Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 106 IV 120



106 IV 120

38. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 14. Mai
1980 i.S. C. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen
(Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 199 Abs. 2 StGB.

    Anwendungsbereich. Diese Bestimmung setzt jedenfalls nicht voraus,
dass sich der gewerbsmässige Kuppler auf die Verkupplung unmündiger
Personen geradezu spezialisiert habe (E. 5c).

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 5

    5.- ...
   c) Da einige der in den "Massagesalons" beschäftigten Masseusen noch
   unmündig
waren, hat das Kantonsgericht C. auch der qualifizierten gewerbsmässigen
Kuppelei im Sinne von Art. 199 Abs. 2 StGB schuldig erklärt.

    Unter Berufung auf eine Äusserung von STRATENWERTH (Bes. Teil II,
2. Aufl., S. 55) wird in der Beschwerde geltend gemacht, für die Anwendung
des Abs. 2 von Art. 199 StGB müsse die Gewerbsmässigkeit sich auf die
Unmündigkeit beziehen, der Kuppler müsse es gerade auf Unmündige abgesehen
haben und mit ihnen das Geschäft machen.

    Nach dem deutschen Wortlaut des Gesetzes genügt es, dass der
gewerbsmässige Kuppler "eine unmündige Person verkuppelt", um statt
des Strafrahmens von 6 Monaten Gefängnis bis zu 5 Jahren Zuchthaus
die wesentlich strengere Strafdrohung (gemäss Abs. 2) von einem Jahr
Zuchthaus bis zu 10 Jahren Zuchthaus zur Anwendung zu bringen. Aus der
erheblichen Strafverschärfung leitet STRATENWERTH die Notwendigkeit ab,
die qualifizierte Begehungsform einschränkend auszulegen. Dabei ist
zuzugeben, dass in dem von STRATENWERTH erwähnten Extremfall der nur
einmaligen Verkuppelung einer unmündigen Person durch einen gewerbsmässigen
Kuppler eine dem Abs. 2 von Art. 199 StGB entsprechende Strafverschärfung
sich kaum rechtfertigen lässt, vor allem auch, wenn die Unmündigkeit sich
nicht auf die Prostituierte, sondern auf einen jungen "Kunden" bezieht. De
lege ferenda wird die Formulierung des qualifizierten Tatbestandes von
Abs. 2 zu überprüfen sein. Ob schon nach geltendem Recht - trotz des
klaren deutschen Gesetzestextes (vgl. dazu BGE 76 IV 240 E. 5) - in
solchen Extremfällen eine einschränkende lnterpretation möglich wäre,
ist hier nicht zu entscheiden; denn der Beschwerdeführer hat nicht nur
zufällig einmal eine unmündige Person verkuppelt, sondern er hat in
seinen Salons mehrere "Masseusen" angestellt, von denen er wusste, dass
sie noch nicht mündig waren. Er kümmerte sich also in keiner Weise um den
vom Gesetzgeber gewollten besondern Schutz der Unmündigen und war bereit,
bei jeder sich bietenden Gelegenheit auch eine unmündige Person in sein
Gewerbe hineinzuziehen. Auch wenn man mit STRATENWERTH den deutschen
Gesetzestext einschränkend interpretieren bzw. die romanischen Texte
als massgebend erachten würde, wäre im vorliegenden Fall die Annahme der
qualifizierten Begehungsform nicht zu beanstanden. Bei der wiederholten
und offenbar bedenkenlosen Anstellung unmündiger Personen als "Masseusen"
wäre wohl auch der von STRATENWERTH geforderte innere Zusammenhang
zwischen der Gewerbsmässigkeit und der Unmündigkeit der verkuppelten
Person durchaus gegeben. Auf keinen Fall dürfte Art. 199 Abs. 2 StGB
nur auf jenen gewerbsmässigen Kuppler Anwendung finden, der sich auf die
Verkupplung unmündiger Personen geradezu spezialisiert hat; eine solche
Auslegung widerspräche sowohl dem Sinn und Geist von Art. 199 Abs. 2 StGB
wie auch dessen französischem und italienischem Wortlaut.