Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 107 IB 22



107 Ib 22

6. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 13.
Februar 1981 i.S. Wehrsteuerverwaltung des Kantons Bern gegen S. und
Kantonale Rekurskommission Bern (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Art. 22 Abs. 1 lit. e, Art. 23 WstB; Instandstellungsaufwendungen
für eine Liegenschaft.

    Instandstellungsaufwendungen im Anschluss an den Erwerb einer
Liegenschaft durch Erbschaft sind als Unterhaltskosten gemäss Art. 22
Abs. 1 lit. e WstB zu betrachten. Sie können von den Erben insoweit
vom rohen Einkommen abgezogen werden, als der Erblasser zum Abzug der
tatsächlichen Kosten berechtigt gewesen wäre (E. 2a). Der übernehmende
Miterbe ist zum Abzug von Instandstellungskosten, welche ihm unmittelbar
im Anschluss an die Übernahme der Liegenschaft anfallen, im Umfang seiner
Erbquote berechtigt (E. 2b).

Sachverhalt

    A.- Die Erbengemeinschaft des am 1. März 1973 verstorbenen Emil Adolf
S. trat gemäss Vertrag vom 6. August 1973 ihrem Miterben Hans Ulrich
S.-C. verschiedene Liegenschaften ab, welche ein landwirtschaftliches
Heimwesen bilden. Die Erbteilung erfolgte mit Vertrag vom 12. Dezember
1974 nach Massgabe der gesetzlichen Erbteile; dabei wurde Hans Ulrich
S. die Kaufpreisrestanz für die abgetretenen Parzellen auf seinen Erbteil
angerechnet.

    In den Bemessungsjahren für die 18. Wehrsteuerperiode, 1973/74, liess
Hans Ulrich S. am Gebäude des Heimwesens Instandstellungsarbeiten für
Fr. 75'606.85 ausführen. Diesen Betrag zog er in seiner Steuererklärung
als Unterhaltskosten im Sinne von Art. 22 Abs. 1 lit. e WstB vom rohen
Einkommen ab. Die Veranlagungsbehörde anerkannte im Einspracheverfahren
diesen Abzug lediglich im Umfang seines Erbanteils von 3/16; sie liess
somit Fr. 14'176.- bzw. durchschnittlich Fr. 7'100.- zum Abzug zu.

    Die Rekurskommission des Kantons Bern hiess eine Beschwerde Hans
Ulrich S's. gegen die Einspracheverfügung teilweise gut. Sie erwog im
wesentlichen, der Rekurrent habe als Erbe Anspruch auf den Abzug der
vollen Ausgaben zur Wiederherstellung des Zustandes, in dem sich das
Gebäude während des Besitzes des Erblassers befunden hatte; immerhin
müsse er sich in Rechnung stellen lassen, was sein Rechtsvorgänger
als Unterhaltskosten bereits früher abgezogen habe, ohne tatsächlich
Aufwendungen für den Gebäudeunterhalt zu tätigen. Beim Erbantritt habe
ein bedeutender Unterhaltsnachholbedarf von schätzungsweise Fr. 10'000.-
bestanden, welcher nicht nochmals in Abzug gebracht werden dürfe.

    Das Bundesgericht heisst eine Beschwerde der Wehrsteuerverwaltung
des Kantons Bern gegen diesen Entscheid teilweise gut aus folgenden.

Auszug aus den Erwägungen:

                          Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Seit der Änderung der Rechtsprechung im Jahre 1973 (BGE
99 Ib 366 E. d) hatte das Bundesgericht nicht zu entscheiden, ob
Instandstellungsaufwendungen im Anschluss an den Erwerb einer Liegenschaft
durch Erbgang als Unterhaltskosten anerkannt werden können, oder ebenfalls
als wertvermehrende Aufwendungen zu qualifizieren sind. Diese Frage ist
nunmehr zu prüfen.

    a) Nach Art. 560 ZGB erwerben die Erben die Erbschaft als Ganzes mit
dem Tode des Erblassers kraft Gesetzes; mit Vorbehalt der gesetzlichen
Ausnahmen gehen die Forderungen, die dinglichen Rechte und der Besitz des
Erblassers ohne weiteres und insgesamt auf sie über, die Schulden des
Erblassers werden zu ihren persönlichen Schulden. Die Erbfolge des ZGB
wird somit vom Grundsatz der Gesamtnachfolge, der Universalsukzession,
beherrscht. Dies bedeutet, dass die einzelnen Vermögensgegenstände des
Erblassers nicht je gesondert auf die Erben übergehen, sondern dass der
ganze Inbegriff vererblicher Verhältnisse, in denen der Erblasser bei
seinem Tode gestanden ist, als eine geschlossene Einheit auf die Erben
übergeht. Diese Gesamtnachfolge kann vom Erblasser nicht wegbedungen
werden und charakterisiert geradezu den erbrechtlichen Vermögensübergang.
Treten somit die Erben grundsätzlich in die gesamte vermögensrechtliche
Stellung des Erblassers ein, so haben Instandstellungskosten für einen
Vermögensgegenstand der Erbschaft für die Erben denselben Charakter,
den sie für den Erblasser gehabt hätten; sie bilden auch wirtschaftlich
betrachtet weder Anlagekosten noch wertvermehrende Aufwendungen, soweit
sie ausschliesslich der Wiederherstellung oder Erhaltung des Wertes
des Erbschaftsgegenstandes dienen und deshalb im technischen Sinne
Unterhaltskosten darstellen. Die Erben sind aus diesem Grunde zum Abzug
der tatsächlichen Aufwendungen für die Instandstellung einer ererbten
Liegenschaft auch dann berechtigt, wenn die Instandstellungsarbeiten
unmittelbar nach Erwerb der Erbschaft ausgeführt werden. Allerdings sind
die Erben zum Abzug nur insoweit zuzulassen, als auch der Erblasser den
Abzug der tatsächlichen Kosten hätte verlangen können. Soweit in früheren
Veranlagungsperioden den entsprechenden Aufwendungen bereits durch einen
Pauschalabzug Rechnung getragen worden ist, und der Erblasser deshalb die
tatsächlichen Kosten nicht in vollem Umfange hätte geltendmachen können,
ist auch den Erben ein Abzug verwehrt.

    b) Beerben mehrere Erben den Erblasser, so besteht unter ihnen,
bis die Erbschaft geteilt ist, infolge des Erbganges eine Gemeinschaft
aller Rechte und Pflichten der Erbschaft. Sie werden Gesamteigentümer
der Erbschaftsgegenstände und haften für die Schulden des Erblassers
solidarisch (Art. 602 Abs. 1, 2, Art. 603 Abs. 1 ZGB). Wird die Erbschaft
indessen geteilt, so werden den Miterben einzelne Erbschaftssachen
zu ausschliesslichem Eigentum zugewiesen; die Übertragung einer
Erbschaftssache geschieht somit bei der Teilung nicht auf dem Wege der
Universal-, sondern durch Singularsukzession (vgl. Art. 637 ZGB). Diesem
Grundsatz entspricht, dass den Miterben einzelne Sachen, insbesondere
Grundstücke, zu einem bestimmten Anrechnungswert übertragen werden
(Art. 617 f. ZGB). Dieser Anrechnungswert wird für ein Grundstück in der
Regel, wie bei einem Kauf, unter Berücksichtigung des Unterhaltszustandes
der Liegenschaft festgelegt. Namentlich wird einem Unterhaltsnachholbedarf
regelmässig durch einen Einschlag Rechnung getragen. Der Miterbe,
der eine Liegenschaft auf Anrechnung an seinen Erbteil übernimmt,
ist demnach insofern in derselben Lage wie ein Käufer, als er nicht
schon aufgrund seiner erbrechtlichen Stellung gesamthänderisch an der
Liegenschaft mitberechtigt ist. Dabei ist allerdings nicht entscheidend,
ob im konkreten Fall der Anrechnungswert tatsächlich unter Berücksichtigung
des Unterhaltszustandes der Liegenschaft festgelegt wird oder nicht. Soweit
die Übertragung der Liegenschaft einer Singularsukzession gleichkommt,
ist der einkommenssteuerrechtlich relevante objektive Wert der Liegenschaft
im Zeitpunkt der Übertragung massgebend, welcher entscheidend vom Zustand
des Unterhalts abhängt und welcher durch Instandstellungsarbeiten im
Anschluss an den Erwerb erhöht wird. Im Umfange des quotenmässigen
Anteils seiner Miterben der übernehmende Miterbe die Liegenschaft
wie ein Singularsukzessor; Instandstellungsaufwendungen, die er im
Anschluss an den Erwerb der Liegenschaft tätigt, haben in diesem Umfange
wertvermehrenden Charakter. Im Umfang seines eigenen Erbanteils tritt
der Miterbe indessen auch bezüglich der übernommenen Liegenschaft in
die vermögensrechtliche Stellung des Erblassers ein; insoweit ist er zum
Abzug der Unterhaltskosten im Anschluss an den Erwerb berechtigt, soweit
der Erblasser einen entsprechenden Abzug hätte geltendmachen können. In
diesem Sinne ist die ältere Rechtsprechung des Bundesgerichtes (vgl.
Urteil vom 26. September 1969 i.S. K. in ASA Bd. 39 S. 102) zu präzisieren.

    c) Im vorliegenden Fall ist unbestritten, dass der Beschwerdegegner
die Unterhaltsaufwendungen, deren Berücksichtigung er beansprucht,
unmittelbar im Anschluss an den Erwerb der Liegenschaft getätigt hat. Da
der Erblasser, wie die Vorinstanz ohne Überschreitung oder Missbrauch des
Ermessens festgestellt hat, bereits Fr. 10'000.- dieser Kosten im Wege der
Pauschalierung in früheren Steuerperioden abgezogen hat, ist dieser Betrag
an die tatsächlichen Unterhaltskosten anzurechnen. Der Beschwerdegegner ist
an der Erbschaft zu 3/16 beteiligt. Es ergibt sich somit folgende Rechnung:

    Unterhaltskosten                              Fr. 75'606.85
   ./. bereits berücksichtigter

    Betrag (Pauschalierung)                       Fr. 10'000.--
                                                 -------------

    Abzugsfähige Unterhaltskosten                 Fr. 65'606.85
   im Umfang von 3/16 für den Beschwerdegegner   Fr. 12'300.-- pro Jahr
   somit                                Fr.  6'150.--
                                                 =============

    Die Beschwerde ist in diesem Sinne teilweise gutzuheissen und der
zulässige Abzug vom rohen Einkommen des Beschwerdegegners unter dem Titel
Unterhaltskosten ist für die 18. Wehrsteuerperiode auf Fr. 12'300.-,
bzw. Fr. 6'150.- pro Jahr, festzusetzen.