Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 107 IB 167



107 Ib 167

31. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen
Abteilung vom 19. März 1981 i.S. Kantonales Steueramt Zürich
gegen X. und Wehrsteuerrekurskommission des Kantons Zürich
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Verfahren (Art. 105 Abs. 2 und 114 Abs. 1 OG).

    1. Berücksichtigung verspäteter Parteibegehren bei Abgabestreitigkeiten
(Art. 114 Abs. 1 OG) (E. 1a)?

    2. Berücksichtigung einer nachträglichen Änderung des Sachverhaltes
im Rahmen von Art. 105 Abs. 2 OG (E. 1b)?

Sachverhalt

    A.- Das kantonale Steueramt erhob am 7. September 1978
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen einen Entscheid der kantonalen
Wehrsteuerrekurskommission, worin diese den Kapitalgewinn aus der
Privatentnahme eines Grundstückes festsetzte. In ihrer Vernehmlassung vom
3. November 1978 beantragte die Steuerpflichtige Abweisung der Beschwerde
und Änderung zu ihren Gunsten. Mit Brief vom 21. Dezember 1978 teilte sie
dem Bundesgericht mit, dass das betreffende Grundstück inzwischen zu einem
tieferen Preis als dem vom Experten geschätzten Verkehrswert verkauft
worden sei. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut, hebt
den Entscheid der Wehrsteuerrekurskommission auf und weist ihr die Sache
zur richtigen Festsetzung des Kapitalgewinns zurück. Zum Verfahren führt
das Bundesgericht aus:

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) In ihrer lange nach Ablauf der dreissigtägigen Beschwerdefrist
eingereichten Vernehmlassung beantragt die Steuerpflichtige Abweisung
der Beschwerde und Änderung des vorinstanzlichen Entscheides zu
ihren Gunsten. Da im Bereiche der Verwaltungsgerichtsbeschwerde eine
Anschlussbeschwerde nicht vorgesehen ist, kann auf den zweiten Antrag nicht
eingetreten werden (BGE 99 Ib 98 E. 1b). Das Bundesgericht hat allerdings
gemäss Art. 114 Abs. 1 OG die Möglichkeit, in Abgabestreitigkeiten einen
Entscheid der Vorinstanz im Rahmen seiner von Amtes wegen getroffenen
Abklärungen gegebenenfalls dem objektiven Recht anzupassen, ohne an die
Anträge der Parteien gebunden zu sein. Eine solche Berichtigung wird aber
nur vorgenommen, wenn der betreffende Entscheid offensichtlich unrichtig
und die Korrektur von erheblicher Bedeutung ist. Die Korrektur bezieht
sich ferner nur auf Verletzung von Bundesrecht oder Tatsachenirrtum,
nicht aber auf Ermessensfragen (BGE 105 Ib 379 mit Hinweisen; 103 Ib
369). In diesem Rahmen kann der von der Steuerpflichtigen eingereichte
Änderungsantrag zu ihren Gunsten miterwogen werden.

    b) Nach Art. 105 Abs. 2 OG ist das Bundesgericht an den von der
Rekurskommission festgestellten Sachverhalt gebunden, soweit diese ihn
nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung
wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt hat. Aus diesem
Grund ist im vorliegenden Fall die Möglichkeit, vor Bundesgericht neue
Behauptungen aufzustellen und neue Beweismittel einreichen zu können,
weitgehend eingeschränkt (BGE 102 Ib 127). Das Bundesgericht hat in
solchen Fällen nur neue Beweismittel, welche die Vorinstanz von Amtes wegen
hätte erheben sollen und deren Nichterheben eine Verletzung wesentlicher
Verfahrensvorschriften darstellt, ausdrücklich zugelassen (BGE 106 Ib
79 E. 2a, 102 Ib 127 mit Hinweis). Offen gelassen wurde hingegen, ob
neue Behauptungen, die sich auf Veränderungen des Sachverhaltes nach
Erlass des angefochtenen Entscheides beziehen, zuzulassen seien. Diese
Frage ist zu verneinen. Nach der Regel von Art. 105 Abs. 2 OG kann das
Bundesgericht vom Sachverhalt, der von Rekurskommissionen oder kantonalen
Gerichten festgestellt worden ist, nur abweichen, wenn eine solche
Vorinstanz den Sachverhalt unter Begehung eines der in dieser Bestimmung
genannten Fehlers festgestellt hat. Wenn sich jedoch nach dem Entscheid
einer Rekurskommission oder eines kantonalen Gerichts der Sachverhalt
verändert hat, kann dieser Behörde deswegen nicht vorgeworfen werden,
sie habe den Sachverhalt fehlerhaft, insbesondere unvollständig oder
unrichtig festgestellt. Da aber nur Fehler im Sinne von Art. 105 Abs. 2
OG dem Bundesgericht Anlass geben, die Sachverhaltsfeststellung einer
Rekurskommission oder eines kantonalen Gerichtes zu korrigieren, bleibt das
Bundesgericht an die von dieser Behörde getroffene Sachverhaltsfeststellung
gebunden, auch wenn sich der Sachverhalt nachträglich verändert
hat. Eine solche nachträgliche Veränderung des Sachverhaltes müsste im
Rahmen eines Wiedererwägungsgesuches vor den kantonalen Behörden geltend
gemacht werden (nicht veröffentlichtes Urteil vom 13. Oktober 1978 i.S.
Immobiliengesellschaft H. AG gegen Rekurskommission des Obergerichts
Thurgau).

    Bei dem, dem Bundesgericht mit Eingabe vom 21. Dezember 1978
mitgeteilten Verkauf der fraglichen Liegenschaft, handelt es sich um
eine nach Erlass des angefochtenen Entscheides eingetretene Änderung des
Sachverhaltes. Aus den genannten Gründen ist dieses Novum im Verfahren
der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht zu beachten. Wird jedoch der
Entscheid der Vorinstanz aus einem anderen Grund aufgehoben, so steht
bei einer Neubeurteilung grundsätzlich nichts entgegen, die neue Tatsache
mitzuberücksichtigen.