Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 106 IV 9



106 IV 9

4. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 22. Februar
1980 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau gegen W. und
M. (Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 58 Abs. 4 StGB. Ersatzforderung des Staates.

    Die Ersatzforderung darf erst herabgesetzt werden, wenn bestimmte
Gründe zuverlässig erkennen lassen, dass die ernsthafte Gefährdung der
Resozialisierung des Täters durch Zahlungserleichterungen nicht behoben
werden kann und dass für eine erfolgreiche Wiedereingliederung die
Ermässigung der Forderung unerlässlich ist.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Wie in BGE 105 IV 24 und 104 IV 228 näher ausgeführt wurde,
schliesst die Einziehung des unrechtmässigen Vorteils nach Art. 58 Abs.
1 lit. a StGB ein gewisses Ermessen des Sachrichters ein, das ihm auch
zusteht, wenn für die nicht mehr vorhandenen Vermögenswerte gemäss Absatz
4 dem Staat Ersatz zu leisten ist. Insbesondere kann der Richter oder die
Vollzugsbehörde zur Tilgung der Ersatzforderung Zahlungserleichterungen
gewähren, wenn die gesellschaftliche Wiedereingliederung des Täters
durch die Rückzahlungspflicht schwer gefährdet wird. Bleibt trotz solcher
Erleichterungen (Zahlungsaufschub, Ratenzahlungen) die Resozialisierung
ernsthaft gefährdet, so kann die Ersatzforderung auf einen Betrag
herabgesetzt werden, der niedriger ist als der erlangte unrechtmässige
Vorteil. Von dieser Möglichkeit ist jedoch mit Zurückhaltung Gebrauch
zu machen. Blosse Bedenken, dass Zahlungserleichterungen allein nicht
ausreichen könnten, um der ernsthaften Gefährdung der Wiedereingliederung
wirksam zu begegnen, vermögen eine Herabsetzung der Ersatzforderung
nicht zu begründen. Es müssen vielmehr bestimmte Gründe vorliegen, die
zuverlässig erkennen lassen, dass die Gefährdung auch durch weitgehende
Zahlungserleichterungen nicht oder völlig ungenügend behoben werden
kann und dass zur Resozialisierung die Ermässigung der Ersatzforderung
unerlässlich und das allein erfolgversprechende Mittel ist. Fehlt es an
solchen schlüssigen Anhaltspunkten, ist im Entscheid über die Einziehung
auf eine Herabsetzung zu verzichten. Das schliesst nicht aus, dass die
Frage der Reduktion später im Vollzugsverfahren, wenn die Verhältnisse
besser beurteilt werden können, erneut geprüft und nötigenfalls im Sinne
eines weiteren Entgegenkommens entschieden wird.

    Auch wenn die Voraussetzungen der Herabsetzung gegeben sind, darf
sie nicht nach freiem Belieben vorgenommen werden. Auszugehen ist von
der festgestellten Gesamtschuld, um den Betrag zu ermitteln, mit dem der
Verurteilte nach seinen wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnissen
noch belastet werden kann, ohne dass seine Wiedereingliederung ernsthaft
gefährdet wird. Unter Vorbehalt ausserordentlicher Umstände sollte
die herabgesetzte Ersatzforderung jedenfalls den Betrag des erzielten
Nettogewinns nicht unterschreiten, denn das liefe dem Grundgedanken
des Art. 58 StGB zuwider, der verhindern will, dass der Täter aus der
strafbaren Handlung Nutzen zieht (BGE 105 IV 171).

Erwägung 3

    3.- a) Das Obergericht nimmt zur Frage, ob die Gefährdung der
Wiedereingliederung von W. sich nicht bereits durch Zahlungserleichterungen
verhindern lasse, nicht Stellung. Auch begründet es die Notwendigkeit
einer Herabsetzung der Ersatzforderung einzig mit der Vermögenslosigkeit
und den angeblich geringen Ersparnismöglichkeiten des Verurteilten. Davon
ausgehend, dass er bei einem Monatsverdienst von Fr. 3'000.-- und einer
allfälligen Verheiratung jährlich nur Fr. 1'000.-- ersparen könne und dass
ihm Abzahlungen in dieser Höhe lediglich während einer überblickbaren
Zeitspanne von zehn Jahren zumutbar sein, gelangt die Vorinstanz dazu,
den Rückforderungsbetrag auf Fr. 10'000.-- festzusetzen.

    Mit diesem Entscheid wird der Rahmen des zulässigen Ermessens
überschritten. Der Betrag von Fr. 10'000.-- steht in keinem
angemessenen Verhältnis zur Gesamtforderung von Fr. 88'450.-- und trägt
weder dem repressiven Charakter der Einziehung noch der finanziellen
Leistungsfähigkeit des W. genügend Rechnung. Es ist auch kein sachlicher
Grund ersichtlich, der eine Beschränkung der Zahlungspflicht auf zehn
Jahre rechtfertigen könnte. Die Beschwerde ist daher gutzuheissen und
das Urteil im angefochtenen Punkt aufzuheben. Die Vorinstanz wird unter
der Voraussetzung, dass sie nach erneuter Prüfung eine Herabsetzung
für notwendig hält, angewiesen, die Ersatzforderung gegen W. angemessen
zu erhöhen.

    b) Im Falle M. äussert die Vorinstanz selber Bedenken, ob eine
Herabsetzung der Ersatzforderung einen Sinn habe, weil der Verurteilte
nach der Verbüssung der Hauptstrafe die Schweiz verlassen und während der
fünfjährigen Landesverweisung sicher keine Zahlung leisten werde. Dazu
kommt, dass seine spätere Rückkehr in die Schweiz noch ungewiss ist und
seine dannzumaligen Verhältnisse sich noch gar nicht abschätzen lassen. Bei
dieser ungeklärten Sachlage besteht kein Anlass, die Ersatzforderung schon
im jetzigen Zeitpunkt herabzusetzen und zum voraus auf einen bestimmten
Betrag festzulegen. Die dem Verurteilten zugestandene Ermässigung ist
somit aufzuheben.