Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 106 V 225



106 V 225

50. Auszug aus dem Urteil vom 3. September 1980 i.S. Schweizerische
Unfallversicherungsanstalt gegen Adorjan und Versicherungsgericht des
Kantons Bern Regeste

    Art. 61 Abs. 1 KUVG. Die im Ausland beschäftigte Person ist nicht
versichert, wenn die Tätigkeit für den versicherungspflichtigen Betrieb
unmittelbar im Ausland aufgenommen wird und eine Weiterbeschäftigung in
der Schweiz nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorauszusehen ist.

Sachverhalt

    A.- Béla Adorjan, Maschinenzeichner, schloss am 30. Januar 1978 mit
der Firma EWA-Technik (im folgenden EWA), Pratteln, einen "Rahmenvertrag"
ab, mit welchem er sich verpflichtete, als "freiberuflicher Ingenieur"
Leistungen zu erbringen, deren Details in "Einzelaufträgen" festgelegt
würden. Mit dem gleichentags abgeschlossenen "Einzelwerkvertrag" übertrug
die EWA Béla Adorjan "die Planung ihres Auftrages" bei der BWB-Engineering
in Lörrach (BRD), einer Tochtergesellschaft der Firma Balduin Weisser,
Basel.

    Béla Adorjan nahm seine Tätigkeit vereinbarungsgemäss am 2. Februar
1978 in Lörrach auf und arbeitete dort bis zum 31. März 1978; auf den
1. April 1978 nahm er eine Stelle bei der BIGLA AG in Biglen an. Nach der
Rückkehr von Lörrach an den Wohnort in Burgdorf zog er sich am Abend des
31. März 1978 bei einem Sturz verschiedene Verletzungen (unter anderem
Commotio cerebri und Humerusfraktur links) zu, die ärztlich behandelt
werden mussten und eine Arbeitsunfähigkeit nach sich zogen.

    Mit Verfügung vom 15. September 1978 lehnte die Schweizerische
Unfallversicherungsanstalt (SUVA) ihre Leistungspflicht ab mit der
Begründung, dass Béla Adorjan nie für die EWA in der Schweiz gearbeitet
habe, weshalb er auch nach Art. 61 Abs. 1 KUVG nicht versichert gewesen
sei.

    B.- Das Versicherungsgericht des Kantons Bern hiess eine hiegegen
erhobene Beschwerde gut und verpflichtete die SUVA, die gesetzlichen
Leistungen im Zusammenhang mit dem Unfall vom 31. März 1978 zu erbringen
(Entscheid vom 23. August 1979).

    C.- Mit der vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde hält die
SUVA daran fest, dass Béla Adorjan die Arbeit unmittelbar in Lörrach
aufgenommen habe, weshalb die gesetzlichen Voraussetzungen zur Anerkennung
der Versicherteneigenschaft während der Tätigkeit im Ausland nicht
erfüllt seien.

    Béla Adorjan beantragt Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- a) Versichert sind nach Art. 60 Abs. 1 KUVG nur die in der Schweiz
beschäftigten Personen. Dieser Grundsatz wird in Art. 61 Abs. 1 KUVG
insofern eingeschränkt, als die Versicherung dadurch nicht unterbrochen
wird, dass ein Versicherter auf Rechnung des versicherungspflichtigen
Betriebes vorübergehend im Ausland beschäftigt ist.

    Nach Lehre und Praxis schliesst Art. 61 Abs. 1 KUVG die Versicherung
von Arbeitnehmern aus, die zum vorneherein nur für eine Beschäftigung
im Ausland angestellt sind und die auch nur im Ausland arbeiten. Die
Versicherung wird in solchen Fällen durch die Auslandtätigkeit nicht
unterbrochen. Ein Unterbruch im Sinne der Gesetzesbestimmung liegt nur
vor, wenn der Arbeitnehmer im Zeitpunkt, in welchem er sich ins Ausland
begibt, bereits obligatorisch versichert ist (MAURER, Recht und Praxis
der Schweizerischen obligatorischen Unfallversicherung, S. 61; EVGE 1929
S. 103).

    b) Die Vorinstanz erachtet Art. 61 Abs. 1 KUVG auf den vorliegenden
Fall anwendbar, weil Béla Adorjan nicht auf unbestimmte Zeit im Ausland
tätig gewesen sei und weil nichts gegen die Annahme spreche, dass er bei
Weiterbestehen des Arbeitsverhältnisses mit der EWA auch in der Schweiz
eingesetzt worden wäre. Wohl sei die Tätigkeit in Lörrach zeitlich
begrenzt gewesen, nicht dagegen der Arbeitseinsatz für die EWA an sich,
indem der Rahmenvertrag auf unbestimmte Zeit Geltung gehabt habe. Insofern
unterscheide sich der vorliegende Fall auch von dem in EVGE 1929 S. 103
beurteilten Sachverhalt.

    Dem vorinstanzlichen Entscheid ist entgegenzuhalten, dass der
Beschwerdegegner die Tätigkeit für die EWA unmittelbar im Ausland
aufgenommen hat und dass er vor Antritt der Stelle in Lörrach nicht als
deren Arbeitnehmer obligatorisch versichert gewesen ist. Im übrigen
ergab sich eine Arbeitsverpflichtung lediglich für die Zeit, welche
die Durchführung der Planungsarbeiten bei der BWB-Engineering in Lörrach
erforderte. Darüber hinaus bestanden zwischen dem Beschwerdegegner und der
EWA keinerlei Verpflichtungen für eine weitere Zusammenarbeit. Vielmehr
hätte jeder weitere Einsatz nach den ausdrücklichen Bestimmungen des
Rahmenvertrages die Erteilung eines neuen Einzelauftrages, d.h. einen
neuen Vertragsabschluss vorausgesetzt. Dass weitere Vertragsabschlüsse
und damit auch ein allfälliger Einsatz des Beschwerdegegners in der
Schweiz nicht zum vorneherein auszuschliessen waren, lässt sich nicht
bestreiten. Es handelte sich jedoch um eine blosse Möglichkeit, die
praktisch nie aktuell wurde, indem der Beschwerdegegner die Tätigkeit
für die EWA von sich aus auf den Einsatz in Lörrach beschränkte. Damit
erweist sich der sinngemässe Schluss der Vorinstanz als unzulässig,
wonach der Beschwerdegegner für die EWA nur vorübergehend im Ausland
tätig gewesen sei. Ungeachtet des bestehenden Rahmenvertrages verhält es
sich im vorliegenden Fall nicht anders als in EVGE 1929 S. 103, wo das
Gericht aus dem Umstand, dass eine Weiterbeschäftigung in der Schweiz nur
aufgrund einer "neuen Entschliessung" in Betracht fiel, geschlossen hat,
dass es sich nicht um eine bloss vorübergehende Beschäftigung im Ausland
gehandelt habe, mit welcher eine bereits zustandegekommene Versicherung
gemäss Art. 61 Abs. 1 KUVG nicht unterbrochen worden wäre.

    Da der Beschwerdegegner die Tätigkeit für die EWA unmittelbar im
Ausland aufgenommen hat und eine Weiterbeschäftigung in der Schweiz
weder mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit vorauszusehen war noch
tatsächlich erfolgte, muss es bei der Feststellung bleiben, dass er
während der Tätigkeit in Lörrach nicht versichert gewesen ist.

Erwägung 3

    3.- Nach dem Gesagten hat die SUVA für den Unfall des Beschwerdegegners
vom 31. März 1978 keine Leistungen zu erbringen. Hieran vermögen allfällige
Prämienzahlungen nichts zu ändern. Die Zahlung nicht geschuldeter Prämien
gibt lediglich Anspruch auf eine entsprechende Rückerstattung, nicht
dagegen auf Versicherungsleistungen (EVGE 1952 S. 234, 1951 S. 72). Etwas
anderes lässt sich im vorliegenden Fall auch mit dem Grundsatz von Treu
und Glauben nicht begründen.

Entscheid:

        Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

    In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der
vorinstanzliche Entscheid aufgehoben.