Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 106 IV 36



106 IV 36

11. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 8. Februar 1980 i.S. M.
gegen M. und Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste

    Art. 217 StGB, Vernachlässigung von Unterstützungspflichten.

    Der aufgrund von Art. 145 ZGB zur Bezahlung eines die Mietkosten
seiner getrennt lebenden Ehefrau mitberücksichtigenden Unterhaltsbeitrages
verpflichtete Ehemann kann den Mietzins nicht eigenmächtig direkt an den
Vermieter bezahlen und den geleisteten Betrag vom Unterhaltsbeitrag in
Abzug bringen.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Der Beschwerdeführer erblickt darin, dass die Vorinstanz eine
Erfüllung der Unterhaltsbeitragspflicht auch insoweit verneinte, als er den
Mietzins für die von seiner Ehefrau und Tochter bewohnte Wohnung von Mitte
Oktober 1977 bis 31. März 1978 angeblich bezahlt bzw. durch Verrechnung mit
Warenlieferungen an die Vermieterin Frau B. (Grossmutter der Ehefrau M.)
beglichen habe, eine Verletzung von Art. 217 StGB.

    a) In dem zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Ehefrau hängigen
Scheidungsverfahren verpflichtete der Amtsgerichtspräsident II von
Luzern-Stadt in Anwendung von Art. 145 ZGB M., an Ehefrau und Tochter
monatlich insgesamt Fr. 1'050.-- zu bezahlen. Bei Bemessung der der
Ehefrau persönlich zuerkannten Fr. 800.-- wurde berücksichtigt, dass
diese inskünftig die Wohnungsmiete zu bezahlen haben werde. Damit
wurde die Unterhaltspflicht des Beschwerdeführers auch insoweit, als
sie sich auf das Wohnen bezog, zu einer Unterhaltsbeitragspflicht; es
trat m.a.W. an die Stelle des Naturalunterhalts die Geldleistung (BGE 76
IV 118; 74 IV 52, 159; 70 IV 167). Unter diesen Umständen stand es dem
Beschwerdeführer nicht frei, nach Belieben die richterlich festgesetzte
Geldleistungspflicht teilweise in natura, d.h. durch Zurverfügungstellung
einer Wohnung vermittels direkter Bezahlung des Mietzinses an die
Vermieterin zu erfüllen. Das kann schon deswegen nicht zulässig sein,
weil in all den Fällen, in denen die Miete höher ist, als das dafür im
Rahmen des Existenzminimums vorgesehene Betreffnis, der Beitragsschuldner
vom gesamten Unterhaltsbeitrag mehr in Abzug bringen könnte, als
der Richter bei Bemessung jenes Beitrags für die Wohnung eingesetzt
hatte. Im vorliegenden Fall beispielsweise hätten sich die monatlichen
Zwangsauslagen der Ehefrau für sich und die Tochter unter Einbezug
einer Miete von Fr. 640.-- und Fr. 50.-- Nebenkosten auf Fr. 1'600.--
belaufen. Unter Berücksichtigung des Existenzminimums des Beschwerdeführers
und seines Verdienstes wurden Frau M. und ihrer Tochter bloss Fr. 1'050.--
zuerkannt, womit auch der Beitrag an die Mietkosten eine verhältnismässige
Herabsetzung erfuhr. Es kann nicht Sache des Beitragspflichtigen sein,
dieses Wertverhältnis zwischen den verschiedenen den Gesamtbeitrag
bildenden Faktoren eigenmächtig zu ändern, indem er von sich aus die volle
Wohnungsmiete an den Vermieter bezahlt und dann die erbrachte Leistung vom
richterlich festgesetzten Unterhaltsbeitrag abzieht. Vielmehr muss es dem
andern Ehegatten vorbehalten bleiben, die Miete aus dem Unterhaltsbeitrag
oder/und eigenen Mitteln zu decken, wobei es ihm auch anheimgegeben
sein muss, den durch den Unterhaltsbeitrag nicht gedeckten Teil der
Miete beispielsweise durch eigene Arbeit für den Vermieter abzugelten,
um solcherweise den restlichen Teil des Unterhaltsbeitrages für die
anderen darin berücksichtigten Bedürfnisse verwenden zu können. Dieser
Möglichkeit würde jedoch der Beitragsberechtigte beraubt, könnte der
Beitragspflichtige so verfahren, wie es der Beschwerdeführer getan haben
will. Darüber helfen auch dessen Hinweise auf das Schrifttum und die
Praxis nicht hinweg. Der Entscheid in Sem. jud. 1949, S. 38 ff. betrifft
die Bemessung des Unterhaltsbeitrags durch den Zivilrichter in einem Fall,
in welchem die Ehegatten wohl getrennt, aber in derselben Wohnung wohnten
und der Ehemann den Mietzins bezahlte. Hier blieb der Ehemann selber
Mieter, und es war deshalb am Platz, dass er weiterhin den Mietzins
bezahlte, umgekehrt aber diesem Vorteil für die Frau bei Bemessung des
Unterhaltsbeitrags durch eine entsprechende Reduktion Rechnung getragen
wurde. Darauf nimmt auch BÜHLER, Berner Kommentar, N. 120 zu Art. 145
ZGB, Bezug. Sodann kann der Beschwerdeführer auch aus der anderen von
ihm angeführten Stelle des genannten Kommentars (N. 94 zu Art. 145 ZGB)
nichts für sich ableiten, handelt es sich dabei doch um den ganz anders
gelagerten Fall, dass die Wohnung der Ehefrau zugewiesen wird und der
Ehemann deren Mieter ist. Keines der angeführten Zitate lässt deshalb
den Schluss zu, es könne in Fällen wie dem vorliegenden der Ehemann,
der vom Richter gemäss Art. 145 ZGB zur Bezahlung eines die Mietkosten
seiner getrennt lebenden Ehefrau mitberücksichtigenden Unterhaltsbeitrages
verpflichtet wurde, eigenmächtig den Mietzins direkt an den Vermieter
bezahlen und den geleisteten Betrag vom Unterhaltsbeitrag in Abzug bringen.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.