Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 106 IV 150



106 IV 150

46. Urteil des Kassationshofes vom 19. Juni 1980 i.S. Staatsanwaltschaft
des Kantons Aargau gegen J. (Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 1 und 2 des Bundesgesetzes betreffend die Lotterien und die
gewerbsmässigen Wetten (LG).

    Die Kriterien zur Abgrenzung der bundesrechtlich erlaubten Tombola im
Sinne von Art. 2 Abs. 1 LG von der bundesrechtlich verbotenen Lotterie im
Sinne von Art. 1 LG liegen im Zweck der Veranstaltung und in der Person
des Veranstalters.

Sachverhalt

    A.- Mit Strafbefehl des Bezirksamtes Baden vom 6. April 1979
wurde J. wegen seiner Mitwirkung bei der Organisation verschiedener
Lotterieveranstaltungen (Redaktion und Aufgabe von Inseraten,
Organisation von Carfahrten an den Veranstaltungsort, Reservation von
Sälen, Bereitstellung des Gabentempels) gestützt auf § 5 Abs. 1 lit. a
der aargauischen Lotterieverordnung vom 27. September 1976 sowie Art. 4
und Art. 38 Abs. 1 des Bundesgesetzes betreffend die Lotterien und die
gewerbsmässigen Wetten vom 8. Juni 1923 (SR 935.51) mit Fr. 700.--
gebüsst.

    B.- Auf seine Einsprache hin wurde J. vom Bezirksgericht Baden mit
Urteil vom 12. Juli 1979 von der Anklage der Widerhandlung gegen die
Lotteriegesetzgebung freigesprochen.

    Eine von der Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau gegen dieses
Urteil eingereichte Berufung wies das Obergericht - 1. Strafkammer -
des Kantons Aargau am 27. März 1980 ab.

    C.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau führt eidgenössische
Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts
sei aufzuheben und die Sache sei zur Bestrafung des Angeklagten wegen
Widerhandlung gegen Art. 4 des Bundesgesetzes betreffend die Lotterien und
die gewerbsmässigen Wetten vom 8. Juni 1923 (eventuell wegen Gehilfenschaft
hiezu) an das Obergericht zurückzuweisen.

    D.- J. beantragt in seiner Vernehmlassung Abweisung der
Nichtigkeitsbeschwerde, soweit überhaupt auf sie einzutreten sei.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Mit eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde kann nur die Verletzung
von Bundesrecht geltend gemacht werden (Art. 269 Abs. 1 BStP). Es
stellt sich daher für den Kassationshof lediglich die Frage, ob der
Beschwerdegegner zu Recht von der Anklage wegen Widerhandlung gegen das
Lotteriegesetz des Bundes freigesprochen wurde. Das trifft unter anderem
dann zu, wenn die Lotterien, an deren Organisation er mitgewirkt hat,
nicht unter das eidgenössische Lotterieverbot (Art. 1 LG) fallen, sondern
gemäss Art. 2 Abs. 1 LG als sogenannte "Tombola" bundesrechtlich zulässig
sind. Solche Tombolas unterstehen ausschliesslich dem kantonalen Recht und
können von ihm zugelassen, beschränkt oder untersagt werden (Art. 2 Abs. 2
LG). Ob der Beschwerdegegner allenfalls gegen diesbezügliche kantonale
Vorschriften verstossen habe, kann vom Kassationshof im Verfahren der
eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde nicht überprüft werden (Art. 273
Abs. 1 lit. b BStP).

Erwägung 2

    2.- Zu entscheiden ist einzig, ob die vom Verein A. am 27.  September
1978 in Wettingen durchgeführte Veranstaltung eine bundesrechtlich
zulässige Tombola im Sinne von Art. 2 LG sei oder ob es sich dabei um
eine verbotene Lotterie im Sinne von Art. 1 LG handle. Wie es sich damit
hinsichtlich der übrigen Veranstaltungen verhält, braucht hier nicht
untersucht zu werden, da die dem Beschwerdegegner im Zusammenhang mit
deren Organisation zur Last gelegten Handlungen inzwischen mehr als zwei
Jahre zurückliegen und daher - soweit überhaupt Bundesrecht anwendbar ist
- absolut verjährt sind; denn Widerhandlungen gegen das Lotteriegesetz
des Bundes sind Übertretungen (Art. 38 Abs. 1 LG i.V.m. Art. 333 Abs. 2
StGB) und verjähren somit absolut in zwei Jahren (Art. 109 i.V.m. Art.
72 Ziff. 2 Abs. 2 StGB). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung
läuft bei Freispruch oder Einstellung des Verfahrens durch die letzte
kantonale Instanz die Verfolgungsverjährung weiter, auch wenn der Ankläger
eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde erhoben hat (BGE 97 IV 153 ff.).

Erwägung 3

    3.- "Das Lotterieverbot erstreckt sich nicht auf Lotterien, die bei
einem Unterhaltungsanlass veranstaltet werden, deren Gewinne nicht in
Geldbeträgen bestehen und bei denen die Ausgabe der Lose, die Losziehung
und die Ausrichtung der Gewinne in unmittelbarem Zusammenhang mit dem
Unterhaltungsanlass erfolgen (Tombola)." (Art. 2 Abs. 1 LG). Solche
Lotterien unterstehen ausschliesslich dem kantonalen Recht und können
von ihm zugelassen, beschränkt oder untersagt werden (Art. 2 Abs. 2 LG).

    a) Die Abgrenzung der bundesrechtlich zulässigen Tombola von der
bundesrechtlich verbotenen Lotterie bestimmt sich nach eidgenössischem
Recht. Immerhin kommt in der kantonalen Lotteriegesetzgebung zum Ausdruck,
welche Lotterien der kantonale Gesetzgeber als seiner Zuständigkeit
unterliegend und damit als bundesrechtlich erlaubt betrachtet. Wenn
auch diese Ausgestaltung der kantonalen Lotteriegesetzgebung durch
die kantonalen Behörden nicht massgebend ist, so kann sie doch bei der
Auslegung von Art. 2 Abs. 1 LG mitberücksichtigt werden.

    Der Wortlaut von Art. 2 Abs. 1 LG spricht an sich für die Annahme,
dass die Lotterie, um als Tombola bundesrechtlich zulässig zu sein und
damit unter die gesetzgeberische Zuständigkeit der Kantone zu fallen, Teil
eines Unterhaltungsanlasses sein müsse; denn nur in diesem Fall wird die
Lotterie bei einem Unterhaltungsanlass veranstaltet und steht sie zu diesem
in unmittelbarem Zusammenhang. In der Praxis werden indessen auch jene
Lotterien als der kantonalen Gesetzgebungshoheit unterliegend erachtet,
die den einzigen Inhalt des Unterhaltungsanlasses bilden. Diese Praxis
lässt sich mit dem unklaren Wortlaut von Art. 2 Abs. 1 LG vereinbaren,
dem keinerlei Anhaltspunkte dafür entnommen werden können, welche
Bedeutung der Tombola im Rahmen des Unterhaltungsanlasses zukommen
dürfe, d.h. welches Ausmass das übrige Programm annehmen müsse. Die
bundesrechtliche Zulässigkeit einer Lotterie hängt daher nicht davon
ab, ob neben der Tombola ein zusätzliches Programm abgewickelt wird
oder nicht. Der im Anschluss an eine Stellungnahme der Eidgenössischen
Polizeiabteilung erlassene § 1 Abs. 2 der aargauischen Lotterieverordnung
vom 27. September 1976 bestimmt denn auch ausdrücklich: "Die Bezeichnung
einer Lottoveranstaltung als Unterhaltungsanlass ist zulässig."

    Die Staatsanwaltschaft ficht diese Auslegung nicht grundsätzlich an,
sie macht aber sinngemäss geltend, die massgebende Mitwirkung eines
berufsmässigen Lottiers habe zur Folge, dass ein Vereinslotto zur
bundesrechtlich unzulässigen Lotterie werde.

    Das Kriterium zur Abgrenzung der bundesrechtlich erlaubten und
damit ausschliesslich dem kantonalen Recht unterstellten Tombola von
der bundesrechtlich verbotenen Lotterie liegt jedoch nicht im Fehlen
der Mitwirkung einer fachkundigen Drittperson, sondern im Zweck der
Veranstaltung und in der Person des Veranstalters. Bundesrechtlich
zulässig im Sinne von Art. 2 Abs. 1 LG sind jene Lotterien, die von einem
Verein oder einer vergleichbaren Organisation als Unterhaltungsanlass
des Vereins oder als Teil eines solchen Anlasses veranstaltet werden,
und sei es auch vor allem zwecks Mittelbeschaffung zur Finanzierung des
Vereinszweckes. Durch dieses Erfordernis wird entsprechend dem Sinn des
eidgenössischen Lotteriegesetzes, welches das Lotteriewesen in geordnete
Bahnen lenken und Auswüchse bekämpfen will, verhindert, dass Personen
oder Organisationen ohne besonderen Anlass, ausschliesslich zum Zwecke
des Gelderwerbs, d.h. aus blossem Gewinnstreben, ohne Verfolgung eines
darüber hinausgehenden Vereinszweckes, berufs- bzw. gewerbsmässig
Lotterien veranstalten. Eine Lotterie fällt demnach dann unter das
bundesrechtliche Verbot, wenn der erhoffte Gewinn für den Veranstalter
Selbstzweck und nicht Mittel zur Finanzierung eines mit der Lotterie
in keinem Zusammenhang stehenden, in den Satzungen des Vereins, etc.,
festgelegten, bestimmten Zweckes ist.

    Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang auf BGE 103 Ia
360 ff. verweist, geht sie an der Sache vorbei. In jenem Entscheid
wurde lediglich ausgeführt, dass § 5 Abs. 1 lit. a der aargauischen
Lotterieverordnung, wonach die Lottobewilligung nicht erteilt wird,
wenn der Gesuchsteller mit Organisation oder Durchführung der
Lotterie Personen beauftragt, welche diese Tätigkeit berufs- oder
gewerbsmässig ausüben, eine im Rahmen von Art. 2 Abs. 2 LG zulässige
kantonalrechtliche Einschränkung darstelle. Damit wurde aber gerade
vorausgesetzt, dass eine Lotterieveranstaltung durch die Mitwirkung
eines berufsmässigen Lottiers bei deren Organisation und Durchführung
nicht notwendig dem kantonalen Recht entzogen wird. Ob J. sich durch
seine Tätigkeit allenfalls nach kantonalem Recht strafbar gemacht habe,
ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung; ebenso ist unerheblich, dass
die Handlungen des Beschwerdegegners als "dem Lotteriezweck dienende"
allenfalls gemäss Art. 4 LG strafbar wären, wenn das Lotto des Vereins
A. unter das bundesrechtliche Lotterieverbot fiele.

    b) Nach den verbindlichen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz
wurde das Lotto vom 27. September 1978 in Wettingen im Namen des Vereins A.
propagiert und durchgeführt. Die Initiative zur Veranstaltung der Lotterie
ging vom Verein aus, der sich mit dem Anlass Mittel zur Finanzierung
seines Vereinszweckes verschaffen wollte und das finanzielle Risiko
trug. Dass die Organe des Vereins gewisse bei der Vorbereitung und
Durchführung des Lottos anfallende Aufgaben gegen ein festes Entgelt dem
auf diesem Gebiet erfahrenen J. übertrugen, änderte an der Trägerschaft,
am Zweck und am Unterhaltungscharakter der Veranstaltung grundsätzlich
nichts. Nach dem angefochtenen Urteil kam J. keine dominierende Rolle bei
der Organisation und Durchführung des Lottos zu. Es war keineswegs so,
dass der Beschwerdegegner den Verein nur als Vehikel zur Erlangung der
erforderlichen Bewilligung missbrauchte und das Lotto im Grunde genommen
"seine" Veranstaltung und nicht ein Vereinsanlass war. Als verantwortliche
Trägerin des Lottos trat vielmehr in klar erkennbarer Weise der Verein
A. auf.

    c) Das vom Verein A. am 27. September 1978 in Wettingen veranstaltete
Lotto erfüllte somit die Voraussetzungen einer bundesrechtlich zulässigen
Tombola und unterstand als solche ausschliesslich dem kantonalen Recht. Die
Vorinstanz hat daher, soweit diese Veranstaltung in Frage steht, den
Beschwerdegegner zu Recht von der Anklage der Widerhandlung gegen das
Bundesgesetz betreffend die Lotterien und die gewerbsmässigen Wetten
freigesprochen. Ob dies auch hinsichtlich der übrigen Handlungen des
Beschwerdegegners, die Gegenstand des kantonalen Verfahrens bildeten,
zutreffe, ist hier nicht zu untersuchen, da insoweit eine Bestrafung
gestützt auf Bundesrecht wegen der inzwischen eingetretenen absoluten
Verfolgungsverjährung ohnehin nicht mehr möglich wäre.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.