Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 107 IA 202



107 Ia 202

41. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 16. Oktober 1981
i.S. K. gegen Personalvorsorgestiftung der Sondyna AG und Regierungsrat
des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Art. 4 BV; Parteientschädigung im Verwaltungsverfahren.

    Willkürliche Verweigerung einer Parteientschädigung im Verfahren vor
den zürcherischen Stiftungsaufsichtsbehörden.

Sachverhalt

    A.- Nach dem Tod ihres Ehemannes im April 1976 erhielt K. von der
Personalvorsorgestiftung der Sondyna AG eine Rente von Fr. 2'800.--
pro Quartal. Am 8. Juli 1976 beschloss der Stiftungsrat, die Leistungen
der Stiftung um 50% zu kürzen. In einem Beschwerdeentscheid vom 8. März
1978 stellte der Bezirksrat Pfäffikon ausdrücklich fest, die Rente von
K. betrage Fr. 1'400.-- pro Quartal.

    Mit Beschluss vom 20. April 1979 stellte der Stiftungsrat die
Rentenzahlung an K. mit Wirkung ab 1. Mai 1979 ein. Eine gegen diesen
Beschluss gerichtete Aufsichtsbeschwerde wies der Bezirksrat Pfäffikon
am 25. September 1979 ab. Hiegegen rekurrierte K. an den Regierungsrat
des Kantons Zürich; ihr Rekurs wurde jedoch mit Beschluss vom 19. März
1980 abgewiesen.

    Mit Urteil vom 23. Oktober 1980 hiess das Bundesgericht eine von K.
eingereichte Verwaltungsgerichtsbeschwerde gut und hob die Beschlüsse des
Regierungsrats, des Bezirksrats und des Stiftungsrats auf. Es verpflichtete
die Personalvorsorgestiftung der Sondyna AG, der Beschwerdeführerin
rückwirkend ab 1. Mai 1979 und bis auf weiteres eine Rente von Fr. 1'400.--
pro Quartal auszurichten. Die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens
wurden der Personalvorsorgestiftung auferlegt, welche ausserdem verurteilt
wurde, die Beschwerdeführerin für Umtriebe im bundesgerichtlichen
Verfahren mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen. Endlich wurde die Sache
zu neuen Entscheid über die Kosten des kantonalen Verfahrens an den
Regierungsrat des Kantons Zürich zurückgewiesen.

    Im Rückweisungsverfahren beantragte K., die Kosten der Verfahren vor
Regierungsrat und Bezirksrat der Personalvorsorgestiftung aufzuerlegen
und letztere zu einer Parteientschädigung von Fr. 12750.50 zu verpflichten.

    Mit Beschluss vom 29. April 1981 auferlegte der Regierungsrat der
Personalvorsorgestiftung sämtliche Kosten der Beschlüsse des Bezirksrats
vom 25. September 1979 und des Regierungsrats vom 19. März 1980. Dagegen
wies er das Begehren um Zusprechung einer Parteientschädigung von
Fr. 12'750.50 ab.

    K. führt gegen den Beschluss des Regierungsrats staatsrechtliche
Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV. Sie stellt folgende Anträge:

    "1. Es sei Ziffer II des angefochtenen Beschlusses aufzuheben und die

    Sache an den Regierungsrat des Kantons Zürich zurückzuweisen mit der

    Auflage, die Beschwerdegegnerin 1 zur Zahlung einer
Prozessentschädigung
   von Fr. 12'750.50 an die Beschwerdeführerin zu verpflichten;

    2. eventualiter sei der Beschwerdegegner 2 zu verpflichten, der

    Beschwerdeführerin eine Prozessentschädigung von Fr. 12'750.50 zu
   bezahlen."

    Die Direktion des Innern des Kantons Zürich stellt namens
des Regierungsrats den Antrag auf Abweisung der Beschwerde. Die
Personalvorsorgestiftung der Sondyna AG beantragt ebenfalls Abweisung
der Beschwerde; eventuell erklärt sie sich bereit, eine reduzierte
Prozessentschädigung von Fr. 2'000.-- zu bezahlen.

    Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und hebt den angefochtenen
Beschluss auf.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Gemäss § 17 des zürcherischen Verwaltungsrechtspflegegesetzes
(VRG) werden im Verfahren vor den Verwaltungsbehörden keine
Parteientschädigungen zugesprochen. Im Rekursverfahren und im Verfahren
vor dem Verwaltungsgericht kann indessen die unterliegende Partei oder
Amtsstelle zu einer angemessenen Entschädigung für die Umtriebe des Gegners
verpflichtet werden, wenn ihre Rechtsbegehren oder die angefochtene
Anordnung offensichtlich unbegründet waren. Der Regierungsrat legt
diese Bestimmung in dem Sinne aus, dass in der Regel eine Entschädigung
nicht zugesprochen werde, sondern nur in besonders gelagerten Fällen,
wobei der entscheidenden Instanz ein weites Ermessen zukomme. Der
Ausdruck "offensichtlich unbegründet" sei so zu verstehen, dass eine
Partei für leichtfertig veranlasste Verfahren und eine Amtsstelle für
leichtfertig getroffene Entscheide die daraus der Gegenpartei entstandenen
Umtriebskosten tragen solle. Es könne somit keine Rede davon sein, dass
jeder Entscheid einer Amtsstelle, der einer Überprüfung nicht standhalte,
der siegreichen Partei geradewegs einen Anspruch auf Zusprechung einer
Umtriebsentschädigung verschaffen würde. Nach ständiger Praxis des
Regierungsrats müsse vielmehr eine besondere Willkür, Fahrlässigkeit
oder Leichtfertigkeit vorausgesetzt werden. Offensichtlich unhaltbar
sei ein Entscheid nur dann, wenn er sich als falsch erweise, ohne
dass es in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht einer eingehenden
Prüfung bedürfe. Das Bundesgericht habe jedoch eine eingehende Prüfung
vorgenommen und nicht etwa festgestellt, eine solche erübrige sich,
weil sich der angefochtene Entscheid von vornherein als offensichtlich
falsch erweise. Schliesslich hätten der Bezirksrat und der Regierungsrat
ihre Entscheide nach sorgfältiger Prüfung und nicht leichthin oder gar
leichtfertig gefällt. Unter diesen Umständen könne der Beschwerdeführerin
keine Entschädigung zugesprochen werden.

Erwägung 3

    3.- Es ist zweifellos richtig, dass der entscheidenden Behörde bei der
Zusprechung einer Parteientschädigung nach der Kannvorschrift des § 17 VRG
ein weiter Ermessensspielraum zusteht. Das heisst aber nicht, dass sie
in dieser Frage völlig frei wäre. Sie hat vielmehr nach pflichtgemässem
Ermessen zu entscheiden. Bei der Betätigung ihres Ermessens ist sie
insbesondere an die sich aus Sinn und Zweck der gesetzlichen Ordnung
ergebenden Kriterien gebunden (BGE 104 Ia 212 E. g, 99 Ia 41, 99 Ib
136 E. 5, 98 Ia 463/464 E. 3). Diesen Grundsatz hat der Regierungsrat
missachtet, indem er die Entschädigungspflicht auf Fälle "besonderer"
Willkür, Fahrlässigkeit oder Leichtfertigkeit beschränkte. Eine solche
Beschränkung ist weder mit dem Wortlaut noch mit dem Sinn von § 17 VRG
vereinbar. Der angefochtene Entscheid geht somit bei der Beurteilung der
Entschädigungsfrage klarerweise von einer dem Gesetz fremden Voraussetzung
aus.

Erwägung 4

    4.- Dass der Entscheid offensichtlich unbegründet war, durfte der
Regierungsrat sodann nicht mit der Begründung verneinen, das Bundesgericht
habe eine eingehende Prüfung vorgenommen und nicht etwa festgestellt,
eine solche erübrige sich zum vornherein. Die entscheidende Erwägung 3
des bundesgerichtlichen Urteils, in welcher dargelegt wurde, dass die
Einstellung der Rentenzahlung sowohl gegen die Stiftungsurkunde wie gegen
das Stiftungsreglement verstiess und deshalb von den Aufsichtsbehörden
nicht hätte hingenommen werden dürfen, gelangte zu einem völlig eindeutigen
Ergebnis. Nur der Vollständigkeit halber befasste sich das Bundesgericht
in Erwägung 4 mit den vom Stiftungs-, Bezirks- und Regierungsrat zur
Rechtfertigung der Rentenaufhebung angeführten Begründungen, die es als
"offensichtlich unhaltbar und insofern als willkürlich" bezeichnete,
so dass der angefochtene Entscheid auch aus diesem Grund aufzuheben
wäre. Wenn das Bundesgericht derart mit zwei voneinander unabhängigen
Begründungen zur Gutheissung der Beschwerde gelangte, so kann daraus
selbstverständlich nicht abgeleitet werden, der angefochtene Entscheid
sei nicht offensichtlich unbegründet gewesen. Das Gegenteil ist der Fall.

Erwägung 5

    5.- Unter diesen Umständen hätte der Regierungsrat prüfen müssen,
ob ein besonders gelagerter Fall vorliege, der die Zusprechung einer
Parteientschädigung rechtfertige (KÖLZ, N. 2 zu § 17 VRG; dieser Autor
steht der restriktiven Praxis der Zürcher Verwaltungsbehörden in der
Frage der Parteientschädigung übrigens kritisch gegenüber, vgl. N. 9 zu §
17 VRG). Diese Frage ist klarerweise zu bejahen. Die im 73. Altersjahr
stehende Beschwerdeführerin hatte die ihr zustehende Rente von rund
Fr. 466.-- pro Monat, die ihr vom Stiftungsrat mit haltlosen Argumenten
entzogen worden war, durch mehrere Instanzen mühsam zu erkämpfen, wobei sie
auf den Beistand eines Anwalts angewiesen war. Es wäre überaus stossend,
wenn sie diese Rente nun während mehr als zwei Jahren für die Bezahlung der
Anwaltskosten verwenden müsste, so dass sie im Ergebnis um den erstrittenen
Prozessgewinn geprellt würde. Dazu kommt, dass die Beschwerdegegnerin im
kantonalen Verfahren ihre eigenen finanziellen Interessen wahrnahm und
sich die Parteien im Grunde genommen nicht anders gegenüberstanden als
die Parteien eines Zivilprozesses. Bei dieser Sachlage drängte sich die
Zusprechung einer Parteientschädigung für das Rekursverfahren zulasten der
Beschwerdegegnerin auf. Indem der Regierungsrat eine solche verweigerte,
verfiel er in Willkür.