessplatzes Eichwald zu welcher auch
das Handgranaten-Werfen gehört unvermeidbar oder doch kaum vermeidbar
mit übermässigen Lärmeinwirkungen verbunden sei, nicht dagegen, ob der
Übungsbetrieb an diesem Orte ganz oder teilweise aufgegeben und verlegt
werden solle. Die Vermeidbarkeit der Immissionen im Sinne der zitierten
Rechtsprechung hat mit der Verlegbarkeit des öffentlichen Werkes nichts
zu tun. Die Standortwahl für Waffen- und Schiessplätze, um die es hier
letztlich geht, ist nicht im zivilen Besitzesschutzverfahren, sondern
im hiefür vorgesehenen, vom öffentlichen Recht beherrschten Planungs-
und Einspracheverfahren zu treffen.

    Die vom Beschwerdeführer gegen den angefochtenen Entscheid erhobenen
Einwände erweisen sich daher als unbegründet.