Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 106 V 74



106 V 74

16. Urteil vom 6. August 1980 i.S. S. gegen Ausgleichskasse des Kantons
Zürich und AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich Regeste

    Art. 25 Abs. 1 AHVV. Keine Grundlagenänderung, wenn nach Wegfall einer
von mehreren selbständigen Erwerbsquellen sich das Gesamt-Erwerbseinkommen
nicht vermindert.

Sachverhalt

    A.- Hans S. ist seit Jahren hälftiger Teilhaber der einfachen
Gesellschaft X., die nach eigenen Angaben den Erwerb und die Überbauung
von Grundstücken bezweckt. Zudem führte er ein Blumengeschäft, das er
aus gesundheitlichen Gründen Ende 1970 aufgab. Die Ausgleichskasse
des Kantons Zürich nahm wegen der Aufgabe des Blumengeschäftes eine
Änderung der Einkommensgrundlagen an und setzte die persönlichen
Sozialversicherungsbeiträge ab 1971 im ausserordentlichen Verfahren
fest. Während die kantonale Wehrsteuerverwaltung in der Meldung vom
Dezember 1973 für 1969 und 1970 Gesamteinkommen (aus dem Blumen-
und dem Liegenschaftsgeschäft) von Fr. 58'215.-- bzw. Fr. 69'632.--
angegeben hatte, meldete sie am 25. Januar 1976 für 1971 ein Einkommen
von Fr. 111'917.-- und für 1972 ein solches von Fr. 895'982.--,
wobei in letzterem ein Gewinn aus dem Verkauf zweier Liegenschaften in
Höhe von Fr. 781'605.-- enthalten war. Am 26. April 1976 erliess die
Ausgleichskasse drei Beitragsverfügungen für 1971 bis 1975, denen sie -
vor Abzug der Eigenkapitalverzinsung, aber nach Aufrechnung der jeweiligen
Sozialversicherungsbeiträge - folgende Erwerbseinkommen zugrunde legte:

    1971                                          Fr. 115'909.--

    1972                                          Fr. 899'884.--

    1973                                          Fr. 507'896.--

    1974/75 je                                    Fr. 529'104.--

    B.- Hans S. liess hiegegen Beschwerde erheben, wobei er beanstandete,
dass der 1972 erzielte ausserordentliche Liegenschaftsgewinn während nicht
weniger als vier Jahren bei der Beitragsberechnung berücksichtigt werde.

    Mit Entscheid vom 9. September 1977 wies die AHV-Rekurskommission
des Kantons Zürich die Beschwerde ab. Zur Begründung führte sie
im wesentlichen aus, die Aufgabe des Blumengeschäftes stelle eine
Änderung der Einkommensgrundlagen dar, welche die Höhe des Einkommens
wesentlich beeinflusse; die Beiträge seien deshalb von 1971 an zu Recht
im ausserordentlichen Verfahren festgesetzt worden.

    C.- Mit der vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde verlangt Hans
S., dass auch nach dem 1. Januar 1971 das ordentliche Verfahren angewendet
werde. Er sei schon vor und auch nach dem genannten Zeitpunkt immer als
Selbständigerwerbender tätig gewesen; eine Grundlagenänderung habe mithin
nicht stattgefunden.

    Die Ausgleichskasse beantragt die Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Bundesamt für Sozialversicherung
auf deren Gutheissung schliesst.

Auszug aus den Erwägungen:

       Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Im vorliegenden Fall ist allein streitig, ob die Beiträge ab
1971 im ausserordentlichen oder im ordentlichen Verfahren festzusetzen
sind. Die Vorinstanz stellt in ihrem Entscheid die einschlägigen
Verordnungsbestimmungen (insbesondere Art. 25 Abs. 1 und 2 AHVV in der
hier massgeblichen, bis Ende 1978 gültig gewesenen Fassung) sowie die
Unterschiede der beiden Verfahren zutreffend dar...

Erwägung 2

    2.- Der Beschwerdeführer besass ursprünglich als Selbständigerwerbender
zwei verschiedene Erwerbsquellen, nämlich das Blumengeschäft und die
Teilhaberschaft an der einfachen Gesellschaft X. Ende 1970 trat insofern
eine Veränderung ein, als mit der Aufgabe des Blumengeschäftes die eine
der beiden Erwerbsquellen wegfiel. Ausgleichskasse und Vorinstanz nahmen
deswegen eine Änderung der Einkommensgrundlagen im Sinne des Art. 25
Abs. 1 AHVV an und legten der Beitragsberechnung für 1971 das von der
Wehrsteuerverwaltung gemeldete Gegenwartseinkommen von Fr. 111'917.-- bzw.
von Fr. 115909.-- (nach Aufrechnung der Sozialversicherungsbeiträge für
1971) zugrunde, während im Falle der Beitragsfestsetzung im ordentlichen
Verfahren für 1971 in gleicher Weise wie für 1970 auf das (aus den Akten
nicht ersichtliche) Durchschnittseinkommen der Jahre 1967/68 abzustellen
gewesen wäre.

    In den beiden folgenden Jahren setzten sie das 1971 begonnene
ausserordentliche Verfahren fort. Der Beitragsberechnung für 1972
legten sie ebenfalls das gemeldete Gegenwartseinkommen (Fr. 895'982.--
einschliesslich Liegenschaftsgewinn bzw. - nach Beitragsaufrechnung -
Fr. 899884.--) zugrunde, während sie beim Beitrag für 1973 (Vorjahr
der nächsten ordentlichen Beitragsperiode) vom durchschnittlichen
Erwerbseinkommen der Jahre 1971/72 von Fr. 503'949.-- bzw. - aufgerechnet
- von Fr. 507'896.-- ausgingen. Im Falle des ordentlichen Verfahrens
hätte den Beiträgen für 1972 und 1973 dagegen das durchschnittliche
Erwerbseinkommen der Jahre 1969/70 von Fr. 63'923.-- zugrunde gelegt
werden müssen.

    Für 1974/75 schliesslich stellten Kasse und Vorinstanz entsprechend
den Bestimmungen über das ordentliche Verfahren auf das durchschnittliche
Erwerbseinkommen von 1971/72 von Fr. 503'949.-- bzw. - nach Aufrechnung
der für diese beiden Jahre geschuldeten Beiträge (Fr. 3'992.--
bzw. Fr. 46'317.--) - von Fr. 529'104.-- ab.

    Nach der vorstehenden Berechnung führt die Annahme einer
Grundlagenänderung zufolge Aufgabe des Blumengeschäfts somit im Ergebnis
dazu, dass sich der im Jahre 1972 erzielte Liegenschaftsgewinn während
insgesamt vier Jahren auf die Beitragsfestsetzung auswirkt. Dies ist die
Konsequenz der Bestimmungen über das ausserordentliche Verfahren, welche
der Richter zu beachten hat; eine rechtsungleiche Behandlung kann darin
nicht erblickt werden (ZAK 1976 S. 270 Erw. 1 in fine; unveröffentlichtes
Urteil i.S. Jäger vom 8. Juli 1975).

Erwägung 3

    3.- Es fragt sich indessen, ob bei den hier gegebenen Verhältnissen
überhaupt Anlass für die Durchführung des ausserordentlichen Verfahrens
besteht.

    a) Art. 25 Abs. 1 AHVV will - abgesehen von dem hier nicht
gegebenen Fall der Neuaufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit -
den Veränderungen des Erwerbseinkommens aus selbständiger Erwerbstätigkeit
sowohl zugunsten als auch zuungunsten des Beitragspflichtigen durch eine
Zwischentaxation Rechnung tragen unter der vierfachen Voraussetzung:

    1. dass qualitativ diese Veränderung nicht allein auf
"normalen" Einkommensschwankungen, sondern auf einer Veränderung der
Einkommensgrundlage als solcher beruht (Berufs- oder Geschäftswechsel,
Wegfall oder Hinzutritt einer Einkommensquelle, Neuverteilung des Betriebs-
oder Geschäftseinkommens oder - neu ab 1. Januar 1979 - Invalidität);

    2. dass in zeitlicher Hinsicht diese qualitative Veränderung von
Dauer ist;

    3. dass quantitativ eine wesentliche Veränderung der Einkommenshöhe
vorliegt, wobei auf das - allenfalls aus verschiedenen Erwerbsquellen
stammende - Gesamteinkommen abzustellen ist, auf welchem schliesslich
die Sozialversicherungsbeiträge zu erheben sind;

    4. dass ein Kausalzusammenhang zwischen der Veränderung der
Einkommensgrundlagen und der Veränderung der Einkommenshöhe besteht
(vgl. den Wortlaut des Art. 25 Abs. 1 AHVV: "... dauernd verändert und
wurde dadurch ... beeinflusst"); Kausalität in diesem Sinne bedeutet,
dass der Wegfall bzw. der Hinzutritt einer Einkommensquelle gemäss
obiger Ziff. 1 die Einkommenshöhe gemäss Ziff. 3 negativ bzw. positiv
"beeinflusst"; ist dies nicht der Fall, indem beispielsweise die
zufolge Wegfalls einer Einkommensquelle an sich zu erwartende
Einkommensverminderung durch den reichlicheren Ertrag einer andern
Einkommensquelle ausgeglichen wird, so besteht kein Kausalzusammenhang
zwischen dem Wegfall der Einkommensquelle und dem Gesamteinkommen und
insoweit auch kein Anlass für eine Zwischentaxation.

    b) In den Jahren 1969 und 1970 erzielte der Beschwerdeführer
aus beiden Erwerbstätigkeiten ein Erwerbseinkommen von Fr. 58'215.--
bzw. Fr. 69'632.--. Nach der Aufgabe des Blumengeschäftes stieg das
Erwerbseinkommen im Jahre 1971 auf Fr. 111'917.--, und zwar offenbar allein
aufgrund eines entsprechenden Mehrertrages der einfachen Gesellschaft. Im
Sinne der vorstehenden Erwägungen besteht daher kein Kausalzusammenhang
zwischen der Aufgabe des Blumengeschäftes und der nachfolgenden Veränderung
des Gesamteinkommens, weshalb eine der Voraussetzungen des Art. 25 Abs. 1
AHVV für die Anwendung des ausserordentlichen Verfahrens im vorliegenden
Fall nicht erfüllt ist. Wie das Bundesamt für Sozialversicherung zutreffend
festhält, sind die Beiträge ab 1971 vielmehr im ordentlichen Verfahren
festzusetzen. Im weiteren ist zu bemerken, dass der 1972 erzielte
Liegenschaftsgewinn seinerseits keine Grundlagenänderung darstellt
und deshalb auch kein Anlass für die Anwendung des ausserordentlichen
Verfahrens ab 1972 besteht; dieser Gewinn ist im ordentlichen Verfahren
zu erfassen, und zwar im Rahmen der Bemessungsbasis (1971/1972) für die
Beitragsjahre 1974 und 1975. Es ist Aufgabe der Ausgleichskasse, an welche
die Sache zurückgewiesen wird, die entsprechenden Berechnungen vorzunehmen
und hernach neue Beitragsverfügungen für die fraglichen Jahre zu erlassen.

Entscheid:

        Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

    In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der Entscheid
der AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich vom 9. September 1977 und
die Verfügungen der Ausgleichskasse des Kantons Zürich vom 26. April
1976 aufgehoben und die Sache an die Ausgleichskasse zurückgewiesen,
damit sie die Beiträge im Sinne der Erwägungen neu festsetze.