Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 106 IV 295



106 IV 295

74. Urteil des Kassationshofes vom 7. Mai 1980 i.S. E. gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 19 Ziff. 1 Abs. 4 und Ziff. 2 lit. a BetmG.

    Zwischen der Übergabe der Betäubungsmittel und ihrer Bezahlung ist noch
Mitwirkung eines Dritten in Form von Gehilfenschaft oder Mittäterschaft
möglich, insbesondere durch die bewusste Entgegennahme und Weiterleitung
des Kaufpreises an den Verkäufer.

Sachverhalt

    A.- Etwa vom 6. August bis Ende September 1977 beteiligte sich Hedwig
E. am Rauschgifthandel ihres Freundes K. Dieser hatte erhebliche Mengen
Haschisch und Heroin in die Schweiz eingeführt, in der Wohnung des M.
gelagert und durch ihn weiterverbreiten lassen. Hedwig E. besorgte für K.
vorwiegend das Inkasso. So nahm sie von M. am 19. und 21. September 1977
insgesamt Fr. 10'000.-- für von K. gelieferte Betäubungsmittel entgegen,
verbrauchte davon rund Fr. 3'000.-- für persönliche Bedürfnisse und
übergab den Rest in Istanbul ihrem Freund K. Ebenfalls im September 1977
nahm sie von O. eine Stereoanlage im Wert von ca. Fr. 2'200.-- entgegen
als Entgelt für von K. geliefertes Haschisch.

    B.- Das Obergericht des Kantons Zürich erklärte Hedwig E. der
fortgesetzten Widerhandlung gegen Art. 19 Ziff. 1 Abs. 4 und Ziff. 2
lit. a des Betäubungsmittelgesetzes (BetmG) schuldig und verurteilte sie
zu 12 Monaten Gefängnis mit bedingtem Strafvollzug.

    C.- Mit Nichtigkeitsbeschwerde beantragt die Verurteilte Rückweisung
der Sache zum Freispruch.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

    Die Angeklagte macht, wie schon vor Obergericht, geltend, ihre
Handlung, die Entgegennahme von Geld als Bezahlung für Drogen, falle
nicht unter den Tatbestand des Verkaufens im Sinne von Art. 19 Ziff. 1
Abs. 4 BetmG. Verkaufen bestehe einerseits im Abschluss des Vertrages
durch gegenseitige Willensäusserung der Parteien. Weiter gehöre dazu die
Erfüllung der Pflicht gemäss Kaufvertrag, die Besitzesübereignung. Die
Bezahlung des Kaufpreises hingegen gehöre nicht zum Begriff des
Verkaufes. Die Forderung könne auch auf andere Art zum Erlöschen kommen
(Verrechnung, Vereinigung, Verjährung). Mit der Besitzübergabe sei
deshalb der Straftatbestand erfüllt, unabhängig davon, ob der Erwerber
im nachhinein noch eine Geldzahlung leiste oder nicht.

    Wie das Obergericht unter Berufung auf SCHULTZ (Allg. Teil I S. 124
f.) und BGE 99 IV 124 zutreffend ausführt, ist Vollendung eines Deliktes
gegeben, wenn alle allgemeinen Voraussetzungen der Strafbarkeit und
alle echten Merkmale des in Frage stehenden gesetzlichen Tatbestandes
verwirklicht sind. Indessen ist Mitwirkung eines Dritten an der Tat auch
nach deren Vollendung noch möglich, nämlich bis zur Beendigung. Letztere
tritt ein, wenn nach Erfüllung aller objektiven Tatbestandsmerkmale die
Umstände verwirklicht sind, die der Täter nach der betreffenden Strafnorm
beabsichtigt haben muss, oder wenn bei frühzeitiger Vollendung das dieser
nachfolgende Verhalten zur weiteren Beeinträchtigung des verletzten
Rechtsgutes beiträgt.

    Mit der Vereinbarung des Kaufpreises und der Abgabe der Drogen an
den Käufer ist die Tathandlung des Verkaufens vollendet. Es wäre abwegig,
Vollendung erst mit Entgegennahme des Entgeltes anzunehmen und denjenigen,
der vom Käufer um die vereinbarte Gegenleistung geprellt wird, nur wegen
Versuches zu bestrafen. Damit ist aber noch nichts über die Beendigung
der Tat gesagt. Dem Verkäufer geht es nicht nur um die Abgabe der Drogen,
sondern hauptsächlich um die Erzielung eines Gewinnes. Die Behauptung,
die Bezahlung der Kaufpreisforderung gehöre nicht begriffswesentlich zum
Verkauf, geht an der Sache vorbei. Dass das Obligationenrecht neben der
Zahlung noch andere Erlöschensgründe kennt, ist hier ohne Belang. Durch
Abschluss eines Kaufvertrages verpflichtet sich der Verkäufer, dem
Käufer die Sache zu übergeben und ihm Eigentum daran zu verschaffen;
letzterer verpflichtet sich zur Zahlung des Kaufpreises und zur Abnahme der
Kaufsache. Obschon es sich beim Drogenkauf um ein nichtiges Rechtsgeschäft
(Art. 20 OR) handelt und obligationenrechtliche Überlegungen für die
Auslegung eines Straftatbestandes nicht entscheidend sein können, ist doch
festzustellen, dass diese zivilrechtliche Definition des Kaufvertrages
der obigen Auslegung des Verkaufens im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes
nicht widerspricht.

    Somit ist die Tat erst mit der Entgegennahme des Kaufpreises beendet.
Infolgedessen ist im Stadium zwischen Übergabe der Betäubungsmittel und
ihrer Bezahlung noch Mitwirkung eines Dritten in Form von Gehilfenschaft
oder Mittäterschaft möglich. Dies umso mehr, als nichts dafür spricht, dass
die bewusste Entgegennahme und Weiterleitung des Geldes an den Verkäufer
straflos bleiben sollte. Vielmehr will das Betäubungsmittelgesetz alle
Phasen des Rauschgifthandels treffen, um ihn möglichst wirkungsvoll
zu bekämpfen.

    Indem die Beschwerdeführerin von M. Fr. 10'000.-- und von O. eine
Stereoanlage im Wert von ca. Fr. 2'200.-- als Zahlung für Betäubungsmittel
entgegennahm, hat sie am Verkauf von Drogen im Sinne von Art. 19 Ziff. 1
Abs. 4 BetmG mitgewirkt. Dass sie vorsätzlich handelte, stellt das
Obergericht verbindlich fest (Art. 277bis Abs. 1 BStP, BGE 104 IV 36 E. 1).

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.