Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 106 IV 306



106 IV 306

77. Urteil des Kassationshofes vom 21. August 1980 i.S. R. gegen
Statthalteramt Meilen (Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Zivilschutz.

    1. Art. 52 ZSG gibt keinen Rechtsanspruch darauf, dass Kurse, Übungen
und Rapporte der Ausbildung oder der Überprüfung der Einsatzbereitschaft
jedes Pflichtigen dienen (Erw. 2).

    2. Art. 84 Ziff. 1 lit. a ZSG. Eine "Dienstanzeige" ist kein Aufgebot
im Sinne dieser Bestimmung (Erw. 3a).

    3. Art. 40 Abs. 2 ZSV betreffend die Aufgebotsfrist ist blosse
Ordnungsvorschrift (Erw. 3b).

Sachverhalt

    A.- R., selbständiger Unternehmer, ist als Blockchef in der
Ortsschutzorganisation des Zivilschutzes Küsnacht eingeteilt. Am
23. November 1978 stellte die Zivilschutzstelle Küsnacht allen im Jahre
1979 schutzdienstpflichtigen Personen eine Dienstanzeige zu, in der
ihnen mitgeteilt wurde, sie seien zur Dienstleistungspflicht im Rahmen
der Gesamtverteidigungsübung des Feldarmeekorps 4 (FAK 4) vom 5.-8. März
1979 vorgesehen. Dieses Schreiben enthielt am Schluss folgenden Vermerk:
"Sollten Sie drei Wochen vor Dienstbeginn kein Aufgebot erhalten
haben, bitten wir Sie, sich sofort bei uns zu melden." R. erhielt
sein persönliches Aufgebot als Patientenfigurant erst am 21. Februar
1979. Seine Sekretärin teilte der Zivilschutzstelle daraufhin telefonisch
mit, dass er in Geschäften abwesend sei. Der zuständige Beamte erklärte
ihr mündlich, dass ein Dispensgesuch mit dieser Begründung nicht bewilligt
werde. R. leistete dem Aufgebot nicht Folge.

    B.- Mit Urteil vom 30. Oktober 1979 verurteilte der Einzelrichter
in Strafsachen des Bezirksgerichts Meilen R. in Anwendung von Art. 84
Ziff. 1 lit. a des Bundesgesetzes über den Zivilschutz (ZSG) vom 23. März
1962 in der Fassung vom 7. Oktober 1977 (vgl. AS 1962 S. 1108 in Verbindung
mit AS 1971 S. 751 und AS 1978 I S. 60), in Kraft seit 1. Februar 1978
(SR 520.1) zu einer Busse von Fr. 300.--.

    Das Obergericht des Kantons Zürich hat am 10. März 1980 eine dagegen
eingereichte kantonale Nichtigkeitsbeschwerde abgewiesen.

    C.- Mit Nichtigkeitsbeschwerde beantragt R., der Beschluss des
Obergerichts sei aufzuheben und die Sache sei zu neuer Entscheidung an
die kantonale Behörde zurückzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Der Beschwerdeführer hat sich, wenn überhaupt, nach dem
23. November 1978 verfehlt, so dass auf ihn das Zivilschutzgesetz in der
Fassung vom 7. Oktober 1977, in Kraft seit 1. Februar 1978, anwendbar
ist. Die einschlägigen Stellen des Art. 84 Ziff. 1 lauten:

    "1. Wer sich weigert, die ihm im Zivilschutz übertragenen Aufgaben zu
   übernehmen, ohne dispensiert oder aus Gesundheitsgründen hievon befreit
   zu sein,

    wer öffentlich ...,

    wer vorsätzlich oder fahrlässig

    a) einem Aufgebot nicht Folge leistet, sich aus dem Dienst entfernt
oder
   sich auf andere Weise der Schutzdienstpflicht entzieht,

    b) ...,

    wird mit Haft oder mit Busse bestraft; in besonders leichten Fällen
kann
   erstmals an die Stelle der Bestrafung eine Verwarnung durch die
   zuständige

    Kantons- oder Gemeindebehörde treten."

    Der Beschwerdeführer wurde bestraft, weil er als Patientenfigurant
an der Übung vom 5.-8. März 1979 nicht teilnahm.

Erwägung 2

    2.- Der Beschwerdeführer macht in erster Linie geltend, das
Aufgebot vom 21. Februar 1979 könne sich auf keine gesetzliche
Grundlage stützen. Gemäss Art. 52 ZSG seien die Angehörigen der
Zivilschutzorganisationen nach den Vorschriften des Bundes in
Kursen, Übungen und an Rapporten auszubilden und einsatzbereit zu
halten. Zivilschutzübungen hätten somit entweder der Ausbildung oder der
Überprüfung der Einsatzbereitschaft der Pflichtigen zu dienen. Vorliegend
sei der Beschwerdeführer zwar zu einer Zivilschutzübung aufgeboten
worden, jedoch nicht als Übungsteilnehmer, sondern ausdrücklich
als Patientenfigurant. Es sei aber nicht einzusehen, inwiefern das
reglose Herumliegen unter Trümmern als Patientenfigurant im geringsten
einem dieser Zwecke hätte förderlich sein können. Dem gegenüber habe
der Beschwerdeführer einen Rechtsanspruch darauf, dass seine Übungen
entweder seiner Weiterbildung oder der Überprüfung seiner persönlichen
Einsatzbereitschaft dienten. Das gelte insbesondere für einen ausgebildeten
Blockchef, dem die Betreuung der Schutzrauminsassen, nicht aber allfälliger
Verletzter obliege. Er sei kein eigentlicher Übungsteilnehmer, wie die
Dienstanzeige vom 23. November 1978 beweise, die seinen Einsatz als
Patientenfigurant vorgesehen habe. Es könne ihm auch nicht vorgeworfen
werden, dass er auf die nicht beschwerdefähige Vororientierung vom November
1978 nicht remonstriert habe.

    Vorweg ist festzuhalten, dass keine Rechtsnorm besteht, die dem
Beschwerdeführer einen Anspruch gäbe, ausschliesslich in seiner speziellen
Funktion als Blockchef eingesetzt zu werden. Der Ernstfall wie ein
bestimmter Übungszweck kann dazu führen, dass ein Zivilschutzangehöriger
ausserhalb der ihm allenfalls sonst speziell zugewiesenen Aufgabe
eingesetzt wird. Die Ausbildung und die Einsatzbereitschaft der
Zivilschutzangehörigen sind nicht Selbstzweck. Sie dienen letztlich der
Leistungsfähigkeit des Zivilschutzes an sich.

    Der Einsatz des Küsnachter Zivilschutzes erfolgte im Rahmen der
Gesamtverteidigungsübung des FAK 4 und sollte die Arbeit des Zivilschutzes
unter erschwerten Bedingungen überprüfen, wozu unter anderem vollbelegte
Schutzräume und eine grosse Zahl (supponierter) Verwundeter gehörten. Da
die örtliche Schutzorganisation personell zu schwach war und noch
Freiwillige gesucht werden mussten, war es keineswegs schikanös, den
Beschwerdeführer als supponierten Verwundeten aufzubieten. Als Blockchef
war er für die Betreuung der Schutzrauminsassen verantwortlich. Als
solchem konnten ihm negative und positive Erfahrungen als Figurant durchaus
nützlich sein. Insoweit war die dem Beschwerdeführer zugedachte Verwendung
keineswegs sinnlos.

    Das Aufgebot des Beschwerdeführers zur Zivilschutzübung war daher
durch die gesetzliche Zivilschutzpflicht gedeckt und rechtmässig, dessen
Nichtbefolgung insoweit strafbar.

Erwägung 3

    3.- Der Beschwerdeführer macht weiter geltend, das Aufgebot zur Übung
vom 5. März 1979 sei ihm erst am 21. Februar 1979 und nicht mindestens
vier Wochen vor Dienstantritt (Art. 40 Abs. 2 ZSV) zugestellt worden. Die
Vorinstanz hat dies nicht übersehen, wendet aber ein, der Beschwerdeführer
sei "bereits mit der Dienstanzeige vom November 1978 zu der Dienstleistung
zwischen dem 5. und 8. März 1979 aufgeboten worden". Zusätzlich könnten
die Kantone und Gemeinden gemäss Art. 40 Abs. 3 ZSV bestimmen, dass auch
die öffentlich angeschlagenen Kurstableaus als Aufgebot gelten würden. Das
müsse vermehrt für die Form einer persönlich adressierten Vorankündigung
gelten, wie sie die Dienstanzeige vom 23. November 1978 darstelle. Im
übrigen werde der Adressat in dieser Dienstanzeige noch ausdrücklich
darauf aufmerksam gemacht, dass er sich sofort beim Zivilschutz Küsnacht
zu melden habe, falls er drei Wochen vor Dienstbeginn noch kein Aufgebot
erhalten haben sollte.

    a) Zunächst stellt sich die Frage, ob die "Dienstanzeige" vom
23. November 1978 schon ein Aufgebot im Sinne von Art. 84 Ziff. 1 lit. a
ZSG darstellt. Wenn ja, wurde diesem rechtzeitig zugestellten Aufgebot
nicht Folge geleistet.

    In der "Dienstanzeige" steht u.a.:

    "Der Ortschef beabsichtigt, alle Angehörigen der örtl.

    Schutzorganisation für mindestens vier Tage aufzubieten ...

    Diese Dienstanzeige gilt als Orientierung und gibt Ihnen Gelegenheit,
   sich rechtzeitig für den Dienst einzurichten. Das Aufgebot erfolgt
   später.

    Bitte orientieren Sie Ihren Arbeitgeber sofort. Dispensationen werden
   grundsätzlich keine bewilligt.

    Sollten Sie 3 Wochen vor Dienstbeginn kein Aufgebot erhalten haben,
   bitten wir Sie, sich sofort bei uns zu melden."

    Daraus folgt, dass diese Dienstanzeige noch nicht das Aufgebot,
d.h. noch nicht der Befehl zur Dienstleistung war. Doch wurden die
Zivildienstpflichtigen klar über den Zeitpunkt der schon beschlossenen
Dienstpflicht Orientiert und darauf hingewiesen, dass grundsätzlich keine
Dispensationen bewilligt würden. Der Vermerk, sich bei nicht rechtzeitigem
Eintreffen des Aufgebots zu melden, lässt den Dienstpflichtigen auch
erkennen, selbst ein nicht rechtzeitiges Aufgebot bedeute keinen Wegfall
des vorgesehenen Dienstes.

    Das alles ändert aber nichts daran, dass die "Dienstanzeige"
formell noch kein Aufgebot war. Sie schuf lediglich eine erhöhte
Dienstbereitschaft. Indem der Beschwerdeführer nicht den Dienst antrat,
hat er daher kein in der Dienstanzeige liegendes Aufgebot missachtet.

    b) Es stellt sich daher die weitere Frage, ob die Aufgebotsfrist von
vier Wochen gemäss Art. 40 Abs. 2 ZSV eine Gültigkeits- oder nur eine
Ordnungsvorschrift darstellt.

    Gesetz und Verordnung kann keine sichere Entscheidung entnommen
werden. Das Aufgebot selber lautet auf Dienstleistung an bestimmten
Tagen ohne Bezugnahme auf die vierwöchige Aufgebotsfrist. Das Gelingen
einer Zivilschutzübung hängt regelmässig vom Zusammenwirken vieler
Personen ab. Das spricht dafür, der Aufgebotsfrist nur Ordnungscharakter
zuzuschreiben. Sonst müssten bei zeitlich knapper Versendung des Aufgebotes
jene Pflichtigen, welche das Gebot auch nur kurz verspätet erhalten,
an der Übung nicht teilnehmen, auch wenn ihnen dies zugemutet werden
könnte. Der verspätete Erhalt des Aufgebotes kann hingegen ein Dispens-
oder Verschiebungsgesuch rechtfertigen, wenn die Umstände die Rückstellung
anderweitiger Verpflichtungen als unzumutbar erscheinen lassen. Auch kann
die verspätete Zustellung die Säumnis allenfalls geringfügig erscheinen
lassen oder sogar entschuldigen.

    War somit die Aufgebotsfrist lediglich Ordnungsvorschrift, so war das
Aufgebot vom 20. Februar 1979 für den Beschwerdeführer verbindlich. Durch
die Dienstanzeige vom 23. November 1978 war er über das kommende Aufgebot
und die Dienstzeit rechtzeitig orientiert, so dass er seine Zeit einteilen
konnte. Ohne Rücksprache und Ohne Bewilligung des Zivilschutzdienstes
hätte er nicht anderweitig über die Dienstzeit verfügen dürfen.

    Der Beschwerdeführer kann sich daher nicht auf die verspätete
Zustellung des Aufgebotes berufen.

Erwägung 4

    4.- Der Beschwerdeführer rügt, dass er nicht lediglich verwarnt worden
sei, wie es "in besonders leichten Fällen ... erstmals" zulässig ist
(Art. 84 Ziff. 1 Abs. 4 ZSG). Die Busse sei auch "massiv" übersetzt.

    Eine Ermessensüberschreitung lag weder im einen noch im anderen
Sinne vor. Der Beschwerdeführer kann auf die zutreffenden Erwägungen
der Vorinstanz verwiesen werden.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.