Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 106 IV 358



106 IV 358

88. Urteil des Kassationshofes vom 18. Dezember 1980 i.S. S. gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen (Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 148 StGB. Arglist.

    Bejaht im Fall eines selbständigerwerbenden Psychologen, der durch
Verwendung von in Tat und Wahrheit wertlosen akademischen Titeln seine
Kunden über seine berufliche Qualifikation irreführt.

Sachverhalt

    A.- Nach Abschluss seiner Lehre als Maschinenzeichner im Jahre
1954 arbeitete S. zunächst auf seinem Beruf. 1965 begann er mit einem
Fernkurs an einer Akademie für angewandte Psychologie in Zürich; trotz
Ablieferung einer Diplomarbeit erhielt er wegen seiner Vorstrafen kein
Diplom. Bereits im Jahre 1966 eröffnete S. in Bern eine Privatpraxis
als Psychologe. 1971 verlegte er Wohnsitz und Praxis nach St. Gallen. Im
Laufe der Jahre verschaffte sich S. eine Reihe ausländischer Titel und
Diplome. So erhielt er 1969 den Titel eines Doktors der Philosophie der -
in Italien inzwischen verbotenen - Accademia Sancta Theodora in Rom, 1975
die Ernennung zum Professor der Psychologie der Cooperating University of
America und 1976 den Titel eines Doktors der Psychologie und Metaphysik
des Divine College Indianapolis. In seiner Praxis hatte er fünf Diplome
aufgehängt, darunter zwei einer Hamilton State University betreffend
seine Ernennung zum Professor der Metaphysik bzw. zum Doktor der
Philosophie. Auf einer Visitenkarte führte S. ausser der Bezeichnung
"Prof. Dr. hc. dipl. Psychologe" auch die Mitgliedschaft in einer
Vereinigung freier internationaler Wissenschaftler an.

    S., der nie eine Lehranalyse durchgemacht hat und der seine Methode nie
hat supervisieren lassen, setzte in seiner Praxis neben den psychologischen
Methoden und MMPI-Tests auch elektrophysiologische Geräte zur Messung
des elektrischen Hautwiderstandes ein. Nach eigenen Angaben arbeitete
er weitgehend mit autogenem Training. Im Rahmen seiner Sexualtherapie
vollzog er mit seinen Patientinnen unter anderem den Beischlaf. Der
von den kantonalen Instanzen beigezogene Gutachter bescheinigt S. ein
"gewisses theoretisches Grundwissen", vermerkt aber das Fehlen jeglicher
praktischen Erfahrung. Er bemängelt insbesondere dessen äusserst unklaren
Vorstellungen von autogenem Training, das in der von S. gehandhabten Form
sinnlos sei. Was weltweit als praktische Sexualtherapie unter Einsatz
von Hilfstherapeuten verstanden werde, sei etwas ganz anderes als die
von S. angewandte Methode, die weder in Amerika noch gar in Europa üblich
oder akzeptiert sei.

    B.- Am 17. September 1980 verurteilte die Strafkammer des
Kantonsgerichts St. Gallen als Appellationsinstanz S. wegen gewerbsmässigen
Betruges (31 Fälle), wiederholten Missbrauchs der Abhängigkeit einer Frau,
versuchter Notzucht, versuchter Erpressung und fortgesetzter Anmassung
beruflicher Auszeichnungen zu 2 1/2 Jahren Zuchthaus (abzüglich 18 Tage
Untersuchungshaft) und zu einer Busse von Fr. 1'000.--.

    C.- S. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag,
das Urteil des Kantonsgerichts St. Gallen sei aufzuheben, soweit es ihn
des gewerbsmässigen Betruges schuldig erkläre, und die Strafsache sei
zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

    Die Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen beantragt in ihrer
Vernehmlassung die Abweisung der Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Der Beschwerdeführer macht einzig geltend, das Tatbestandsmerkmal
der Arglist sei nicht erfüllt. Eine "gewisse Irreführung" der Geschädigten
wird nicht in Abrede gestellt.

    Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts handelt arglistig, wer
sich zur Täuschung eines andern besonderer Machenschaften oder Kniffe
oder eines ganzen Lügengebäudes bedient, aber auch jener, der bloss
falsche Angaben macht, wenn deren Überprüfung besondere Mühe erfordert,
dem Getäuschten nicht zumutbar ist, oder wenn der Täter den Getäuschten
von der Überprüfung der Angaben abhält oder nach den besonderen Umständen
voraussieht, der andere werde die Überprüfung unterlassen (BGE 101 Ia
612 E. 3, 100 IV 274, 99 IV 77 mit Hinweisen).

    Der Beschwerdeführer behauptet nicht, die Vorinstanz sei von einem
unzutreffenden Begriff der Arglist ausgegangen; er ist lediglich der
Meinung, sein Verhalten sei nicht im umschriebenen Sinn arglistig gewesen.

Erwägung 2

    2.- Nach der Auffassung des Kantonsgerichts hat sich S. "in der
Mehrzahl der Fälle" nicht nur einfacher Lügen, sondern eines ganzen
Lügengebäudes bedient. Bei der Erörterung der einzelnen Fälle kommt im
angefochtenen Urteil indessen nicht immer klar zum Ausdruck, ob die Arglist
mit der Anwendung besonderer Machenschaften oder aber damit begründet
wird, dass die von S. gemachten falschen Angaben nicht überprüfbar, etc.,
waren. In allen Fällen, die zur Verurteilung des Beschwerdeführers wegen
Betruges führten, hatten die Kunden aufgrund von Zeitungsinseraten Oder
des Eintrages im (Branchen-)Telefonbuch und beeindruckt durch die darin
angeführten akademischen Titel den Kontakt mit S. aufgenommen. In jenen
Fällen, in welchen dieser Zusammenhang nach Ansicht der Vorinstanz
nicht rechtsgenüglich feststand, wurde S. vom Vorwurf des Betruges
freigesprochen.

    a) Der Beschwerdeführer hat zur Täuschung über seine
unbestrittenermassen oberflächliche, äusserst lückenhafte und auf
theoretisches Stückwissen beschränkte psychologische Ausbildung
anerkanntermassen wertlose akademische Titel verwendet. Nach den
verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz hat er in jedem nur denkbaren
Zusammenhang von diesen Titeln Gebrauch gemacht, so in Zeitungsinseraten,
im Telefon- und Branchenbuch, auf dem Türschild, auf Briefpapier und
Visitenkarten; zudem hat er fünf Urkunden über die Verleihung verschiedener
Doktor- und Professorentitel in seiner Praxis aufgehängt. Diese Vorkehren
sind in ihrer Gesamtheit offensichtlich als besondere Machenschaften im
Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu werten.

    Der Beschwerdeführer legt mit keinem Wort dar, inwiefern die Auffassung
der Vorinstanz, wonach er besondere Machenschaften angewendet habe, gegen
Bundesrecht verstosse. Sein Einwand, er habe mit dem Aufhängen der Diplome
oder mit seinen Eintragungen ins Telefonbuch keinen wahrheitswidrigen
Zustand behauptet, da er die verschiedenen Auszeichnungen weder
gefälscht noch gestohlen, also zu Recht erworben habe, geht an der Sache
vorbei.S. hat mit den anerkanntermassen wertlosen Titeln und Diplomen den
Eindruck erweckt, dass er ein an verschiedenen ausländischen, namentlich
amerikanischen Lehranstalten ausgebildeter und ausgezeichneter Fachmann
der Psychologie und als solcher fähig sei, seinen Patienten und Klienten
die erwartete hochqualifizierte Hilfe zuteil werden zu lassen, was - und
dies allein wird dem Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang vorgeworfen -
unbestrittenermassen nicht den Tatsachen entsprach.

    b) Der Beschwerdeführer macht geltend, ein Telefonanruf bei der
Sanitätsdirektion (Gesundheitsdepartement) des Kantons St. Gallen hätte
ohne weiteres und sofort ergeben, dass diese Diplome in der Schweiz keine
Geltung haben. Eine solche Abklärung sei jedermann zumutbar und mit keinen
Schwierigkeiten verbunden.

    Soweit sich diese Einwände gegen das erstinstanzliche Urteil richten,
sind sie unzulässig, da der Entscheid des Bezirksgerichts St. Gallen
im vorliegenden Verfahren nicht zur Diskussion gestellt werden kann. In
jenen Fällen, in welchen die Vorinstanz die Arglist ohne Verletzung von
Bundesrecht damit begründet hat, dass sich S. zur Täuschung besonderer
Machenschaften bedient habe, geht die Berufung auf die Überprüfbarkeit
der Angaben von vornherein fehl, da - wie das Kantonsgericht zutreffend
ausführt - besondere Machenschaften stets Arglist im Sinne von Art. 148
StGB begründen, gleichgültig ob eine Überprüfung der Angaben möglich,
zumutbar und voraussehbar war oder nicht.

    Ob ein Telefonanruf bei der Behörde ohne weiteres und sofort
ergeben hätte, dass die Titel und Diplome des Beschwerdeführers in
der Schweiz keine Geltung hätten, kann schliesslich dahingestellt
bleiben. Die Behörde hätte aufgrund womöglich nur vager Angaben kaum
den Wert der einzelnen ausländischen Titel und Diplome sorgfältig und
abschliessend bestimmen und daraus zuverlässige Schlüsse auf die fachliche
Qualifikation des Beschwerdeführers ziehen können. Vorgängige Erhebungen
über den Wert und die Aussagekraft der in Inseraten und im Telefonbuch
aufgeführten akademischen Titel konnten überdies den potentiellen Kunden
nicht zugemutet werden. Wer auf der Suche nach Rat und Hilfe bei der
Auswahl eines Psychologen mangels anderweitiger Kenntnisse und Quellen
auf Inserate und Telefonbucheinträge angewiesen ist, soll, wenn keine
besonderen Anhaltspunkte dagegen sprechen, darauf vertrauen dürfen, dass
die darin enthaltenen Angaben nicht irreführend sind. Entscheidend fällt
überdies ins Gewicht, dass der Beschwerdeführer gerade auch aufgrund
seiner Erfahrungen wusste, dass die von ihm aufgeführten, für den Laien
eindrucksvollen ausländischen (namentlich amerikanischen) Titel und Diplome
von seinen nach Rat und Hilfe suchenden und ihm als Psychologen volles
Vertrauen entgegenbringenden Kunden nicht auf ihren Wert untersucht
würden. Die gegenteiligen, nicht näher begründeten Behauptungen des
Beschwerdeführers sind wirklichkeitsfremd und widersprechen der allgemeinen
Lebenserfahrung. Von Leichtsinn oder allzu grosser Leichtgläubigkeit
seitens der zahlreichen Geschädigten kann keine Rede sein.

    Die Verwendung täuschender Titel war daher unter den gegebenen
Umständen auch denn arglistig, wenn man sie für sich allein noch nicht
als Machenschaft qualifizieren wollte.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.