Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 107 IA 182



107 Ia 182

36. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 28.
August 1981 i.S. Fiklocki gegen Regierungsrat und Obergericht (als
Verwaltungsgericht) des Kantons Schaffhausen Regeste

    Art. 88 OG; Nichtwiederwahl eines Beamten.

    1. Unter welchen Voraussetzungen greift die Nichtwiederwahl in die
rechtlich geschützten Interessen des Beamten ein (E. 2)?

    2. Dem Beamten steht der Anspruch auf rechtliches Gehör gestützt auf
Art. 4 BV nur zu, wenn er durch den Ausgang des Nichtwiederwahlverfahrens
in seinen rechtlich geschützten Interessen betroffen wird. Ist dies nicht
der Fall, kann er die Verweigerung des rechtlichen Gehörs nur rügen,
soweit ihm die kantonalen Vorschriften Rechte im Nichtwiederwahlverfahren
einräumen (E. 3).

Sachverhalt

    A.- Stefan Fiklocki wurde 1965 vom Regierungsrat des Kantons
Schaffhausen zum Hauptlehrer für Physik an der Kantonsschule Schaffhausen
gewählt. Er wurde im Jahre 1972 für die Amtsdauer 1973 bis 1980
wiedergewählt.

    Am 5. Juni 1980 eröffnete ihm der Erziehungsdirektor mündlich,
der Regierungsrat beabsichtige, von der Wiederwahl für die Amtszeit
1981 bis 1988 abzusehen. Mit Schreiben vom 13. Juni 1980 bestätigte
der Erziehungsdirektor, der Regierungsrat werde angesichts der sich
häufenden Klagen auf eine Wiederwahl verzichten. Fiklocki wurde eine
nicht weiter erstreckbare Frist bis 20. Juni 1980 angesetzt, um dazu
schriftlich Stellung zu nehmen. Am 20. Juni 1980 stellte Fiklocki
ein Fristerstreckungsgesuch, worin er ausführte, er habe den Brief
des Erziehungsdirektors erst am 16. Juni 1980 erhalten. Er verlangte
Fristerstreckung bis anfangs der folgenden Woche. Sein Rechtsanwalt werde
dem Regierungsrat eine Stellungnahme zuleiten. Der Erziehungsdirektor
wies das Gesuch am gleichen Tag ab.

    Der Regierungsrat des Kantons Schaffhausen beschloss am 24. Juni 1980,
Fiklocki nicht wiederzuwählen. Er stellte fest, das Anstellungsverhältnis
ende am 31. Dezember 1980. Allerdings könne im Interesse der Schule der
Lehrauftrag bis Ende Schuljahr 1980/81 verlängert werden.

    Das Obergericht des Kantons Schaffhausen (als Verwaltungsgericht)
wies die von Fiklocki dagegen erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit
Urteil vom 19. September 1980 ab.

    Fiklocki führt staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag, den
Entscheid der Nichtwiederwahl aufzuheben. Er rügt eine Verweigerung
des rechtlichen Gehörs im regierungsrätlichen Verfahren, weil das
Fristerstreckungsgesuch abgewiesen und kein Protokoll der Unterredung
vom 5. Juni 1980 erstellt worden war. In materieller Hinsicht macht der
Beschwerdeführer geltend, die angeführten Gründe für die Nichtwiederwahl
seien willkürlich ausgewählt worden und stellten Bagatelltatbestände
dar, welche teilweise weit zurücklägen. Das Bundesgericht tritt auf die
staatsrechtliche Beschwerde Fiklockis nicht ein.

Auszug aus den Erwägungen:

                          Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Gemäss Art. 88 OG kommt das Recht zur Beschwerdeführung
Bürgern und Korporationen bezüglich solcher Rechtsverletzungen
zu, die sie durch allgemein verbindliche oder sie persönlich
treffende Erlasse oder Verfügungen erlitten haben. Im Gegensatz zur
Regelung der Legitimationsvoraussetzungen im verwaltungsgerichtlichen
Beschwerdeverfahren (Art. 103 OG) steht dem Einzelnen die staatsrechtliche
Beschwerde lediglich zur Geltendmachung seiner rechtlich geschützten
Interessen zu. Zur Verfolgung bloss tatsächlicher Interessen wie auch
zur Wahrung allgemeiner öffentlicher Interessen ist die staatsrechtliche
Beschwerde nicht gegeben (BGE 105 Ia 272/3 mit Hinweisen).

Erwägung 2

    2.- Der Beschwerdeführer rügt, er sei willkürlich nicht wiedergewählt
worden.

    a) Gewährt das kantonale Recht dem Beamten keinen Anspruch auf
Wiederwahl, ist die Wahlbehörde grundsätzlich frei, das Dienstverhältnis
nach Ablauf der Amtsdauer zu erneuern. Verzichtet sie auf die
Fortführung des Dienstverhältnisses, greift diese Massnahme nicht in
die rechtlich geschützten Interessen des Beamten im Sinne von Art. 88 OG
ein. Daran ändert nichts, dass die zuständige Behörde an das allgemeine
Willkürverbot, das für die gesamte staatliche Verwaltungstätigkeit
gilt, gebunden ist. Die Legitimation zur Willkürbeschwerde besteht erst
dann, wenn die Rechtsstellung des Beamten durch die Nichtwiederwahl
betroffen wird. Aus Art. 4 BV folgt kein selbständiger Anspruch auf
willkürfreies staatliches Handeln. Der Beamte ist somit zur Führung der
staatsrechtlichen Beschwerde wegen Willkür befugt, wenn das massgebende
kantonale Recht ihm einen Anspruch auf Wiederwahl gewährt (BGE 105 Ia
275). Denkbar ist, dass dieser Anspruch auch aufgrund von Gewohnheitsrecht
besteht (vgl. zur Entstehung von Gewohnheitsrecht auch BGE 105 Ia 84
mit Hinweisen). An der Rechtsprechung des Bundesgerichts zur Frage der
materiellen Beschwerdelegitimation ist trotz der in der Literatur teilweise
erhobenen Kritik (vgl. KNAPP, Précis de droit administratif S. 414 f)
grundsätzlich festzuhalten.

    b) Vorliegend weist der Beschwerdeführer nicht nach, dass das
geschriebene oder ungeschriebene kantonale Recht ihm einen Anspruch
auf Fortführung des Dienstverhältnisses nach Ablauf der Amtsperiode
einräumt. Tatsächlich enthält das Schaffhauser Recht keine gesetzliche
Grundlage, auf welche dieser Anspruch gestützt werden könnte. Aus der
Parteistellung des Beschwerdeführers im kantonalen Rechtsmittelverfahren
folgt nichts anderes, denn die Legitimation im staatsrechtlichen
Beschwerdeverfahren beurteilt sich ausschliesslich nach Art. 88 OG (BGE
104 Ia 159 E. 2 b mit Hinweisen). Auf die Rüge des Beschwerdeführers, die
Nichtwiederwahlgründe verletzten Art. 4 BV, kann daher nicht eingetreten
werden.

    c) Im übrigen beruft sich der Beschwerdeführer nicht auf die Verletzung
eines besonderen Freiheitsrechtes. Es kann demnach offen bleiben, ob ein
Beamter zur Einreichung der staatsrechtlichen Beschwerde legitimiert ist,
wenn er aufgrund eines Verhaltens nicht wiedergewählt wird, das seinerseits
unter dem Schutz eines besonderen verfassungsmässigen Rechtes wie z.B. der
Meinungsäusserungsfreiheit, der Glaubens- und Gewissensfreiheit, der
Vereinsfreiheit, des Diskriminierungsverbotes (Art. 14 EMRK) oder der
Garantie der persönlichen Freiheit, steht (vgl. auch J.P. MÜLLER, Die
staatsrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts 1979, ZBJV 117/1981,
S. 245).

Erwägung 3

    3.- Der Beschwerdeführer rügt im Zusammenhang mit dem Verfahren vor
dem Regierungsrat einzig die seiner Auffassung nach willkürliche Ablehnung
des Fristerstreckungsgesuches. Sinngemäss macht er damit eine Verweigerung
des rechtlichen Gehörs geltend.

    a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts kann der an einem
kantonalen Verfahren Beteiligte in jedem Fall die Verletzung jener
Parteirechte rügen, die ihm nach dem kantonalen Verfahrensrecht
oder unmittelbar aufgrund von Art. 4 BV zustehen (BGE 105 Ia 276
mit Hinweisen). Es bleibt daher zu prüfen, ob das kantonale oder
das Bundesverfassungsrecht dem Beschwerdeführer das rechtliche Gehör
garantiert.

    b) Der Beschwerdeführer weist keine Bestimmungen des kantonalen Rechts
nach, gemäss welchen der Beamte im Nichtwiederwahlverfahren anzuhören
ist. Es fragt sich daher, ob der Beschwerdeführer sich auf Art. 4 BV
berufen kann.

    c) Die Rechtsprechung des Bundesgerichts stellt bei der Umschreibung
des aus Art. 4 BV abgeleiteten Gehörsanspruchs auf die konkrete
Interessenlage der Beteiligten ab. Die Funktion des Gehörsanspruchs
lässt sich wie folgt umschreiben: Einerseits dient das rechtliche Gehör
der Sachaufklärung, andererseits stellt es ein persönlichkeitsbezogenes
Mitwirkungsrecht beim Erlass von Verfügungen dar, die in die Rechtsstellung
des Einzelnen eingreifen (BGE 105 Ia 197 mit Hinweis). Der Anspruch
auf rechtliches Gehör gilt nicht um seiner selbst Willen, sondern ist
mit der Berechtigung in der Sache eng verbunden. Von Verfassungs wegen
besteht der Gehörsanspruch erst dann, wenn die Gefahr besteht, dass der
Einzelne durch den Erlass einer Verfügung in seinen rechtlich geschützten
Interessen verletzt wird (vgl. BGE 105 Ia 195 ff., 87 I 155; REINHARDT,
Das rechtliche Gehör in Verwaltungssachen, Diss. Zürich 1968, S. 69/70;
TINNER, Das rechtliche Gehör, ZSR 83 II S. 331). Soweit aus BGE 105 Ia
276 E. d abgeleitet werden könnte, ein Anspruch auf rechtliches Gehör
stehe einem Verfahrensbeteiligten unmittelbar aufgrund von Art. 4 BV
schon dann zu, wenn er am Ausgang des Verfahrens tatsächlich interessiert
sei, kann daran nicht festgehalten werden. Ein kantonaler Beamter, der
nach Art. 88 OG nicht befugt ist, mit staatsrechtlicher Beschwerde die
Verfügung über seine Nichtwiederwahl in der Sache selbst anzufechten,
kann daher eine Verweigerung des rechtlichen Gehörs nur rügen, soweit
ihm kantonale Vorschriften Rechte im Nichtwiederwahlverfahren einräumen.

    d) Wie unter Ziff. 2 ausgeführt, hat der Beschwerdeführer im
vorliegenden Fall keinen Anspruch auf Wiederwahl. Durch die angefochtene
Massnahme wird er in seinen rechtlich geschützten Interessen nicht
verletzt. Aufgrund von Art. 4 BV lässt sich daher kein Anspruch auf
vorgängige Anhörung ableiten. Auf die in Bezug auf das regierungsrätliche
Verfahren vorgebrachte Rüge kann mithin nicht eingetreten werden.