Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 107 IB 279



107 Ib 279

51. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 23.
Oktober 1981 i.S. Blatter gegen Schweizerischer Fleckviehzuchtverband
und Bundesamt für Landwirtschaft (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Unzulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

    1. Gegen Ergebnisse von Leistungsprüfungen bei Tieren ist die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht nicht zulässig
(E. 1b). Auf eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist indessen einzutreten,
wenn nicht die Ergebnisse von Leistungsprüfungen als solche umstritten sind
(E. 1c).

    2. Auferlegung der Parteientschädigung an eine mit
öffentlichrechtlichen Aufgaben betraute Organisation (E. 5).

Sachverhalt

    A.- Die anerkannten Zuchtverbände führen bei den von ihnen
zu bestimmenden Herdebuchtieren Leistungsprüfungen, namentlich
"Melkbarkeitsprüfungen" durch (Art. 41 und 42 Verordnung über die Rindvieh-
und Kleinviehzucht vom 29. August 1958 TZV, SR 916.310). Ergebnisse von
Leistungsprüfungen, die infolge nicht einwandfreier Unterlagen oder
vorschriftswidriger Durchführung der Erhebungen unglaubwürdig sind,
haben die Träger der Prüfungen zu annullieren (Art. 41 Abs. 5 TZV).

    Am 29./30. Juli 1977 wurde bei einer Kuh des Werner Blatter eine
Melkbarkeitsprüfung durchgeführt, die für die Herdebuchberechtigung der
Nachkommen dieser Kuh ein genügendes Resultat erbrachte. Gestützt auf
eine Nachkontrolle verfügte der Schweizerische Fleckviehzuchtverband
am 30. August 1979 die Annullierung des Ergebnisses dieser
Melkbarkeitsprüfung, was den Ausschluss der Kuh von der gezielten Paarung
sowie die Aberkennung der Herdebuchberechtigung ihrer Nachkommen zur
Folge hatte. Nach Abweisung einer Beschwerde gegen diese Verfügung
durch das Bundesamt für Landwirtschaft gelangt Werner Blatter mit
Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht. Das Bundesgericht
tritt auf diese Beschwerde ein und heisst sie gut. Zur Frage des Eintretens
und der Parteientschädigung führt das Bundesgericht folgendes aus:

Auszug aus den Erwägungen:

                          Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Die Beschwerde richtet sich gegen eine Verfügung im Sinne von
Art. 5 VwVG, die sich auf öffentliches Recht des Bundes stützt. Die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist daher grundsätzlich zulässig (Art. 97
und Art. 98 lit. c OG). Es stellt sich aber die Frage, ob nicht die
Ausnahme von Art. 99 lit. f OG zur Anwendung gelangt. Danach ist die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde unzulässig gegen Verfügungen über das
Ergebnis von Berufs-, Fach- oder anderen Fähigkeitsprüfungen.

    a) Das Bundesgericht hat darüber mit den Bundesverwaltungsbehörden
einen Meinungsaustausch gemäss Art. 96 Abs. 2 OG durchgeführt. Mit
Schreiben vom 23. März 1981 unterbreitete es - ohne bereits
eine abschliessende Meinung gebildet zu haben - dem Bundesrat die
Frage, ob Leistungsprüfungen gemäss Art. 41 TZV nicht als "andere
Fähigkeitsprüfungen" im Sinne von Art. 99 lit. f OG aufgefasst werden
könnten. Eine extensive Auslegung der Ausnahmebestimmung in Art. 99
lit. f OG und ein weites Verständnis des Begriffs der Fähigkeitsprüfung
liessen sich durch die Überlegung rechtfertigen, dass bei derartigen
Leistungsprüfungen technische Fragen im Vordergrund stehen, für
deren Beurteilung der Bundesrat mit den ihm zur Verfügung stehenden
Spezialdiensten weit besser geeignet sei als das Bundesgericht.

    In der Antwort vom 24. April 1981 teilte das Eidg. Justiz- und
Polizeidepartement mit, dass seines Erachtens der in Art. 99 lit. f OG
im Zusammenhang mit "Berufs- und Fachprüfungen" benutzte Begriff "andere
Fähigkeitsprüfungen" nicht auf die Prüfungen tierischer Qualitäten und
Eigenschaften übertragen werden könne. Indessen erscheine es stossend,
dass zwar Verfügungen über das Ergebnis von Berufs- und Fachprüfungen
sowie andere Fähigkeitsprüfungen, und auch - aufgrund von Art. 99
lit. e OG - solche über technische Anlagen und Fahrzeuge der Kognition
des Bundesgerichts entzogen sind, nicht aber die Verfügungen über die
Prüfungen tierischer Leistungen. Sollte das Bundesgericht hierin eine
echte, durch die Praxis zu füllende Gesetzeslücke erblicken, würde das
Departement einer solchen Lösung beipflichten.

    Das Bundesamt für Landwirtschaft hatte in einem Bericht
vom 9. April 1981 unter anderem ausgeführt, im Bereich der
viehwirtschaftlichen Produktion existiere eine grosse Zahl von Prüfungen,
Leistungskontrollen und dergleichen. Es handle sich dabei um Beurteilungen
(Stierenbeurteilung, Hengstanerkennung etc.), Messungen (Melkbarbeit,
Milchmenge, etc.) und Analysen (Milchqualität, Fleischqualität etc.). Der
Zweck aller dieser Prüfungen sei die Feststellung, wie gut das konkrete
Tier den angestrebten Zielen als Zucht- oder Nutztier entspreche. Eine
Gesetzeslücke würde das Bundesamt für Landwirtschaft im Bereich der
Tierzucht für möglich halten, wo es sich um reine Beurteilungen handle. Bei
allen Prüfungen, die exakte Resultate ermöglichen, würde das Amt dagegen
das Vorliegen einer Lücke verneinen.

    b) Wie im dargestellten Meinungsaustausch klar zum Ausdruck kommt,
kann der Begriff "andere Fähigkeitsprüfungen" im Zusammenhang mit Berufs-
und Fachprüfungen gemäss Art. 99 lit. f OG nur auf die Fähigkeitsprüfungen
von Menschen bezogen werden. Der Begriff der "Berufs- und Fachprüfungen"
umfasst diesbezüglich nicht alle Möglichkeiten von Prüfungen, denen
Menschen unterliegen - man denke z.B. an die Motorfahrzeugführerprüfung
(vgl. BGE 98 Ib 222). Die Ausnahmebestimmung des Art. 99 lit. f OG kann
aber nicht über die Prüfung der Fähigkeiten von Menschen hinaus auf
Leistungsprüfungen von Tieren bezogen werden.

    Es ist indessen zu prüfen, ob der Gesetzgeber nicht eine Ausnahme
von der Verwaltungsgerichtsbeschwerde für Verfügungen über das Ergebnis
von Leistungsprüfungen bei Tieren formuliert hätte, wenn er daran
gedacht hätte. Einerseits werden in Art. 99 lit. e OG die Erteilung
oder Verweigerung von Betriebsbewilligungen für technische Anlagen oder
für Fahrzeuge von der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ausgenommen, weil
sie sich wegen ihrer technischen Natur für eine gerichtliche Prüfung
nicht eignen (vgl. GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, Bern 1979,
S. 83). Anderseits schloss der Gesetzgeber in Art. 99 lit. f OG die
gerichtliche Zuständigkeit für die Bewertung von Prüfungen aus, da hier
das Ermessen eine entscheidende Rolle spielt (vgl. die Ausführungen
des Berichterstatters GLASSON im Nationalrat in Sten.Bull NR 1967,
36). Die Leistungsprüfungen bei Tieren liegen nach ihrer Eigenart
genau zwischen diesen beiden Positionen. Einerseits stellen sich
Ermessensfragen, die jenen bei der Beurteilung menschlicher Fähigkeiten
ähnlich sind. Anderseits betreffen diese Prüfungen rein technische
Probleme, wie z.B. die mechanische Messung des Milchflusses, für welche
(natur-)wissenschaftliche Grundsätze heranzuziehen sind (vgl. Art. 41
Abs. 1 TZV). Vergleicht man die Tatbestände der Ausnahmen in Art. 99
lit. e und f OG mit den Leistungsprüfungen bei Tieren, so ergibt sich,
dass diese Leistungsprüfungen infolge einer planwidrigen Unvollständigkeit
in den Katalog der Ausnahmen von der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
nicht aufgenommen wurden. Es ist anzunehmen, dass der Gesetzgeber eine
entsprechende Regelung getroffen hätte, wenn er daran gedacht hätte. Es
liegt demnach eine Lücke vor, welche bei der Rechtsanwendung auszufüllen
ist, und zwar in dem Sinne, dass auch Verfügungen über das Ergebnis von
Leistungsprüfungen bei Tieren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht
unterliegen. Dabei drängt sich eine unterschiedliche Behandlung der Fälle,
welche reine Beurteilungen betreffen, und jener, die exakte Resultate
ermöglichen, wie es das Bundesamt für Landwirtschaft vorschlägt, nach
Grund und Zweck der Ausnahme nicht auf. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
ist somit gegen Verfügungen über das Ergebnis von Leistungsprüfungen bei
Tieren nicht zulässig.

    c) Im vorliegenden Fall ist eine Verwarnung des Beschwerdeführers
sowie insbesondere die Annullierung eines Melkbarkeitsergebnisses mit den
daraus sich ergebenden Folgen für die Herdebuchberechtigung streitig. Diese
Fragen unterliegen der verwaltungsgerichtlichen Beurteilung durch das
Bundesgericht, denn sie betreffen nicht die Ergebnisse der umstrittenen
Melkbarkeitsprüfungen als solche. Diese Ergebnisse sind vielmehr vom
Bundesgericht als Tatsachen hinzunehmen (vgl. BGE 98 Ib 224 f. E. 1,
2). Auf die vorliegende Beschwerde ist in diesem Sinne einzutreten.

Erwägung 5

    5.- Bei diesem Ausgang des Verfahrens obsiegt der Beschwerdeführer
vollumfänglich. Da er durch einen Anwalt vertreten ist, ist ihm
gemäss Art. 159 Abs. 2 OG eine Parteientschädigung zuzusprechen. Dabei
rechtfertigt es sich, diese Parteientschädigung dem Schweizerischen
Fleckviehzuchtverband zu auferlegen; als mit öffentlichrechtlichen
Aufgaben des Bundes betraute und ausserhalb der Bundesverwaltung stehende
Organisation ist er diesbezüglich gleich zu behandeln wie Gemeinden und
Kantone, die mit dem Vollzug von Bundesverwaltungsrecht betraut sind
und welche praxisgemäss im Falle ihres Unterliegens der obsiegenden
Partei eine Entschädigung zu entrichten haben (- mit der Revision vom
20. Dezember 1968 wurde der frühere Verweis in Art. 159 Abs. 5 OG auf
Art. 156 Abs. 2 OG gestrichen). In sinngemässer Anwendung von Art. 156
OG sind dagegen keine Gerichtskosten zu erheben.