Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 107 IB 133



107 Ib 133

26. Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 10. April
1981 i.S. Stuber gegen Eidg. Volkswirtschaftsdepartement
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Verordnung über die Bewilligung von Stallbauten.

    Der Grundsatz, dass bei einer Rechtsänderung zwischen der Einreichung
eines Baugesuches und dessen endgültiger Erledigung in der Regel das neue,
in Kraft stehende Recht anzuwenden ist, gilt auch im Landwirtschaftsrecht.

Sachverhalt

    A.- Bernhard Stuber hält in seinen Stallungen in der Nähe der Wohnzone
von Schüpfen ungefähr 300 Mastschweine. Am 24. Mai 1978 erteilte ihm
das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) eine Bewilligung zum Anbau eines
Stalles für 400 Mastschweine und zum Bau eines weiteren Stalles für
65 Mutterschweine über den bestehenden Stallungen. Da die Gemeinde
Schüpfen gegen dieses Projekt opponierte, entschloss sich Stuber,
im Einverständnis mit den Gemeindebehörden, ungefähr drei Kilometer
ausserhalb des Dorfes einen Schweinestall zu bauen. Wegen der grossen
Entfernung zu seinem Wohnhaus wollte er auf die Haltung von Zuchtschweinen
verzichten und beabsichtigte statt dessen insgesamt 750 Mastschweine zu
halten. Stuber reichte am 15. November 1979 ein entsprechendes Gesuch
bei der Landwirtschaftsdirektion des Kantons Bern ein. Diese behandelte
das Gesuch am 28. November 1979 und leitete es tags darauf an das BLW
weiter, wo es am 30. November 1979 registriert wurde. Bei der Behandlung
des Gesuches am 10. Dezember 1979 teilte das BLW Stuber mit, dass die
Pachtverträge nachzureichen seien. Am 12. Dezember 1979 brachte Stuber
die Pachtverträge auf das BLW.

    Mit Verfügung vom 22. Januar 1980 lehnte das BLW das Gesuch ab. Zur
Begründung führte es aus, nach den auf den 1. Januar 1980 neu in Kraft
getretenen Bestimmungen könne Gesuchen, die auf eine Vergrösserung des
Viehbestandes abzielen, nur entsprochen werden, wenn im betreffenden
Sektor keine länger dauernde Überproduktion zu befürchten sei. Die
anhaltend schlechte Marktlage auf dem Kalbfleisch- und Eiersektor sowie
die ungünstigen Prognosen für den Rind- und Schweinefleischmarkt hätten das
Bundesamt veranlasst, für diese Sektoren vorläufig einen Bewilligungsstop
zu erlassen. Eine Beschwerde an das Eidg. Volkswirtschaftsdepartement
(EVD) wurde abgewiesen.

    Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 11. September 1980 beantragt
Stuber, der Entscheid des EVD sei aufzuheben und dem Beschwerdeführer
sei eine Stallbaubewilligung für 750 Mastschweine zu erteilen.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab aus folgenden

Auszug aus den Erwägungen:

                          Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) Die ursprüngliche Fassung von Art. 19 Abs. 1 lit. b des
Landwirtschaftsgesetzes vom 3. Oktober 1951 (AS 1953, 1079) ermächtigte
den Bundesrat, die nötigen Massnahmen zu ergreifen zur Anpassung der
Tierbestände an die betriebs- und landeseigene Futtergrundlage, sofern
die Absatzverhältnisse für vieh- und milchwirtschaftliche Erzeugnisse
oder andere wirtschaftliche Gründe es zwingend verlangten. Gestützt
auf diese Bestimmung erliess der Bundesrat am 21. Dezember 1977 eine
bis 31. Dezember 1979 befristete Verordnung über die Bewilligung von
Stallbauten (aVBS, AS 1977, 2391 und 1978, 742). Gemäss Art. 1 Abs. 1 aVBS
bedurfte die Erstellung neuer sowie die Erweiterung bestehender Ställe
für die Rindviehmast sowie für die Schweine- und Legehennenhaltung
einer Bewilligung des BLW. Die Einführung der Bewilligungspflicht,
die auf eine mengenmässige Beschränkung der Tierbestände abzielte,
war notwendig geworden, weil die Produktion von Fleisch und Eiern die
Absatzmöglichkeiten zunehmend überstieg, so dass vermehrt Massnahmen
zur Überschussverwertung ergriffen werden mussten. Mit der Einführung
der Bewilligungspflicht sollten weitere Vergrösserungen der Tierbestände
verhindert oder doch davon abhängig gemacht werden, dass das betriebs-
und landeseigene Futter mindestens einen bestimmten Teil des Futterbedarfes
deckt (Art. 2 Abs. 1 lit. b aVBS). Diese produktionslenkende Massnahme war
umso notwendiger, als im Zusammenhang mit der damals eingeleiteten Revision
des Landwirtschaftsgesetzes bei den Betriebsinhabern die Tendenz entstand,
die Tierbestände trotz der schlechten Absatzlage noch auszudehnen, um eine
günstige Ausgangslage für die zu erwartenden neuen Massnahmen zu schaffen.

    Am 22. Juni 1979 wurde eine Änderung des Landwirtschaftsgesetzes
verabschiedet. Wie sich schon aus den Materialien ergibt (Botschaft
des Bundesrates vom 22. Dezember 1976, BBl 1977 I 73 ff.; Bericht der
Kommission des Nationalrates vom 7. September 1978, BBl 1978 II 1318
ff.), standen dabei Massnahmen zur Lenkung der Struktur der Betriebe
im Vordergrund. Da sich das Ziel ausgeglichener Produktions- und
Absatzverhältnisse nicht allein durch die Anpassung der Produktion an
die betriebs- und landeseigene Futtergrundlage erreichen liess, galt
es, die Anpassung der Tierbestände unmittelbar mit den Produktions-
und Absatzmöglichkeiten zu verknüpfen. Dabei musste der Bundesrat
Steuerungsmöglichkeiten erhalten, um drohenden Entwicklungen rechtzeitig
begegnen zu können. Zu diesem Zwecke sah der Gesetzgeber in den
Art. 19a bis 19f LwG verschiedene Massnahmen vor. In Art. 19d LwG
wurde der Bundesrat namentlich ermächtigt, "die Bewilligungspflicht für
Stallbauten, allerdings mit anderen Kriterien zur Bewilligungserteilung
als heute, weiterzuführen" (BBl 1978 II 1333). Diese in Art. 19d
umschriebenen Kriterien sollten die Entwicklung zum bodenunabhängigen,
von der Landwirtschaft losgelösten Betrieb in Zukunft verhindern
(aaO 1344). Gestützt auf die neuen Bestimmungen des LwG erliess der
Bundesrat am 10. Dezember 1979 eine neue, unbefristete Verordnung über
die Bewilligung von Stallbauten (SR 916.016; nVBS). Diese trat zusammen
mit der Gesetzesnovelle am 1. Januar 1980 in Kraft.

    b) Die Entwicklung der Rechtslage zeigt, dass die in der aVBS für
die Jahre 1978-79 eingeführte Bewilligungspflicht für Stallbauten durch
eine strengere Regelung abgelöst wurde. Nach der aVBS waren Bewilligungen
zu erteilen:

    a) für Neu- und Umbauten, wenn diese bestehende Stallungen ersetzen
und der Tierbestand nicht vergrössert wird;

    b) für andere Neubauten und Erweiterungsbauten, wenn der Futterbedarf
zu einem bestimmten Prozentsatz durch betriebs- und landeseigenes Futter
gedeckt wird.

    Nach der nVBS bedarf es zum Neu- und Umbau von Ställen für die
Kälber- und Grossviehmast sowie für die Schweine- uns Geflügelhaltung
einer Bewilligung des BLW (Art. 1 nVBS). Bewilligungen für Ersatz- und
Umbauten, mit denen keine Vergrösserung des bisherigen Tierbestandes
verbunden ist, werden erteilt, wenn der höchstzulässige Gesamtbestand
nach Art. 4 nVBS nicht überschritten wird und weitere Voraussetzungen
erfüllt sind (Art. 5 nVBS). Andere Stallbauten, insbesondere wenn damit
eine Aufstockung des Tierbestandes verbunden ist, werden nur bewilligt,
wenn auf dem Betrieb trotz rationeller Führung ohne die Erweiterung kein
ausreichendes Einkommen erzielt werden kann, in zumutbarem Umfang Ackerbau
betrieben wird und auch nach der Aufstockung mindestens die Hälfte des
Betriebseinkommens aus landwirtschaftlicher Produktion erzielt wird, die
nicht der Stallbaubewilligung unterliegt (Art. 19d Abs. 3 LwG in Verbindung
mit Art. 6 nVBS). Auch diese Bewilligungen werden aber verweigert, wenn
aufgrund statistischer Ermittlung über die Entwicklung der Tierbestände,
der Anzahl eingehender Gesuche sowie der Marktlage im entsprechenden
Sektor eine Überproduktion zu befürchten ist (Art. 9 nVBS).

    Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass sein Projekt die
Voraussetzungen für die Erteilung einer Bewilligung nach der nVBS nicht
erfüllt. Hingegen macht er geltend, er habe nach der aVBS Anspruch auf
eine Bewilligung. Er ficht deshalb die Anwendung des neuen Rechts auf
sein Gesuch an.

Erwägung 2

    2.- a) Bei der Beurteilung, welches Recht bei einer Rechtsänderung
Anwendung findet, gilt der Grundsatz, dass diejenigen Rechtssätze
massgebend sind, die bei der Erfüllung des rechtlich zu ordnenden oder
zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes Geltung haben (IMBODEN/RHINOW,
Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, 5. Auflage, Nr. 15 B I). Im
Baubewilligungsverfahren soll festgestellt werden, dass ein Projekt mit
dem öffentlichen Recht übereinstimmt. Gegenstand der Bewilligung ist
die Baute. Der rechtlich zu ordnende Tatbestand erfüllt sich daher bei
Baubeginn. Bei einer Änderung des Rechtes zwischen Gesuchseinreichung
und endgültiger Gesuchserledigung ist demnach grundsätzlich das neue, in
Kraft stehende Recht anzuwenden. Dieser Grundsatz ist von der kantonalen
Praxis im Baupolizeirecht entwickelt und vom Bundesgericht geschützt
worden (BGE 101 Ib 297, 99 Ia 122, 341 E. 2, 95 I 125, 87 I 510). Das
Bundesgericht wendet aber die gleichen Grundsätze auch in freier Kognition
auf das Bundesrecht an, so namentlich im Zusammenhang mit der Änderung
des Gewässerschutzgesetzes (BGE 99 Ia 124 E. 9, 99 Ib 152 E. 1). Dies
entspricht der überwiegenden Meinung der Lehre (IMBODEN/RHINOW, aaO,
B II 4a; ANDRÉ GRISEL, L'application du droit public dans le temps,
ZBl 75/1974 S. 251 ff.; MARTIN STRAUB, Das intertemporale Recht bei der
Baubewilligung, Diss. Zürich 1976, S. 181). Die dargelegten Grundsätze
bezüglich der zeitlichen Rechtsanwendung im Baubewilligungsverfahren
nach dem Baupolizei- und Gewässerschutzrecht gelten auch für das
Landwirtschaftsrecht. Daran ändert nichts, dass es dabei meist nicht um
baupolizeiliche Vorschriften geht, sondern dass - wie im vorliegenden
Fall der Bewilligungspflicht für Stallbauten - wirtschaftspolitische,
im Interesse der Erhaltung und Förderung einer gesunden Landwirtschaft
erlassene Massnahmen im Vordergrund stehen.

    b) Der Gesetzgeber kann eine von den dargelegten Grundsätzen
abweichende übergangsrechtliche Regelung treffen. Dies trifft aber im
vorliegenden Fall nicht zu. Art. 19 Abs. 1 nVBS hebt die aVBS auf. Art. 19
Abs. 2 nVBS bestimmt:

    "Die aufgehobenen Bestimmungen bleiben auf alle während ihrer

    Geltungsdauer eingetretenen Tatsachen anwendbar."

    Aus dieser Bestimmung kann nicht abgeleitet werden, dass auf Gesuche,
die unter der Herrschaft der aVBS eingereicht wurden, die aufgehobenen
Bestimmungen der aVBS weiterhin anwendbar bleiben; denn aus den dargelegten
Grundsätzen erhellt, dass nicht der Zeitpunkt der Einreichung des Gesuches,
sondern jener der Bewilligung massgebend ist.

Erwägung 3

    3.- Der Zeitpunkt der Bewilligungsverfügung ist für die Bestimmung
des anwendbaren Rechts dann nicht massgeblich, wenn die Verwaltung durch
ungerechtfertigte Verzögerungen dahin wirkte, dass nach dem normalen Gang
der Dinge noch rechtzeitig zu bewältigende Gesuche nicht erledigt wurden
(BGE 99 Ia 122 E. 4b, 95 I 125, 87 I 513, IMBODEN/RHINOW, aaO, Nr. 15 II
4b, GRISEL, aaO, S. 253). Das trifft im vorliegenden Fall nicht zu.

    a) Da in den letzten Monaten des Jahres 1979 noch eine grosse
Menge Gesuche beim BLW eintrafen und in dieser Zeitspanne von den
gleichen Beamten der Abteilung für Viehwirtschaft überdies ein grosses
zusätzliches Pensum bewältigt werden musste, um das rechtzeitige
Inkraftsetzen des neuen Landwirtschaftsrechtes auf den 1. Januar 1980
zu ermöglichen, wurde ein Vorgehen zur Wahrung der Rechtsgleichheit bei
der Behandlung der Gesuche festgesetzt. Die eingehenden Gesuche wurden
numeriert und in der Reihenfolge des Eingangs bearbeitet. Wenn sich
bei der Bearbeitung ergab, dass ein Gesuch unvollständig war, wurde es
zur Ergänzung zurückgewiesen. Die eintreffenden Ergänzungen wurden neu
eintreffenden Gesuchen gleichgestellt, d.h. neu numeriert und in dieser
Reihenfolge bearbeitet. Dieses Vorgehen ist nicht zu beanstanden und es
kann keinesfalls von einer ungebührlichen Verzögerung die Rede sein.

    b) Ohne das Einholen der Pachtverträge hätte das Gesuch im
vorliegenden Fall noch vor Inkrafttreten des neuen Rechts erledigt
werden können. Der Beschwerdeführer rügt die Neunumerierung und damit
die Rückstellung seines Gesuches wegen eines derart geringen formellen
Mangels als unverhältnismässig. Das BLW habe offenkundig eine willkommene
Gelegenheit wahrgenommen, um das Verfahren hinauszuzögern. Das verstosse
gegen Treu und Glauben.

    aa) ob das Gesuch unter altem Recht bewilligt werden konnte,
hing wesentlich von der betriebseigenen Futterbasis ab. Da das
Eigenland des Beschwerdeführers hiefür nicht ausreichte, war das
Vorliegen ausreichender Pachtverträge von entscheidender Bedeutung. Die
Situation hatte sich diesbezüglich gegenüber dem ursprünglich bewilligten
Gesuch geändert. Während in der Bewilligung vom 24. Mai 1978 von einer
"Vertragsproduktion von je 4.5 ha Futtergetreide und Mais" die Rede war,
wurden im neuen Gesuch Pachtflächen von insgesamt 21 ha aufgeführt. Davon
war - wie sich später herausstellte - eine Pacht über 16 ha erst am
14. November 1979 mit Wirkung ab 1. April 1980 abgeschlossen worden. Die
Prüfung gerade dieses Pachtvertrages war für die Bewilligungsbehörde
von zentraler Bedeutung. Sie musste sich nicht damit begnügen, dass
die Ackerbaustelle auf dem Gesuch bestätigt hatte, die Angaben über
die Betriebsflächen geprüft und für richtig befunden zu haben; es war
vielmehr ihre Pflicht, das Genügen der Pachtverträge nach den bei allen
Gesuchen angewandten einheitlichen Kriterien zu prüfen. Im vorliegenden
Fall hat sich zudem gezeigt, dass die Pachtfläche von 16 ha nicht im
Zuständigkeitsbereich des unterzeichnenden Ackerbaustellenleiters lag.

    bb) Wie das BLW in seiner Stellungnahme an das EVD vom 29. Oktober
1980 darlegte, wurden in der ersten Zeit nach der Einführung der
Bewilligungspflicht für Stallbauten die Pachtverträge nicht einverlangt;
so wurde auch dem Beschwerdeführer am 24. Mai 1978 eine Stallbaubewilligung
erteilt, ohne dass vorher die Pachtverträge eingeholt worden wären. Die
mit dieser Praxis gemachten schlechten Erfahrungen hätten das BLW aber
rasch bewogen, die Pachtverträge als Gesuchsbestandteile zu verlangen,
denn es hätte verschiedentlich feststellen müssen, dass unter dem Begriff
Pachtvertrag sehr oft auch irgendwelche unverbindlich Bestätigungen
kursierten. Die frühere largere Praxis des BLW begründete keinen Anspruch
des Beschwerdeführers, auch beim zweiten Gesuch auf das Beilegen der
Pachtverträge verzichten zu können; dies zumal da auf dem vorgedruckten
Gesuchsformular die Beilage der Pachtverträge ausdrücklich verlangt
war. Beim zweiten Gesuch waren zudem die Pachtflächen prozentual bedeutend
grösser. Bei dieser Sachlage handelte das Bundesamt nicht gegen Treu und
Glauben, wenn es die fehlenden Pachtverträge einverlangte, um eine eigene
Prüfung dieser für die Bewilligung wesentlichen Grundlage vornehmen zu
können. Die diesbezüglichen Rügen des Beschwerdeführers erweisen sich
daher als unbegründet.

Erwägung 4

    4.- Damit ergibt sich, dass die Vorinstanzen bei der Behandlung des
Gesuchs des Beschwerdeführers zutreffenderweise das neue Recht angewandt
haben. Dass aber nach diesem das Gesuch nicht bewilligt werden konnte,
ist nicht bestritten. Die Beschwerde ist demnach abzuweisen.