Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 106 IV 396



106 IV 396

96. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 20. November 1980 i.S.
Staatsanwaltschaft Nidwalden gegen W. (Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 91 Abs. 3 SVG.

    Die Blutprobe kann nicht fahrlässig vereitelt werden.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Gemäss Art. 91 Abs. 3 SVG ist strafbar, wer sich vorsätzlich einer
amtlich angeordneten Blutprobe widersetzt oder entzieht oder den Zweck
dieser Massnahme vereitelt. Nach der Rechtsprechung des Kassationshofes
bezieht sich Art. 91 Abs. 3 SVG nicht nur auf Fälle, in denen eine
Blutprobe amtlich angeordnet worden ist, sondern es genügt, dass der Täter
nach den Umständen des Falles mit einer Blutprobe rechnete oder rechnen
musste (BGE 102 IV 41, 101 IV 332, 100 IV 262). Auch der Nüchterne muss
je nach den Umständen damit rechnen, dass ihm eine Blutprobe entnommen
wird, sei es auch nur zur Ausschaltung eines Verdachtes auf Trunkenheit
(BGE 105 IV 64).

Erwägung 3

    3.- Das Kantonsgericht hielt sich bei der Beurteilung des vorliegenden
Falles an diese ständige Praxis. Es verneinte die Strafbarkeit der
Beschwerdegegnerin gemäss Art. 91 Abs. 3 SVG mit der Begründung, sie habe
nach den Umständen nicht damit rechnen müssen, dass ihr eine Blutprobe
entnommen werde. Die Verursachung eines relativ kleinen Sachschadens durch
Unaufmerksamkeit ziehe normalerweise nicht eine Blutprobe nach sich, auch
wenn die Kollision morgens gegen 5 Uhr erfolge; besondere Gründe für einen
die genauere Abklärung nahelegenden Verdacht der Angetrunkenheit seien
nicht nachgewiesen. Die Beschwerdegegnerin sei zwar während Stunden an
der Luzerner Strassenfastnacht gewesen, ohne indessen, mit Ausnahme eines
Rums vor Mitternacht, alkoholische Getränke zu sich genommen zu haben;
etwas anderes habe die Untersuchung nicht ergeben.

Erwägung 4

    4.- a) Die Beschwerdeführerin behauptet selbst nicht, dass die
Tatumstände den Schluss zuliessen, die Beschwerdegegnerin habe eine
Blutprobe vorsätzlich oder eventualvorsätzlich vereitelt. Sie sagt
lediglich, die Möglichkeit einer Blutprobe sei voraussehbar gewesen,
weil die Beschwerdegegnerin "kostümiert und übernächtigt" gewesen
sei. Der Tatbestand des Art. 91 Abs. 3 SVG könne auch fahrlässig erfüllt
werden. Sinngemäss führt die Staatsanwaltschaft dazu aus, der Verursacher
eines Sachschadens sei verpflichtet, sich zu überlegen, ob die Polizei
nicht auf den Gedanken kommen könnte, eine Blutprobe anzuordnen.

    b) Diese Argumentation geht schon im Ansatz fehl, weil der Gesetzgeber
in Art. 91 Abs. 3 SVG die Strafbarkeit auf die vorsätzliche Begehungsform
beschränkt hat. Die Praxis ist bestrebt, durch eine verhältnismässig
weite Umschreibung der eventualvorsätzlichen Begehung (s. oben E. 2)
alle Varianten strafwürdiger Verhinderung der Blutprobe zu erfassen. Das
kann aber selbstverständlich nicht dazu führen, dass entgegen dem klaren
Wortlaut auch ein Verhalten geahndet werden dürfte, das im Hinblick auf die
mögliche Blutprobe höchstens als Fahrlässigkeit qualifiziert werden könnte.

    Mit der Wendung, strafbar mache sich auch, wer mit einer Blutprobe
rechnen musste, soll und darf nicht blosse Fahrlässigkeit erfasst
werden, sondern es geht um jene Fälle, in denen nach den Umständen kein
ernstlicher Zweifel bestehen kann, dass die Polizei eine Blutprobe anordnet
(z.B. schwerer Unfall, offensichtliche Zeichen der Angetrunkenheit). In
solchen Fällen sind Entziehungs- und Vereitelungsmanöver auch strafbar,
wenn dem Täter keine Äusserung nachgewiesen werden kann, die ausdrücklich
belegen würde, dass er an das Risiko einer Blutprobe dachte. Eine
extensivere Auslegung des Tatbestandes verbietet sich.

    c) Indem die Vorinstanz annahm, im vorliegenden Fall seien - trotz
Fastnachtskostüm und später Heimkehr - die Umstände nicht so gewesen,
dass die Beschwerdegegnerin auf jeden Fall ernsthaft mit einer Blutprobe
habe rechnen müssen, hat sie keine bundesrechtliche Vorschrift verletzt.