Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 106 IV 336



106 IV 336

83. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 3. Oktober 1980 i.S. G.
gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste

    Art. 58 Abs. 4 StGB.

    Bei der Festsetzung der Ersatzforderung des Staates ist die
gesamte Situation des Betroffenen zu berücksichtigen, auch seine
familienrechtlichen Verpflichtungen.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Aus dem Vermögen des Beschwerdeführers wurden Geldbeträge und
Wertschriften beschlagnahmt. Im angefochtenen Urteil hat das Obergericht
verfügt, dass die beschlagnahmten Werte, soweit sie nicht zur Deckung
von Busse und Kosten verwendet werden, gemäss Art. 58 Abs. 4 StGB als
Ersatzleistung an den Staat gehen.

    a) Dass diese Anordnung ohne entsprechenden Antrag des Staatsanwaltes
und daher auch ohne vorangehende Stellungnahme der Verteidigung vom
Gericht getroffen wurde, könnte allenfalls als Verletzung des Anspruchs
auf rechtliches Gehör mit staatsrechtlicher Beschwerde gerügt werden. Hier
ist auf diese Verfahrensfrage nicht einzutreten.

    b) Der Beschwerdeführer ficht die Verpflichtung zu einer Ersatzleistung
an, weil die beschlagnahmten Vermögenswerte mit seiner Bereicherung aus
der Tätigkeit bei der X. AG nichts zu tun haben, sondern seinen Anteil
am mütterlichen Nachlass darstellen, der ihm während des Strafverfahrens
zugefallen ist. Er ist damit einverstanden, dass aus dem beschlagnahmten
Gut die Busse und die Kosten gedeckt werden, stellt aber den Antrag,
die verbleibenden Vermögenswerte seien ihm auszuhändigen oder direkt
zugunsten der Kinder aus zweiter Ehe zu verwenden.

    aa) Durch die Neufassung von Art. 58 StGB (gemäss Anhang I zum VStrR
vom 22. März 1974) hat der Gesetzgeber die Möglichkeit geschaffen, auch
Vermögenswerte, die durch eine strafbare Handlung erlangt worden sind,
einzuziehen, soweit die Einziehung zur Beseitigung eines unrechtmässigen
Vorteils oder Zustandes als geboten erscheint. Gemäss Abs. 4 von
Art. 58 StGB kann auf eine Ersatzforderung des Staates in der Höhe
des unrechtmässigen Vorteils erkannt werden, wenn die einzuziehenden
Gegenstände oder Vermögenswerte nicht mehr vorhanden sind.

    Die ratio dieser Bestimmung ist, dass der Täter nicht im Besitz
unrechtmässig erlangter Vorteile bleiben soll (BGE 104 IV 5). Hat er sich
der Vermögenswerte schon entäussert, so soll durch eine Ersatzforderung
des Staates eine ungerechtfertigte Privilegierung verhindert werden.

    bb) Dass der Beschwerdeführer als Leiter der X. AG einen
unrechtmässigen Vorteil von mehreren hunderttausend Franken erlangte,
ist unbestritten. Ebenso steht fest, dass diese deliktisch erlangten
Vermögenswerte verbraucht wurden und dass folglich eine Einziehung nicht
möglich ist. Das vorhandene, beschlagnahmte Gut stammt aus dem Erbteil
des Beschwerdeführers am Nachlass der Mutter. Der Beschwerdeführer macht
geltend, er benötige diese Vermögenswerte für den Unterhalt und die
Ausbildung seiner minderjährigen Kinder aus zweiter Ehe.

    Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist bei der Festsetzung
der Ersatzforderung die gesamte Situation zu prüfen; die Verpflichtung
zu Leistungen gemäss Art. 58 Abs. 4 StGB soll die Resozialisierung
des Täters nicht gefährden (BGE 104 IV 228, 105 IV 21 ff.). Auch bei
der Anwendung von Abs. 4 ist im Sinne von Abs. 1 lit. a zu erwägen,
ob und in welchem Umfange ein finanzieller Ausgleich der unrechtmässig
erlangten, nicht mehr vorhandenen Vorteile durch Zahlungen an den
Staat als geboten erscheint. Von dem mit dieser Formulierung dem
Richter zugestandenen Ermessen ist unter Beachtung aller wesentlichen
Gesichtspunkte pflichtgemäss Gebrauch zu machen. Zu den für diesen
Entscheid beachtlichen Gesichtspunkten gehören neben den finanziellen
Verhältnissen und den Erwerbsmöglichkeiten auch die familienrechtlichen
Verpflichtungen. Es widerspräche der Grundtendenz des Strafgesetzbuches
und der ratio legis von Art. 58 StGB, durch eine Ersatzforderung des
Staates den Täter an der Erfüllung seiner finanziellen Verpflichtungen
gegenüber den nächsten Angehörigen zu hindern. Art. 58 Abs. 4 StGB beruht
auf Geboten der Sozialethik (BGE 105 IV 171). Aber auch die Pflicht, für
den Unterhalt der Familie zu sorgen, folgt aus ethischen Überlegungen,
die jenen Geboten bis zu einem gewissen Masse vorgehen.

    Dieser Aspekt wurde vom Zürcher Obergericht bei der Festsetzung
der Ersatzforderung nicht gebührend beachtet. Es ordnete im praktischen
Ergebnis die Einziehung des Restes der beschlagnahmten Vermögenswerte
an, ohne zu prüfen, ob nicht zumindest ein Teil dieser Werte verfügbar
bleiben sollte, um den Kindern unter Berücksichtigung der Beitragspflicht
der Ehefrau und Mutter (Art. 276 ff. ZGB) eine bescheidene Existenz
zu sichern. Die Zusprechung einer Ersatzforderung im Umfang des
beschlagnahmten Vermögens ohne Berücksichtigung der familienrechtlichen
Situation verletzt daher Art. 58 StGB. Das angefochtene Urteil ist in
diesem Punkt aufzuheben. Das Obergericht hat unter Berücksichtigung der
hier dargelegten Richtlinie erneut zu beurteilen, ob und in welchem Umfang
eine Ersatzforderung des Staates als gerechtfertigt erscheint.