Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 106 IV 158



106 IV 158

48. Urteil des Kassationshofes vom 9. Mai 1980 i.S. S. gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen (Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 264 BStP. Verfahren in Bundesstrafsachen, die nach Bundesgesetz
von kantonalen Behörden zu beurteilen sind.

    Die Bezeichnung des Kantons, der zur Verfolgung und Beurteilung
berechtigt und verpflichtet ist, ist Sache der Anklagekammer des
Bundesgerichts, nicht des Kassationshofes.

Sachverhalt

    A.- S. hat als Leiter der Filiale St. Gallen der T. AG einen
vom Arbeiter C. quittierten Vorschuss von Fr. 50.-- auf dem für die
Firma bestimmten Exemplar des Arbeitsrapportes vom 14. August 1976 in
Fr. 1'150.-- abgeändert und unter Vorlage dieses Rapportes die Differenz
von Fr. 1'100.-- bei der Abrechnung für sich behalten. Durch Übergabe
des abgeänderten Rapportes hat er die Sekretärin der Filiale veranlasst,
den falschen Betrag in das Kassabuch der Firma einzutragen.

    B.- Deswegen erklärte das Bezirksgericht St. Gallen S. der Veruntreuung
und der Urkundenfälschung schuldig und verurteilte ihn zu sechs Wochen
Gefängnis mit bedingtem Strafaufschub.

    Die dagegen erhobene Berufung hat das Kantonsgericht St. Gallen am 18.
September 1979 abgewiesen.

    Eine kantonale Nichtigkeitsbeschwerde hat das Kassationsgericht des
Kantons St. Gallen am 1. Februar 1980 verworfen.

    C.- Mit Nichtigkeitsbeschwerde beantragt S., das Urteil des
Kantonsgerichts sei "aufzuheben und der Fall zuständigkeitshalber
den Strafverfolgungsbehörden des Kantons Basel-Land zur Beurteilung
zuzuweisen".

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
   a) Seine Beschwerdebegründung fasst der Beschwerdeführer wie folgt
   zusammen:

    "Aus all diesen Gründen ergibt sich, dass die Auffassung der
Vorinstanz,
   wonach der Beschwerdeführer eine mittelbare Falschbeurkundung im Kantons

    St. Gallen begangen habe, unrichtig ist. Vielmehr bleibt der an sich
   bestrittene Vorwurf der Strafverfolgungsbehörden, der Beschwerdeführer
   habe eine Urkundenfälschung bei der Erstellung des angeblich unrichtigen
   Beleges begangen. Diese Urkundenfälschung kann der Beschwerdeführer
   jedoch unbestrittenermassen nur an seinem damaligen Wohnsitz, im Kanton

    Basel-Land, begangen haben.

    Der angefochtene Entscheid ist daher wegen Verletzung von Art. 346
Abs. 1

    StGB in Gutheissung der vorliegenden Nichtigkeitsbeschwerde aufzuheben,
und
   die Sache den Strafverfolgungsbehörden des Kantons Basel-Land
   zuständigkeitshalber zuzuweisen."

    Es ist also zu prüfen, ob das Urteil des Kantonsgerichtes wegen
Unzuständigkeit aufzuheben und die Vorinstanz anzuweisen ist, die Sache den
Behörden von Basel-Landschaft zur Verfolgung und Beurteilung zu überweisen.

    b) Wird die Gerichtsbarkeit eines Kantons vom Beschuldigten bestritten,
so bezeichnet die Anklagekammer des Bundesgerichts den Kanton, der zur
Verfolgung und Beurteilung berechtigt und verpflichtet ist (Art. 264
BStP). Dieser speziellere Rechtsbehelf schliesst die Nichtigkeitsbeschwerde
an das Bundesgericht aus (BGE 76 IV 114 mit Hinweisen). Auf die
Nichtigkeitsbeschwerde kann daher nicht eingetreten werden.

    Es erübrigt sich auch, die Beschwerde als Gesuch im Sinne von Art. 264
BStP an die Anklagekammer zu überweisen. Zwar ist dieses Gesuch an keine
gesetzliche Frist gebunden. Doch widerspricht es der Prozessökonomie, die
Unzuständigkeitseinrede noch zuzulassen, nachdem ein Sachurteil ergangen
ist, es sei denn, die schweizerische Gerichtsbarkeit als solche stehe
in Frage (BGE 82 IV 67 E. 1). Wird daher das Gesuch nach Art. 264 BStP,
mit dem der Beschuldigte die Zuständigkeit eines Kantons bestreitet,
nicht rechtzeitig vor der erstinstanzlichen Beurteilung gestellt, kann
die Zuständigkeit des betreffenden Kantons nicht mehr in Frage gestellt
werden (BGE 86 IV 67 mit Hinweisen).

    c) Der Beschwerdeführer hat zwar im kantonalen Verfahren die
Zuständigkeit der St. Galler Behörden bestritten. Er wurde aber mit seinem
Begehren durch den Entscheid der Anklagekammer des Kantons St. Gallen
vom 18. Februar/25. März 1977 abgewiesen. Er hat es unterlassen, die
Zuständigkeit der St. Galler Behörden rechtzeitig vor dem erstinstanzlichen
Urteil vom 7. Dezember 1978 gemäss Art. 264 BStP bei der Anklagekammer
des Bundesgerichts anzufechten. Damit waren die Behörden des Kantons
St. Gallen auch zuständig, den Beschwerdeführer wegen Urkundenfälschung
zu verurteilen, wo immer er auch die Tat in der Schweiz begangen haben mag.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Auf die Nichtigkeitsbeschwerde wird nicht eingetreten.