Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 106 IV 7



106 IV 7

3. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 26. Februar 1980 i.S. T.
gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste

    Art. 41 Ziff. 3 Abs. 3 StGB.

    Begeht der in der Schweiz bedingt Bestrafte im Ausland eine strafbare
Handlung, so ist entsprechend der in Art. 41 Ziff. 3 Abs. 3 2. Satz
enthaltenen Grundregel zur Anordnung des Vollzugs der aufgeschobenen
Strafe jener Richter zuständig, der den bedingten Strafvollzug seinerzeit
gewährt hat. Art. 41 Ziff. 3 Abs. 3 1. Satz findet nur Anwendung, wenn die
Beurteilung des während der Probezeit verübten Verbrechens oder Vergehens
in die Zuständigkeit eines (bürgerlichen) Schweizer Richters fällt.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- In der Nichtigkeitsbeschwerde wird die Zuständigkeit des
ursprünglichen Schweizer Richters (Verhöramt Schaffhausen) zum Widerruf
des von ihm seinerzeit gewährten bedingten Strafvollzugs bestritten. Der
Beschwerdeführer beruft sich auf Art. 41 Ziff. 3 Abs. 3 StGB, der in seiner
revidierten Fassung gemäss BG vom 18. März 1971 folgenden Wortlaut hat:

    "Bei Verbrechen oder Vergehen während der Probezeit entscheidet der
   dafür zuständige Richter auch über den Vollzug der bedingt
   aufgeschobenen

    Strafe oder deren Ersatz durch die vorgesehenen Massnahmen. In
den übrigen

    Fällen ist der Richter zuständig, der den bedingten Strafvollzug
angeordnet
   hat."

    Ohne dass es hiefür einer einlässlichen Untersuchung der
Entstehungsgeschichte bedürfte, ist festzustellen, dass der Gesetzgeber
mit dem ersten Satz von Art. 41 Ziff. 3 Abs. 3 StGB die vorher geltende
Ordnung, nach welcher die Widerrufsfrage stets vom ursprünglichen Richter
zu beurteilen war, lediglich insofern abändern wollte, als bei Verbrechen
oder Vergehen während der Probezeit der das neue Delikt beurteilende
Richter auch über den Widerruf befinden soll. Diese Ausnahme von der alten
und im Grundsatz weiterhin geltenden Regel der Widerrufszuständigkeit des
ursprünglichen Richters kann sich sinngemäss - trotz der Absolutheit des
Wortlautes - nur auf jene Fälle beziehen, in denen auch das neue Delikt in
die Zuständigkeit eines (bürgerlichen) Schweizer Richters fällt (vgl. BGE
98 Ia 223). Die Widerrufszuständigkeit eines ausländischen Zweit-Richters
konnte und wollte der schweizerische Gesetzgeber nicht statuieren; die
besondere Lage, die entsteht, wenn der in der Schweiz bedingt Bestrafte
während der Probezeit im Ausland delinquiert, wurde durch die Neufassung
von Art. 41 Ziff. 3 Abs. 3 StGB nicht ausdrücklich geregelt. Nach dem Sinn
und Zweck der ganzen Ordnung kann aber kein Zweifel darüber bestehen,
dass auch ein im Ausland begangenes Verbrechen oder Vergehen Anlass zum
Widerruf des in der Schweiz gewährten bedingten Strafvollzugs bildet und
dass die Widerrufsfrage in diesem Fall - entgegen dem auf Inlandtaten
zugeschnittenen ersten Satz von Art. 41 Ziff. 3 Abs. 3 StGB - gemäss
der Grundregel des zweiten Satzes von jenem schweizerischen Richter
zu beurteilen ist, der den bedingten Strafvollzug seinerzeit gewährt
hat. Eine andere sinnvolle Lösung ist gar nicht denkbar; auch in der
Nichtigkeitsbeschwerde werden - ausser dem Hinweis auf den zu engen,
die Auslandtat ausser acht lassenden Gesetzeswortlaut - keine Argumente
vorgebracht, welche dagegen sprächen, dass auch in diesem Fall eben
jener Richter über den Widerruf entscheidet, der für alle übrigen -
d.h. nicht durch Art. 41 Ziff. 3 Abs. 3 1. Satz StGB von seiner Kompetenz
ausgenommenen - Fälle der Nichtbewährung zuständig ist. Dass die vom
Gesetzgeber bei Inlandtaten aus praktischen Erwägungen vorgenommene
Kompetenzkonzentration beim neuen Richter im Falle von Auslandtaten nicht
stattfinden kann, hat keine Benachteiligung des Auslandtäters zur Folge.

    Die von der Vorinstanz vertretene Auslegung von Art. 41 Ziff. 3
Abs. 3 StGB entspricht somit der ratio legis und verstösst nicht gegen
Bundesrecht.