Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 107 IB 151



107 Ib 151

28. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
vom 17. Juni 1981 i.S. Kantonaler Fischereiverein Graubünden
gegen Kraftwerke Ilanz AG und Regierung des Kantons Graubünden
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Art. 24 und 25 des BG vom 14. Dezember 1973 über die Fischerei (FG)
sowie Art. 22 Abs. 2 NHG.

    Die zum Schutze der Wassertiere erforderlichen Massnahmen nach
Art. 25 Abs. 1 FG müssen, von unwesentlichen Einzelheiten abgesehen,
bereits bei Erteilung der Bewilligungen gemäss den Art. 24 FG und 22
Abs. 2 NHG vorgeschrieben werden; sie dürfen in der Bewilligung nicht
bloss vorbehalten werden.

Sachverhalt

    A.- Gegen den im vorstehenden Urteil Kraftwerke Ilanz AG angeführten
Beschluss der Regierung des Kantons Graubünden vom 28. Dezember 1979 hatte
auch der kantonale Fischereiverein Graubünden Verwaltungsgerichtsbeschwerde
eingereicht. Das Bundesgericht heisst diese Beschwerde ebenfalls gut,
aus folgenden

Auszug aus den Erwägungen:

                         Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- ... (Formelles.)

Erwägung 2

    2.- ... (Zusammenfassung des Urteils Kraftwerke Ilanz AG vom 17. Juni
1981.)

Erwägung 3

    3.- Der angefochtene Beschluss erteilte in Dispositivziffer 1 der
Kraftwerke Ilanz AG (KWI) die Bewilligung (gemäss Art. 24 FG) für die zum
Bau und Betrieb der Ilanzer Kraftwerke unerlässlichen technischen Eingriffe
in die fraglichen Gewässer sowie die Ausnahmebewilligung (gemäss Art. 22
Abs. 2 NHG) für die Beseitigung der Ufervegetation. Massnahmen im Sinne des
Art. 25 FG wurden nicht angeordnet, sondern in Dispositivziffer 2 lediglich
allgemein vorbehalten, wobei die Regierung auf die von ihr veranlassten,
im Gang befindlichen Abklärungen verwies. In diesem Vorgehen erblickt der
Beschwerdeführer eine Verletzung von Bundesrecht; nach seiner Auffassung
hätten die vom Fischereigesetz verlangten Massnahmen zum Schutze der
Wassertiere zugleich mit der Bewilligungserteilung angeordnet werden
müssen.

    a) Vorweg ist festzuhalten, dass die Regierung sich zu Recht für befugt
gehalten hat, in Anwendung sowohl des FG als auch des NHG eine einheitliche
Bewilligung zu erteilen. Die eingehende Regelung der Art. 22 ff. FG deckt
sich weitgehend mit dem Zweck der Art. 21 f. NHG über den Schutz der
einheimischen Tier- und Pflanzenwelt, und die Interessenabwägung, die
für die Erteilung der Bewilligung nach den Art. 24 ff. FG vorzunehmen
ist, umfasst auch die Berücksichtigung der öffentlichen Interessen,
die eine Ausnahmebewilligung nach Art. 22 Abs. 2 NHG zu rechtfertigen
vermögen. Da das Fischereigesetz die Bewilligungspflicht und die zu
treffenden Massnahmen wesentlich eingehender als Art. 22 NHG regelt, hängt
der Ausgang der Sache primär davon ab, ob der angefochtene Beschluss den
Anforderungen dieses Gesetzes genügt.

    b) Die Art. 24 und Art. 25 FG verlangen unmissverständlich, dass
technische Eingriffe in die Gewässer nur mit schriftlicher Bewilligung
vorgenommen werden dürfen. In den Gesetzesberatungen wurde der erste Satz
von Art. 24 Abs. 1 FG vom Ständerat gegenüber der bundesrätlichen Vorlage
verdeutlicht, um zu vermeiden, dass die fischereirechtliche Bewilligung
erst nachträglich - also nach dem Eingriff - erfolge (Votum Herzog,
Amtl. Bull. 1973 S. 402). Diese Bestimmung schreibt demnach zur Sicherung
der vorgängigen Bewilligung ausdrücklich vor, dass die Gewässer oder ihr
Wasserhaushalt, die Wasserläufe und Ufer nur mit besonderer Bewilligung
der für die Fischerei zuständigen kantonalen Behörde verändert werden
dürfen. Zudem müssen nach Art. 25 Abs. 3 FG die vorzuschreibenden
Massnahmen schon bei der Ausarbeitung der Projekte festgelegt werden;
damit soll, wie in der Botschaft dargelegt wird (BBl 1973 I 690), eine
enge Zusammenarbeit zwischen den mit der Projektierung beauftragten
Stellen und den zuständigen Fischereibehörden zu einem möglichst frühen
Zeitpunkt gewährleistet werden. Die zuständige Behörde darf daher
die fischereirechtliche Bewilligung erst erteilen, wenn sie über die
wesentlichen Entscheidungsgrundlagen verfügt; ein blosser allgemeiner
Vorbehalt der späteren Anordnung der vom Gesetz verlangten Massnahmen
kann dagegen nicht genügen. Denn sonst würden Sachzwänge geschaffen,
die nur schwer zu korrigieren wären - eine Folge, welche Art. 25 Abs. 3
FG gerade vermeiden wollte.

    Die fischereirechtliche Bewilligung darf wie die Baubewilligung
nicht derart aufgespalten werden, dass sie wohl erteilt, die Festlegung
der einzelnen Massnahmen (Auflagen, Bedingungen, usw.) jedoch einem
späteren Verfahren vorbehalten wird. Sie hat daher die Massnahmen, die
von Gesetzes wegen zur Vornahme dieser Eingriffe getroffen werden müssen,
im wesentlichen anzuordnen und nicht auf später zu verschieben (Urteil des
Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 12. August 1980 in ZBl 81/1980,
S. 544 f.; ERICH ZIMMERLIN, Baugesetz des Kantons Aargau, § 152, N. 5
S. 426). Im Sinne dieser für das Bewilligungsverfahren allgemein geltenden
Regel hat es das Bundesgericht als unzulässig erachtet, eine Bewilligung
für die Anlage eines Gebirgsflugplatzes unter dem allgemeinen Vorbehalt
zu erteilen, der Bauherr habe alle nötigen Massnahmen zu ergreifen,
um eine Gewässerverschmutzung zu vermeiden; denn die Bewilligung hat
die zur Abwasserbeseitigung erforderlichen Massnahmen anzuordnen (nicht
veröffentlichte E. 17 c (S. 50 f.) des Urteils Aeschbacher und Kons. vom
26. September 1979).

    Es ist allerdings denkbar, dass Einzelheiten der in Art. 25 Abs. 1 FG
aufgezählten Massnahmen nicht schon bei der Projektierung, sondern erst
und nur aufgrund zu sammelnder Erfahrungen festgelegt werden können. In
diesen Punkten ist es - sofern sie für die Nutzung des Wasserrechts
nicht von entscheidender Bedeutung sind - ausnahmsweise zulässig,
auf eine Festlegung bis zur definitiven Abklärung zu verzichten und in
der Bewilligung diesbezüglich konkrete Vorbehalte anzubringen. Sonst
aber müssen die erforderlichen Massnahmen bereits in der Bewilligung
vorgeschrieben werden, denn ihre Anordnung zählt zum notwendigen Inhalt
der Bewilligung; andernfalls ist diese mangelhaft und daher anfechtbar.

    c) Es ist kennzeichnend, dass auch die beliehene KWI das Vorgehen
der Regierung beanstandet, da sie die Unsicherheit - insbesondere
über die Restwassermenge - aus wirtschaftlichen Gründen als untragbar
erachtet. Die Festlegung der Mindestwassermenge zählt in der Tat sowohl
zum Inhalt der Verleihung (vgl. Art. 54 lit. b WRG) als auch zu den
wesentlichen Anordnungen für die Sicherung günstiger Lebensbedingungen
für die Wassertiere (Art. 25 Abs. 1 lit. a FG). Das Vorgehen der Regierung
ist weder für die Wasserkraftnutzung noch für den Schutz der Lebensräume
der Wassertiere tragbar. Einerseits sind die Wasserwerkanlagen auf
die nutzbare Wassermenge auszurichten, anderseits ginge es nicht an,
ohne bewusste Interessenabwägung schwerwiegende Beeinträchtigungen von
Interessen der Fischerei und des Naturschutzes in Kauf zu nehmen in der
Meinung, zu einem späteren Zeitpunkt Korrekturen vorzunehmen. Solche
wären zufolge des vielfach definitiven Charakters der Eingriffe kaum
mehr möglich.

    d) Die Regierung wendet ein, im vorliegenden besonderen Fall, in
welchem die Konzession schon erteilt war und die KWI mit den Bauarbeiten
begonnen hatte, habe sie nicht mehr tun können, als in der Bewilligung
einen allgemeinen Vorbehalt anzubringen; es sei ihr nicht zuzumuten
gewesen, Massnahmen vorzuschreiben, bevor die erforderlichen Abklärungen
durchgeführt waren. Denn erst wenn die Entscheidungsgrundlagen vorlägen,
könne sie das Nötige und Zumutbare anordnen; auch könnten Massnahmen nur
dann verhältnismässig sein, wenn sie gemachte Erfahrungen berücksichtigten.

    Bei allem Verständnis für diese Auffassung und das Bestreben, die
fischereirechtliche Bewilligung möglichst bald zu erteilen, nachdem die
KWI nach Erhalt der Baubewilligung mit den Bauarbeiten begonnen hatten,
muss festgehalten werden, dass die Regierung mit ihrer Verfügung die
angestrebte Klärung der Rechtslage nicht herbeizuführen vermochte, da sie
die in der Bewilligung zu treffenden Massnahmen nicht in den Einzelheiten
der Durchführung, sondern bloss generell vorbehielt.

    Die angefochtene Bewilligung für die Beseitigung der Ufervegetation
(Art. 22 Abs. 2 NHG) und die technischen Eingriffe in die Gewässer
für die Verwirklichung der Ilanzer Kraftwerke (Art. 24 FG) ist daher
aufzuheben. Die Regierung hat aufgrund der inzwischen gewonnenen
Erkenntnisse und nötigenfalls nach zügiger Durchführung weiterer gezielter
Abklärungen eine neue Bewilligung zu erteilen, in der die in Art. 25
Abs. 1 FG genannten, aber im Rahmen von Art. 26 FG zu treffenden
Massnahmen angeordnet werden; diese dürfen die wohlerworbenen Rechte
der KWI, insbesondere an der indirekt zugesicherten Nutzwassermenge,
nicht in erheblichem Masse beeinträchtigen.

    Die Regierung hat vor Erlass ihrer neuen Verfügung der Parteistellung
des Beschwerdeführers Rechnung zu tragen, indem sie ihm Gelegenheit
zur Stellungnahme einräumt und hiefür das nötige Akteneinsichtsrecht
gewährt. Die neue Verfügung und - falls keine Einigung erzielt wird -
ihren Entscheid über die Ablehnung seiner allfälligen Einsprache muss
sie ihm mit Rechtsmittelbelehrung eröffnen (Art. 34 f. VwVG).