Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 106 IV 261



106 IV 261

67. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 3. Oktober 1980 i.S. E.
gegen Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste

    Art. 201 Abs. 1 StGB. Zuhälterei. Begriff der Ausbeutung.

    1. Ausbeutung setzt nicht notwendig voraus, dass der Täter auf die
Dirne irgendeinen Druck ausübt, sie zur Gewerbsunzucht direkt veranlasst
oder zu finanziellen Leistungen zwingt (E. 2).

    2. Der Unterhaltsbezug erscheint auch dann als ausbeuterisch bzw.

    moralisch verwerflich, wenn der Täter den höheren Lebensstandard, in
dessen Genuss er dank der Lebensgemeinschaft mit der Prostituierten kam,
gewünscht, gesucht und als eigentlicher Organisator der Dirnentätigkeit
gefördert hat (E. 3c).

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 2

    2.- Strafbar ist nach Art. 201 Abs. 1 StGB nicht jede Annahme
von Leistungen, die als Unterhalt zu qualifizieren sind, sondern der
Straftatbestand setzt voraus, dass der Täter sich unter Ausbeutung des
unsittlichen Erwerbs unterhalten lässt. Der Beschwerdeführer stellt
in Abrede, schmarotzerisch vom Unzuchtsgewerbe seiner Frau profitiert
zu haben.

    Der Ausdruck "Ausbeutung" ist im pejorativen Sinne zu verstehen. Der
Unterhaltsbezug muss nach den Umständen als ethisch verwerflich
erscheinen. Das trifft nicht schon immer dann zu, wenn jemand von einer
Prostituierten Unterhaltsleistungen entgegennimmt, auf die er keinen
Rechtsanspruch hat. Anderseits setzt Ausbeutung nicht voraus, dass der
Täter auf die Dirne irgendeinen Druck ausübt, sie zur Gewerbsunzucht
direkt veranlasst oder zu finanziellen Leistungen zwingt. Häufig
wird allerdings das Verwerfliche der Haltung des Täters gerade darin
liegen, dass seine Forderung oder zumindest seine Erwartung regelmässiger
finanzieller Zuwendungen ein nicht unwesentliches Motiv der Dirnentätigkeit
bildet. Deshalb ist das Verhalten jenes Partners einer Dirne bereits
als ausbeuterisch zu betrachten, der zwar selber ein regelmässiges
Einkommen erzielt, aber für den von ihm gewünschten und praktizierten
Lebensstandard laufend Zuwendungen aus dem Dirnenlohn benötigt und auf
diese Weise vorsätzlich die Gewerbsunzucht zu seiner Einkommensquelle macht
(vgl. hiezu BGE 105 IV 199 ff. und dortige Hinweise).

Erwägung 3

    3.- a) Im vorliegenden Fall veranlasste der Beschwerdeführer seine
Ehefrau nicht zur gewerbsmässigen Unzucht. Frau E. ging diesem Gewerbe aus
eigener Initiative nach, weil sie sich ein luxuriöseres Leben wünschte,
aber auch aus Neugierde und Langeweile. Aufgrund der blossen Tatsache,
dass E. der Beschäftigung seiner Frau zustimmte und nicht versuchte, sie
vom Milieu fernzuhalten, betrachtet die Vorinstanz das Tatbestandsmerkmal
der Ausbeutung richtigerweise noch nicht als erfüllt (BGE 105 IV 202).

    b) Hingegen stellt die Vorinstanz fest, dass der Beschwerdeführer
seine Frau häufig zu ihrem Arbeitsplatz brachte bzw. sie von dort abholte,
ihr die Aufnahme des unsittlichen Gewerbes durch überstürzte Heirat
überhaupt erst ermöglichte, ihr die Anstellungen in den Massagesalons
vermittelte und sich hierfür sogar wechselrechtlich verpflichtete. Im
weitern übernahm er die Abrechnung mit den Kupplern, erkundigte sich, ob
seine Frau in einem Salon durch Geschlechtsverkehr nicht mehr verdienen
könne als durch sogenannte Feinmassage, und zeigte nach der Verhaftung
der Inhaber des Massagesalons sogar die Bereitschaft, diesen selber zu
übernehmen. Diese Verhaltensweise lasse erkennen, wie der Beschwerdeführer
- wenn auch nicht von Anfang an, so doch sehr bald - ein erhebliches
persönliches Interesse an der Tätigkeit seiner Frau bekundete. Er habe
die Idee seiner damaligen Freundin immer mehr zur eigenen gemacht und
habe sich - nach seinen eigenen Worten - von dieser Angelegenheit nicht
mehr distanzieren können. Der unsittliche Erwerb sei ihm daher nicht
nur zwangsläufig als Folge der Partnerschaft mit Frau E. zugute gekommen,
sondern der Beschwerdeführer habe den materiellen Vorteil selber angestrebt
und dadurch zu einer Einkommensquelle gemacht. In seinem Verhalten sei
eine eigentliche Aufforderung zur Weiterführung der Prostitution gelegen.

    c) Diese Schlussfolgerung ist tatsächlicher Natur und bindet den
Kassationshof (Art. 277bis BStP). Sie liegt auch nahe. Aus den persönlich
eingegangenen wechselrechtlichen Verpflichtungen ist zu schliessen,
dass der Beschwerdeführer auf die Einkünfte seiner Partnerin zählte,
ja sogar auf sie angewiesen war. Aber auch seine Aussage, er sei mit der
Heirat einverstanden gewesen, "denn ich hatte meine Frau gern und konnte
so natürlich auch noch finanziell einen grossen Gewinn erzielen", sowie
die ihr geleisteten Vermittlungsdienste machen deutlich, wie er sich
auf den unsittlichen Erwerb einstellte. Den höheren Lebensstandard, in
dessen Genuss er dank der Lebensgemeinschaft mit der Prostituierten kam,
und den er sich - gemäss der verbindlichen tatsächlichen Feststellung
der Vorinstanz - mit seinen eigenen Mitteln nicht hätte leisten können,
hat er somit gewünscht, gesucht und als eigentlicher Organisator der
Dirnentätigkeit auch gefördert. Die diesem Verhalten zugrundeliegende
Erwartungshaltung hinsichtlich des Prostitutionserwerbes bestärkte seine
Ehefrau in ihrem Entschluss, der Prostitution nachzugehen, bzw. erschwerte
es ihr, aus dem Milieu auszusteigen. Der Unterhaltsbezug erscheint aus
diesen Gründen als moralisch verwerflich, mithin als ausbeuterisch im
Sinne des Art. 201 Abs.1 StGB.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.