Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 106 IV 269



106 IV 269

69. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 23. Oktober 1980
i.S. T. gegen Generalprokurator-Stellvertreter des Kantons Bern
(Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 251 Ziff. 1 Abs. 3 und Ziff. 2 StGB.

    Fall des Verkaufs von "Zeugnissen über die Anerkennung der
Doktorwürde".
   a) Urkunde (E. 1).  b) Unwahre Urkunde (E. 2a).  c) Gebrauch zur
   Täuschung (E. 2b).  d) Vorteilsabsicht (E. 3).

Sachverhalt

    A.- a) In den Jahren 1974-1977 wurde unter dem von T.  erfundenen Namen
der auch in Japan nicht existierenden Gesellschaft "All Japan Doctors
Association" jährlich eine Reise für jeweils zehn bis zwanzig Japaner
nach Europa und insbesondere Bern organisiert. Die Reiseteilnehmer
besuchten in Bern während zweier Tage ein Seminar, welches speziell für
sie an der Universität Bern durchgeführt wurde. Dies geschah derart, dass
Dr. X., Angestellter der Universität Bern für die Belange ausländischer
Studenten, jeweils einen Vorlesungssaal im Universitätsgebäude reservieren
liess. Fürsprecher S., Mitinhaber eines Anwaltsbüros in Bern, engagierte
im Auftrag von T. namhafte Persönlichkeiten, wie z.B. Professoren, welche
gegen Honorar den Japanern ein Referat über ein meist allgemein gehaltenes,
wissenschaftliches Thema halten sollten; im Anschluss an diese Vorträge
sollten jeweils Diskussionen stattfinden.

    Bei der Ankunft wurden die Teilnehmer durch T. zuerst Fürsprecher S.
vorgestellt; 1974 fand die Begrüssung im Hotel "Schweizerhof", in den
folgenden Jahren im Anwaltsbüro von S. statt. S. begrüsste jeden Japaner
einzeln, führte ein kurzes Gespräch mit ihm und stellte ihm ein paar
Fragen betreffend dessen Tätigkeitsgebiet. Jeder der Teilnehmer war
offensichtlich akademisch gebildet. Bei dieser Vorstellung fungierte
T. als Dolmetscher. An den folgenden zwei Tagen hörten sich die Teilnehmer
in einem Vorlesungssaal der Universität Bern die Referate an und nahmen
an den anschliessenden Diskussionen teil; 1977 beispielsweise wurden
Referate über Veterinärmedizin, Gartenbau, Erziehungswesen, Architektur,
Wirtschaftswissenschaft und Management gehalten. Alle Teilnehmer hörten
sich alle Referate an, gleichgültig, ob sie ihr Fachgebiet betrafen
oder nicht. Zu einem Abschlussessen wurden jeweils wiederum namhafte
Persönlichkeiten eingeladen, so auch der Rektor der Universität. Kurz
vor der Abreise wurden die Teilnehmer einzeln in das Büro von
Dr. X. geführt, welcher ihnen in Anwesenheit von T. mit Händedruck ein
Couvert überreichte. Die Teilnehmer öffneten das Couvert nicht sofort -
offenbar auf Weisung von T. hin, wonach dies gegen die schweizerischen
Sitten verstossen würde. Im Couvert befand sich ein braunes Mäppchen
mit der Aufschrift "Universität Bern" und dem Wappen des Kantons Bern,
und in diesem Mäppchen

    - ein Verzeichnis der Personen, die an den Seminaren teilgenommen
hatten,

    - eine persönliche Bestätigung für jeden Teilnehmer, dass er das
Seminar mit den aufgezählten Fachgebieten besucht hatte,

    beide auf Papier mit dem Briefkopf des Rektorats der Universität Bern
und unterschrieben sowohl von X. wie von S.; ferner

    - ein "Zeugnis über die Anerkennung der Doktorwürde",
ebenfalls auf Papier des Rektorats der Universität, mit den Stempeln
"Auslands-Abteilung", "Dr. X." und "Universität Bern Kanzlei" sowie
einer Unterschrift von X. versehen.

    Den Teilnehmern der ersten Reise nach Bern im Jahre 1974 waren noch
keine solchen Zeugnisse abgegeben worden.

    b) Für das Jahr 1978 war wiederum ein Seminar in Bern geplant
gewesen. Am 27. April 1978 schrieb T. wie jedes Jahr Fürsprecher S. und
bat ihn, die Referate für das Seminar zu organisieren. Am 26. Mai 1978
traf T. in Bern ein, um weitere Vorbereitungen zu treffen. Dabei wurde
er verhaftet. In seinem Gepäck fanden sich unter anderem:

    - 17 Blatt "Zeugnis über die Anerkennung der Doktorwürde", ohne
eingesetzte Namen und ohne Unterzeichnung,

    - 7 Blatt gleiche Zeugnisse mit eingesetzten Namen von
Seminar-Teilnehmern des Jahres 1977, ohne Unterzeichnung,

    - zwei Listenentwürfe für die übliche Bestätigung der am Seminar 1978
teilnehmenden Japaner und der gehaltenen Referate.

    Das Seminar hätte am 12./13. Juni 1978 in Bern stattfinden sollen. Die
Reise für die Teilnehmer war schon beim japanischen Reisebüro Kintetsu
International gebucht worden.

    B.- Am 12. September 1978 sprach das Strafamtsgericht Bern
T. schuldig der Urkundenfälschung und des Versuchs dazu, wiederholt und
fortgesetzt begangen in Bern in der Zeit vom Sommer 1975 bis zum 26. Mai
1978; es verurteilte ihn zu 14 Monaten Gefängnis (abzüglich 70 Tage
Untersuchungshaft), bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von drei Jahren
und zu 10 Jahren unbedingter Landesverweisung. Auf die vollumfängliche
Appellation des Verurteilten und die auf die Strafzumessung beschränkte
Anschlussappellation des Generalprokurator-Stellvertreters hin bestätigte
die II. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Bern am 29. Mai 1979 den
Schuldspruch, erhöhte aber die Strafe auf 20 Monate Zuchthaus, abzüglich
110 Tage Untersuchungshaft.

    C.- T. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil der II.
Strafkammer des Obergerichts sei vollumfänglich aufzuheben und die Sache
sei zum Freispruch an die Vorinstanz zurückzuweisen.

    D.- Auf eine von T. gegen das obergerichtliche Urteil eingereichte
staatsrechtliche Beschwerde ist der Kassationshof am 14. April 1980
nicht eingetreten.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Nach Art. 110 Ziff. 5 Abs. 1 StGB und der Rechtsprechung des
Bundesgerichts (BGE 101 IV 278 f., 103 IV 28) sind Urkunden unter anderem
Schriften, die bestimmt und geeignet sind, eine Tatsache von rechtlicher
Bedeutung zu beweisen.

    Das hier in Frage stehende Schriftstück "Zeugnis über die Anerkennung
der Doktorwürde" enthält folgenden Text:

    "Die Prüfungskommission hat die erforderliche Untersuchung über die
   akademische Würde durchgeführt, die bereits der oben genannten Person
   verliehen wurde. Nach dem Ergebnis der Untersuchung erkennen wir diese

    Person als Besitzer der Doktorwürde für ... an."

    a) In der Beschwerde wird geltend gemacht, mit dem fraglichen
Schriftstück werde nicht ein Doktortitel verliehen, sondern ein bereits
vorhandener Titel anerkannt. Alle Teilnehmer der Seminare hätten bereits
einen rechtmässig erteilten, vollkommen gültigen Doktortitel irgendeiner
japanischen Universität besessen. Ein solcher Doktortitel werde in der
Schweiz aber ohne weiteres, d.h. ohne Bestätigung einer Amtsstelle oder
einer Universität, als vollwertig anerkannt. Der Anerkennung komme daher
keine rechtliche Bedeutung zu. Das "Zeugnis" habe den Seminarteilnehmern
nach ihrem eigenen Verständnis bloss gewissermassen als Erinnerungsurkunde
gedient. Es sei nicht bestimmt und geeignet gewesen, eine Tatsache von
rechtlicher Bedeutung zu beweisen.

    b) Diese Einwände beruhen weitgehend auf einer Sachdarstellung, die
von den für den Kassationshof verbindlichen tatsächlichen Feststellungen
des Obergerichts (Art. 277bis BStP) in unzulässiger Weise (Art. 273 Abs. 1
lit. b BStP) abweicht; sie sind im übrigen unbegründet.

    Das Obergericht geht mit dem Beschwerdeführer davon aus, dass
durch das fragliche Zeugnis nicht die Doktorwürde verliehen, sondern
ein bereits vorhandener Doktortitel anerkannt wurde. Diese Anerkennung
durch das "Rektorat der Universität Bern" (so der Kopf des Zeugnisses)
stellt entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers eine Tatsache von
rechtlicher Bedeutung dar. Nach den verbindlichen Feststellungen der
Vorinstanz waren die nach Bern gekommenen Japaner im Besitz eines von
der I.C.A. ("Internationale Kultur Akademie Universität") verliehenen
Doktortitels; diese private Institution ist in Japan nicht anerkannt. Wie
das Obergericht zutreffend ausführt, bekam dieser Titel durch die
(angebliche) Anerkennung seitens einer international angesehenen, seriösen
Universität einen offiziellen Anstrich im Sinne eines amtlich anerkannten
wissenschaftlichen Ausweises und somit viel grösseres Gewicht. Die
Anerkennung ist von rechtlicher Bedeutung; sie ermöglicht oder erleichtert
den Zugang zu weiterführenden Studien, Examina und Berufen und ist auch
ein Indiz für den Wert der absolvierten Studien.

    Die in Frage stehenden Schriftstücke sind bestimmt und geeignet, die
rechtlich bedeutsame Tatsache der Anerkennung der japanischen Doktortitel
durch die Universität Bern zu beweisen. Die Beweisbestimmung geht schon
aus der Bezeichnung "Zeugnis über die Anerkennung der Doktorwürde"
hervor. Da das Schriftstück als von einer staatlichen Universität
ausgestellt erscheint (Kopf, Stempel) und darin von einer Untersuchung
durch die Prüfungskommission die Rede ist, aufgrund deren Ergebnisses die
Doktorwürde anerkannt werde, ist das Zeugnis auch geeignet, die behauptete
Tatsache der Anerkennung zu beweisen.

    Die fraglichen Schriftstücke sind demnach Urkunden im Sinne
des Strafgesetzbuches. Dass sie öffentliche Urkunden sind, wird vom
Beschwerdeführer mit Recht nicht in Abrede gestellt. Kopf ("Rektorat der
Universität Bern") und Stempel ("Universität Bern. Kanzlei" samt Wappen des
Kantons Bern) erwecken den Eindruck, dass die Zeugnisse von einem Beamten
(Art. 110 Ziff. 4 StGB) kraft seines Amtes und in Ausübung hoheitlicher
Funktionen ausgestellt worden seien.

Erwägung 2

    2.- Trotz umfangreicher Untersuchungen konnte nicht mit der
erforderlichen Bestimmtheit festgestellt werden, wer die Zeugnisse
über die Anerkennung der Doktorwürde hergestellt und mit Stempeln und
der Unterschrift von Dr. X. versehen hatte. Die Vorinstanz ging daher
davon aus, dass die Zeugnisse nicht von T., sondern von einem Dritten
ausgestellt wurden; das Gericht wirft T. demzufolge vor, "eine von
einem Dritten hergestellte Urkunde dieser Art zur Täuschung gebraucht"
zu haben (Art. 251 Ziff. 1 Abs. 3 StGB). Mit Urkunden "dieser Art" sind,
wie sich aus dem Zusammenhang mit Art. 251 Ziff. 1 Abs. 2 StGB ergibt,
die unechten wie auch die unwahren Urkunden gemeint.

    a) Der Beschwerdeführer macht geltend, im Falle der von ihm behaupteten
und von der Vorinstanz selbst erwogenen Sachverhaltsvariante, wonach
Dr. X. die Zeugnisse selber unterschrieben habe, seien die Urkunden echt.

    Die Vorinstanz hat in der Tat nicht völlig ausgeschlossen, dass
Dr. X. die Zeugnisse selber unterzeichnet haben könnte. An der Unwahrheit
der fraglichen Urkunden vermöchte dies indessen nichts zu ändern. Was der
Beschwerdeführer dagegen einwendet, geht offensichtlich fehl. Selbst wenn
man nämlich mit ihm davon ausginge, dass alle Inhaber eines ausländischen
Doktortitels in der Schweiz ohne weiteres als solche anerkannt würden,
sind die hier in Frage stehenden Urkunden unwahr. In den Zeugnissen
wird nicht lediglich jene Tatsache bestätigt, sondern ausgeführt,
dass die Prüfungskommission die erforderliche Untersuchung über die
akademische Würde durchgeführt habe, die bereits der Oben genannten
Person verliehen wurde, und dass nach dem Ergebnis der Untersuchung
diese Person als Besitzer der Doktorwürde für... anerkannt werde. Eine
solche Untersuchung durch die Prüfungskommission fand indessen nicht
statt. Sollten ausländische Doktortitel in der Schweiz ohne weiteres
anerkannt werden, wie der Beschwerdeführer behauptet, so wäre übrigens
schon die Wendung "die erforderliche Untersuchung" unrichtig. T. hat
demnach auf jeden Fall eine unwahre Urkunde gebraucht.

    b) Der Beschwerdeführer bestreitet sodann, die Zeugnisse zur Täuschung
gebraucht zu haben. Die japanischen Reiseteilnehmer seien sich im klaren
darüber gewesen, dass ein Doktortitel nicht allein mit dem Besuch eines
zweitägigen Seminars über verschiedenste, nur zum Teil wissenschaftliche
Themen erworben werden konnte. Die allfällige spätere Verwendung der
Zeugnisse durch die Teilnehmer gegenüber Drittpersonen könne ihm nicht
angerechnet werden.

    Der erste Einwand steht im Widerspruch zu den eigenen Behauptungen
des Beschwerdeführers und zu den verbindlichen Feststellungen des
Obergerichts. Danach wurden in Bern keine Doktortitel verliehen, sondern
bereits vorhandene Titel angeblich anerkannt. Diese Anerkennung erfolgte
nicht so sehr aufgrund der Teilnahme der Anwärter am zweitägigen Seminar,
sondern gestützt auf die (angebliche) Untersuchung der Prüfungskommission
über die in Japan verliehene akademische Würde. Eine solche Anerkennung
ist an sich durchaus denkbar; sie liegt keineswegs dermassen ausserhalb
des nach der allgemeinen Erfahrung Möglichen, dass den Teilnehmern die
Unrichtigkeit der Angaben des Beschwerdeführers von vornherein klar
sein musste. Bei diesem Ergebnis braucht nicht untersucht zu werden, ob
auch Dritte, denen gegenüber sich der Inhaber mit dem Zeugnis auswies,
von T. im Sinne von Art. 251 Ziff. 1 Abs. 3 StGB getäuscht worden seien,
wie die Vorinstanz ohne nähere Begründung ausführt.

Erwägung 3

    3.- Der Beschwerdeführer macht im weiteren geltend, er habe nicht
die Absicht gehabt, sich einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen;
das ihm von den Seminarteilnehmern bezahlte Geld habe er für die Zahlung
der Unkosten des Seminars verwendet.

    Im angefochtenen Urteil wird nirgendwo ausdrücklich festgestellt,
mit welcher Absicht T. gehandelt habe; das Obergericht führt aber im
Rahmen der Erörterung des subjektiven Tatbestandes nach der Zitierung von
Art. 251 Ziff. 1 Abs. 1 StGB aus, der Betrag von Fr. 2'000.--, den T. nach
seinen eigenen Angaben von jedem Teilnehmer erhalten habe, stelle einen
unrechtmässigen Vorteil dar. Damit bejaht das Obergericht sinngemäss auch
die Absicht des Beschwerdeführers, sich einen unrechtmässigen Vorteil zu
verschaffen; die Feststellung über die Absicht von T. ist tatsächlicher
Natur (BGE 100 IV 217 E. 2, 99 IV 8 E. 3, 86 E. c) und daher für den
Kassationshof im Verfahren der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde
verbindlich. Dass T. aus seinen Einnahmen gewisse (in der Beschwerde nicht
näher bezeichnete) Unkosten des Seminars decken musste, ändert an der
Vorteilsabsicht nichts. Dieser Vorteil war unrechtmässig, da T., wie er von
vornherein wusste, die von ihm vertraglich eingegangene Verpflichtung, den
Reiseteilnehmern die in einem Zeugnis verbriefte rechtsgültige Anerkennung
ihres japanischen Doktortitels durch die Universität Bern zu verschaffen,
nicht erfüllen konnte. Bei diesem Ergebnis braucht nicht geprüft zu
werden, ob T. auch den Japanern einen unrechtmässigen Vorteil im Sinne
von Art. 251 Ziff. 1 Abs. 1 StGB verschafft habe, wie die Vorinstanz
annahm. Da einzig der Verurteilte Nichtigkeitsbeschwerde erhoben hat,
kann auch dahingestellt bleiben, ob neben dem Tatbestand von Art. 251
StGB insoweit auch jener von Art. 252 StGB erfüllt sei.