Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 106 V 16



106 V 16

4. Auszug aus dem Urteil vom 23. April 1980 i.S. Ausgleichskasse des
Schweizerischen Baumeisterverbandes gegen Catalano sowie Catalano
gegen Ausgleichskasse des Schweizerischen Baumeisterverbandes und
Verwaltungsgericht des Kantons Luzern Regeste

    Art. 88bis Abs. 2 lit. a IVV. Die Revisionsbestimmung über den
Zeitpunkt der Wirkung der Rentenherabsetzung ist nicht anwendbar, wenn
die Verwaltung bei der erstmaligen Rentenzusprechung nach Massgabe der
Veränderung des Invaliditätsgrades rückwirkend vorerst eine ganze, dann
eine halbe Rente gewährt.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- a) Im Falle einer rückwirkenden Rentenfestsetzung ist es
unter Umständen notwendig, den Invaliditätsgrad für verschiedene
zurückliegende Zeitabschnitte nach Massgabe der jeweiligen Erwerbsfähigkeit
unterschiedlich hoch zu bemessen. In diesem Sinne kann es vorkommen,
dass die Invalidenversicherungs-Kommission den Invaliditätsgrad für eine
erste Zeitspanne auf 50% und mit Wirkung ab einem späteren, noch vor der
Beschlussfassung liegenden Zeitpunkt auf unter 50% festlegt oder dass
sie den zuerst auf über zwei Drittel veranschlagten Invaliditätsgrad
auf einen bestimmten Zeitpunkt hin auf 50% reduziert. Dies hat zur
Folge, dass die anfängliche halbe oder ganze Rente im Hinblick auf die
Änderung des Invaliditätsgrades rückwirkend - bezogen auf den Zeitpunkt
der Beschlussfassung durch die Invalidenversicherungs-Kommission -
aufgehoben oder herabgesetzt wird. Art. 88bis Abs. 2 IVV ist in einem
solchen Falle nicht anwendbar und das Datum der auf dem Beschluss der
Invalidenversicherungs-Kommission beruhenden Kassenverfügung hat auf den
Zeitpunkt der Aufhebung oder Herabsetzung der Rente keinen Einfluss.

    b) Im hier zu beurteilenden Fall liegen die Verhältnisse
indessen anders. In ihrem ersten Beschluss vom 28. Juni 1978 nahm die
Invalidenversicherungs-Kommission einen Invaliditätsgrad von 100% an. Knapp
zwei Monate später erliess sie am 22. August 1978 einen weiteren Beschluss,
in welchem sie den Invaliditätsgrad auf 50% herabsetzte; dabei handelte es
sich klarerweise um eine Revision, die im übrigen bereits im Beschluss vom
28. Juni 1978 vorgesehen war. Wegen der umfangreichen Abklärungen, welche
die Ausgleichskasse im Hinblick auf die Rentenberechnung vornehmen musste,
lag jedoch im Zeitpunkt des zweiten Beschlusses noch keine Kassenverfügung
über den ersten Beschluss vor. Deshalb erliess die Ausgleichskasse
am 13. September 1978 gleichzeitig mehrere Verfügungen, die beide
Beschlüsse der Invalidenversicherungs-Kommission betrafen. Hätten sich
keine zeitaufwendigen Erhebungen durch die Ausgleichskasse als notwendig
erwiesen, so wäre die Verfügung über den ersten Beschluss bereits erlassen
gewesen, als die Invalidenversicherungs-Kommission ihren zweiten Beschluss
fasste. Die Ausgleichskasse hätte in diesem Falle - nach Eingang dieses
zweiten Beschlusses (30. August 1978) - im Laufe des Monats September ihre
zweite Verfügung erlassen, welche sich dann gegenüber der ersten Verfügung
auch datummässig deutlich als Revisionsverfügung ausgewiesen hätte; dabei
wäre - entsprechend Art. 88bis Abs. 2 lit. a IVV - eine Rentenherabsetzung
erst mit Wirkung ab 1. Oktober 1978 zulässig gewesen. Weil einerseits
die Ausgleichskasse ihre Verfügungen im Vorliegenden Fall nur wegen
der besonderen Umstände im Verfahrensablauf am gleichen Tag erliess,
anderseits aber die Invalidenversicherungs-Kommission offensichtlich eine
Revision ihres früheren Beschlusses vornahm, kann Art. 88bis Abs. 2 lit. a
IVV nicht ausser acht gelassen werden.