Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 106 IV 24



106 IV 24

8. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 18. März
1980 i.S. W. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau
(Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 145 Abs. 2 StGB. Sachbeschädigung. Begriff der gemeinen Gesinnung.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- a) Nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz fuhr
W. am 5. August 1977 abends nach 21 Uhr mit seinem Personenwagen Chevrolet
Camaro mit 106 km/h durch Räterschen, wo eine Höchstgeschwindigkeit von
60 km/h signalisiert war. Dabei wurde der Wagen durch eine automatische
Radarstation fotografiert.

    b) In der gleichen Nacht zwischen 1 und 2 Uhr fuhr W. mit H. nochmals
nach Räterschen. Er hatte das Aufblitzen der Radaranlage bemerkt. Um
die Auswertung der Radarmessung zu verhindern, schlugen die beiden am
Radargerät die Scheibe ein, gossen Benzin in den Apparat und zündeten
ihn an. Es entstand ein Gesamtschaden von rund 40'000 Franken.

Erwägung 4

    4.- Gegen die Subsumtion der massiven Überschreitung der
signalisierten Geschwindigkeitslimite unter Art. 90 Ziff. 2 SVG als
grobe Verkehrsregelverletzung werden keine rechtlichen Einwendungen
erhoben. Hingegen rügt der Beschwerdeführer, die ihm zur Last gelegte
Sachbeschädigung sei nicht gemäss Art. 145 Abs. 2, sondern gemäss
Art. 145 Abs. 1 StGB zu ahnden, da ein Handeln aus gemeiner Gesinnung
nicht nachgewiesen sei.

    a) Der qualifizierte Tatbestand der Sachbeschädigung ist erfüllt,
wenn der Täter aus gemeiner Gesinnung einen grossen Schaden verursacht
hat. Dass die Zerstörung einer Radaranlage als grosser Schaden im Sinne
dieser Bestimmung zu bewerten ist, wird vom Beschwerdeführer zu Recht
nicht in Frage gestellt.

    b) Bei der Interpretation des umstrittenen Qualifikationsmerkmals
der gemeinen Gesinnung muss die mit der Anwendung der Vorschrift
verbundene Rechtsfolge in Betracht gezogen werden: Während die einfache
Sachbeschädigung mit Busse oder Gefängnis bis zu 3 Jahren bedroht ist,
beträgt das Strafminimum bei qualifizierter Sachbeschädigung ein Jahr
Zuchthaus und das Strafmaximum fünf Jahre Zuchthaus. Das Strafminimum
von einem Jahr Zuchthaus, das nur in wenigen Strafbestimmungen angedroht
ist, zeigt deutlich, dass der Gesetzgeber mit dem Ausdruck "gemeine
Gesinnung" eine besonders niederträchtige Grundhaltung bezeichnen wollte
(BGE 104 IV 247, vgl. auch RStrS 1969, S. 108 Nr. 191). Wohl wird der
Strafrahmen auch durch das Erfordernis grossen Schadens mitbestimmt;
aber das Ausmass des Schadens allein genügt nie für die Anwendbarkeit
von Abs. 2 des Art. 145 StGB, es bedarf stets auf der subjektiven Seite
eines negativen Bewertungselementes, das nicht bloss im egoistischen Motiv
der konkreten Handlung liegen kann, sondern tiefer in der Persönlichkeit
des Täters verwurzelt sein muss und die dem Verhalten zugrunde liegende
Einstellung des Täters entscheidend prägt. Nur wenn eine ruchlose, schwere
Sachbeschädigung in dieser Weise als besonders persönlichkeitsadäquat
und als Ausfluss einer entsprechenden Grundhaltung erscheint, kann das
Tatbestandsmerkmal der gemeinen Gesinnung erfüllt sein.

    c) Im vorliegenden Fall begründet das Obergericht die Anwendung von
Art. 145 Abs. 2 StGB mit der Überlegung, der Schutz vor einem drohenden
Führerausweisentzug als Zweck der Zerstörung vermöge das Verhalten nicht
zu entschuldigen; wer durch ein neues Delikt wissentlich einen derart
enormen Schaden anrichte, um sich oder einen Mittäter der Verantwortung
zu entziehen, handle niederträchtig und feige.

    Gewiss kann der Zweck der Tat - Bestrafung und Führerausweisentzug
zu verhindern - die Sachbeschädigung in keiner Weise entschuldigen. Doch
bei der streitigen Subsumtionsfrage geht es nicht um die Möglichkeit
der Entschuldigung, sondern darum, ob die schädigende Handlung aus
gemeiner Gesinnung erfolgte. Aus der Sicht des verantwortungsbewussten
Bürgers erscheint die Zerstörungsaktion als feige. Nicht dargetan
ist jedoch, dass das Delikt Ausdruck einer besonders verwerflichen
Grundhaltung ist. Die Verwendung des Wortes "niederträchtig" entbehrt
einer sachbezogenen Begründung. Es fehlen etwa Anhaltspunkte für eine
allgemeine charakterliche Bereitschaft zu rücksichtslosem Handeln oder
für skrupellosen Vandalismus unter Hintanstellen aller Bedenken. Stellt
aber die Tat die einmalige, wenn auch ganz unverhältnismässige Reaktion
auf die Erfassung durch eine automatische Radarkontrolle dar, so lässt
sich aus den Umständen nicht auf das folgenschwere Qualifikationsmerkmal
der gemeinen Gesinnung schliessen. Auch die hartnäckige Bestreitung der
Tat durch den Beschwerdeführer vermag eine solche Schlussfolgerung nicht
zu begründen. Die Vorinstanz hat das massgebende Kriterium des Handelns
aus gemeiner Gesinnung in einem zu weiten, praktisch sozusagen jede
vorsätzliche Verursachung grossen Schadens erfassenden Sinne interpretiert
und durch die Anwendung von Art. 145 Abs. 2 StGB auf den vorliegenden
Fall Bundesrecht verletzt. Die Nichtigkeitsbeschwerde ist daher in diesem
Punkte gutzuheissen.