Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 106 II 92



106 II 92

18. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 8. Mai 1980 i.S.
Weltwoche Verlag, Karl von Schumacher & Co. gegen Minelli (Berufung)
Regeste

    Verletzung in den persönlichen Verhältnissen (Art. 28 ZGB).

    - Persönlichkeitsverletzender Charakter eines Leserbriefs (E. 2).

    - Verantwortlichkeit des Herausgebers der Zeitung für die
Veröffentlichung eines persönlichkeitsverletzenden Leserbriefs (E. 3).

    - Beseitigung der Persönlichkeitsverletzung durch Publikation einer
Berichtigung (E. 4).

Sachverhalt

    A.- Am 9. Mai 1979 erschien in der "Weltwoche" unter der Rubrik "Der
Standpunkt" ein Beitrag mit dem Titel "Früher erben!". Der Autor, Ludwig
Minelli, führte darin aus, wegen der stets ansteigenden Lebenserwartung
verschiebe sich der Erbfall für die Kinder immer mehr auf einen Zeitpunkt
nach Beendigung ihrer wirtschaftlichen Aufbauphase. Früher habe die junge
Familie im Zeitpunkt ihrer grossen Lasten mit einem Erbfall rechnen können,
heute dagegen müsse sie alle Lasten aus ihrer eigenen wirtschaftlichen
Tätigkeit erarbeiten, ohne auf ererbtes Vermögen abstellen zu können. Dies
habe in soziologischer Hinsicht verheerende Folgen, weil die junge
Generation während ihrer aktivsten Phase vollständig von den Eltern
oder staatlichen Subsidien abhänge. Überdies werde die Bildung eines
Verantwortlichkeitsgefühls gegenüber eigenem Vermögen verunmöglicht und
die junge Mutter vielfach zur Berufsausübung gezwungen, was zu psychischen
Schäden ihrer Kinder führen könne. Der Autor postulierte als Konsequenz aus
dieser Erkenntnis die Vorverlegung des Erbzeitpunktes in der Weise, dass
die Kinder vom Erbrecht ausgeschlossen und die Grosskinder erbberechtigt
erklärt werden sollten.

    In der "Weltwoche" vom 13. Juni 1979 erschienen darauf verschiedene
Leserbriefe, die zu diesem Artikel Stellung nahmen, unter anderem auch
ein solcher von Anna Zepf, der folgenden Inhalt hatte:

    "Sinken die Einnahmen aus dem Handel mit Pässen, die Herr Minelli an

    Denkschwache verkaufen kann? Er, der die Schweiz. Gesellschaft für

    Menschenrechte im Alleingang ist, muss befürchten, dass ihm, also
seiner

    Gesellschaft, bald die Stunde schlägt, da der letzte Dumme begreift,
dass
   der Kurswert des gekauften Passes den einer Jasskarte hat.

    Nun ist der selbsternannte Generalsekretär auf eine neue Idee gekommen,
   wie er weiterhin dem Fluch "Im Schweisse deines Angesichts sollst du
   dein Brot essen!" entgehen könnte. Früher erben! Minelli, der Eltern und

    Verwandtschaft hat, die eine hübsche Anwartschaft versprechen, wird
   ungeduldig, die Alten leben zu lange, lassen ihn warten. Sein Horizont
   kann die Menschheit nur in zwei Kategorien erfassen: die eine, die
   arbeitet, und die andere, die kassiert; seine Hände sind nur das
   Kassieren gewohnt. So findet er es verheerend, wenn junge Leute ihre
   Ansprüche an die

    Gesellschaft selber erarbeiten müssen, der Erbzeitpunkt hinausgeschoben
   wird - früher war das viel besser, da starben die Alten zwischen ihrem
   40.  und 50. Lebensjahr -, aber so, wenn die Alten so unanständig
   sind und 60 oder gar mehr werden, da sind ja die Jungen von den
   Alten abhängig oder von staatlichen Subsidien. Minelli kennt keine
   Alternative, er will nur geliefert bekommen."

    Ludwig Minelli leitete in der Folge beim Friedensrichteramt
Küsnacht gegen Anna Zepf eine Klage wegen Verletzung in den persönlichen
Verhältnissen ein. Am 3. Juli 1979 schlossen die beiden einen Vergleich
folgenden Inhalts:

    "1. Frau Anna Zepf anerkennt, mit ihrem in der Zeitung "Die Weltwoche"

    Nr. 24 vom 13. Juni 1979 veröffentlichten Leserbrief unter dem
   redaktionellen Sammeltitel "Alte Geleise" Herrn Ludwig A. Minelli
   ohne jeden Anlass seinerseits und ohne ihn überhaupt zu kennen in
   ungerechtfertigter

    Weise schwer in seinen persönlichen Verhältnissen verletzt zu haben,
indem
   sie ihm wegen seines Artikels in der Rubrik "Der Standpunkt" in der

    "Weltwoche" Nr. 19 vom 9. Mai 1979 mit dem Titel "Früher erben!"
   unterstellte, er mache diesen Vorschlag aus eigennützigen Gründen und
   ihm ausdrücklich vorwarf, "sein Horizont (könne) die Menschheit nur
   in zwei

    Kategorien erfassen: die eine, die arbeitet, und die andere, die
kassiert;
   seine Hände sind nur das Kassieren gewohnt... Minelli kennt keine

    Alternative, er will nur geliefert bekommen." Sie anerkennt die

    Haltlosigkeit dieser Behauptungen und widerruft diese in aller
Form. Sie
   entschuldigt sich gegenüber Herrn Ludwig A. Minelli für ihren
   unüberlegten

    Leserbrief, den sie lediglich aufgrund eines blossen Vorurteils
verfasst
   und abgesandt hat. Sie erteilt Herrn Ludwig A. Minelli volle
   Satisfaktion.

    2. Frau Zepf bezahlt als Genugtuung für die von ihr begangene schwere

    Kränkung des Klägers Fr. 500.-- an den Verein für Strafrechts- und

    Anstaltsreform, Postcheckkonto 80-46601, Zürich.

    3. Herr Ludwig A. Minelli ist berechtigt, diesen Vergleich in der
Grösse
   einer Viertelsseite auf Kosten der Beklagten in der "Weltwoche"
   zu veröffentlichen.

    Diese Veröffentlichung hat auf der Leserbriefseite zu
   erfolgen.

    4. Gestützt auf diesen Vergleich zieht der Kläger die gegen Frau Anna

    Zepf
   gerichtete Zivilklage zurück und erklärt, auch auf den Strafantrag wegen

    Ehrverletzung gegen sie zu verzichten.

    5. Frau Anna Zepf entschädigt den Kläger für seine Umtriebe mit Fr.

    200.-- und übernimmt die Kosten des friedensrichterlichen Verfahrens."

    Am gleichen Tage ersuchte Ludwig Minelli die Inseratenabteilung
der "Weltwoche", den Vergleich in der nächsten Ausgabe der Zeitung zu
veröffentlichen. Die "Weltwoche" teilte ihm am 10. Juli 1979 mit, dass
das zugestellte Inserat "Vergleich" nicht aufgenommen werden könne. Eine
Einigung kam nicht zustande.

    B.- Am 23. Juli 1979 stellte Ludwig Minelli beim Einzelrichter
im summarischen Verfahren des Bezirkes Zürich das Begehren, der
Weltwoche Verlag, Karl von Schumacher & Co. AG, sei zu zu befehlen,
den fraglichen Vergleich in der nächsten Ausgabe der "Weltwoche" auf der
Leserbriefseite als Inserat auf Kosten von Anna Zepf zu veröffentlichen,
unter der Androhung von Ungehorsamsstrafe im Sinne von Art. 292 StGB. Der
Einzelrichter wies das Begehren am 9. August 1979 ab, im wesentlichen mit
der Begründung, der fragliche Leserbrief möge unhöflich oder taktlos
gewesen sein, könne aber nicht als Verletzung in den persönlichen
Verhältnissen des Klägers betrachtet werden.

    Gegen diesen Entscheid rekurrierte der Kläger an das Obergericht des
Kantons Zürich, welches am 30. Oktober 1979 folgenden Beschluss erliess:

    "Der Rekurs wird im Sinne der Erwägungen gutgeheissen, die angefochtene

    Verfügung aufgehoben und der Beklagten befohlen, in der ersten nach

    Eintritt der Rechtskraft dieses Beschlusses erscheinenden Ausgabe der

    Zeitung "DIE WELTWOCHE" auf der Leserbriefseite die folgende
Erklärung zu
   veröffentlichen, unter der Androhung der Überweisung ihrer
   verantwortlichen

    Organe an den Strafrichter zur Bestrafung wegen Ungehorsams gegen eine
   amtliche Verfügung gemäss Art. 292 StGB (Busse oder Haft) im

    Unterlassungsfalle:

    "Mitteilung der Redaktion:

    Unter der Rubrik "Der Standpunkt" erschien in der Weltwoche vom 9. Mai

    1979 (Nr. 19) ein Artikel von Ludwig A. Minelli mit dem Titel "Früher
   erben!". Als Antwort hierauf gelangte in der Ausgabe Nr. 24 vom 13. Juni
   ein kritischer Leserbrief von A. Zepf, Küsnacht, zum Abdruck. Wie
   Ludwig A.

    Minelli mitteilt, hat A. Zepf vor Friedensrichter die folgende zur

    Veröffentlichung in der Weltwoche bestimmte Erklärung abgegeben:

    "A. Zepf anerkennt, mit ihrem... Leserbrief... Herrn Ludwig A. Minelli
   ohne jeden Anlass seinerseits und ohne ihn überhaupt zu kennen in
   ungerechtfertigter Weise schwer in seinen persönlichen Verhältnissen
   verletzt zu haben, indem sie ihm wegen seines Artikels... "Früher
   erben!"  unterstellte, er mache diesen Vorschlag aus eigennützigen
   Gründen und ihm ausdrücklich vorwarf, "sein Horizont (könne) die
   Menschheit nur in zwei

    Kategorien erfassen: die eine, die arbeitet, und die andere, die
kassiert;
   seine Hände sind nur das Kassieren gewohnt... Minelli kennt keine

    Alternative, er will nur geliefert bekommen." Sie anerkennt die

    Haltlosigkeit dieser Behauptungen und widerruft diese in aller
Form. Sie
   entschuldigt sich gegenüber Herrn Ludwig A. Minelli für ihren
   unüberlegten

    Leserbrief, den sie lediglich aufgrund eines blossen Vorurteils
verfasst
   und abgesandt hat. Sie erteilt Herrn Ludwig A. Minelli volle

    Satisfaktion."

    "Auf Anordnung des Obergerichts als Rekursinstanz geben wir unsern
Lesern
   hievon Kenntnis."

    Das Obergericht nahm an, der Kläger sei durch den fraglichen Leserbrief
in seinen persönlichen Verhältnissen unbefugterweise verletzt worden,
und es führte im wesentlichen aus, für die verletzende Äusserung hafte
neben dem Urheber auch derjenige, der sie verbreitet und dadurch die
schädigende Wirkung erst herbeigeführt habe; wo die Verletzung durch eine
Pressemeldung erfolgt sei, könne der widerrechtliche Inhalt der ersten
Äusserung nur durch eine neue Pressemeldung widerlegt werden.

    Die von beiden Parteien gegen diesen Entscheid erhobenen
Nichtigkeitsbeschwerden wurden vom Kassationsgericht des Kantons Zürich
am 7. Februar 1980 abgewiesen, soweit auf sie eingetreten werden
konnte. Gegen den Entscheid des Kassationsgerichts erhob die Beklagte
staatsrechtliche Beschwerde; diese wurde mit Urteil vom 17. April 1980
abgewiesen.

    C.- Mit der vorliegenden Berufung ans Bundesgericht beantragt
die Beklagte, der Beschluss des Obergerichts vom 30. Oktober 1979
sei aufzuheben und die Sache sei zur neuen Entscheidung im Sinne der
Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen; eventuell sei die Verfügung
des Einzelrichters vom 9. August 1979 zu bestätigen.

    Der Kläger beantragt, auf die Berufung sei nicht einzutreten, eventuell
sei sie abzuweisen.

    Das Bundesgericht weist die Berufung ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) Der Rechtsstreit dreht sich nicht um die Kosten der
Berichtigung, sondern um die grundsätzliche Frage, ob der Kläger aufgrund
einer allenfalls erfolgten Persönlichkeitsverletzung Anspruch darauf habe,
dass die Beklagte die ihm durch eine Pressemeldung zugefügte Verletzung
durch eine zweite Pressemeldung beseitige. Es liegt deshalb eine nicht
vermögensrechtliche Zivilrechtsstreitigkeit vor, in welcher die Berufung
an das Bundesgericht zulässig ist (Art. 44 Abs. 1 OG; BGE 95 II 486 E. 1,
91 II 403 E. 1).

    b) Der angefochtene Entscheid erging in einem Befehlsverfahren. Nach
der am 1. Januar 1977 in Kraft getretenen Zivilprozessordnung des Kantons
Zürich vom 13. Juni 1976 kommt ihm wie einem im ordentlichen Verfahren
ergangenen Erkenntnis unbeschränkte Rechtskraftwirkung zu (§ 212 Abs. 1
in Verbindung mit § 222 ZPO). Er hat somit endgültigen Charakter und ist
demnach als Endentscheid im Sinne von Art. 48 Abs. 1 OG zu betrachten,
gegen den die Berufung zulässig ist (BGE 104 II 220/221, 103 II 251/252).
   c)...

Erwägung 2

    2.- a) Art. 28 ZGB schützt die Ehre weitergehend als das Strafrecht
und umfasst insbesondere auch das berufliche und gesellschaftliche Ansehen
einer Person. Ob dieses durch eine Presseäusserung geschmälert worden
sei, ist nicht nach dem subjektiven Empfinden des Betroffenen, sondern
nach einem objektiven Massstab zu beurteilen. Es ist zu prüfen, ob es
vom Standpunkt des Durchschnittslesers aus gesehen als beeinträchtigt
erscheint. Dabei spielt der Rahmen der Presseäusserung eine bedeutende
Rolle. Der Durchschnittsleser wird zum Beispiel aus Vorwürfen im
Zusammenhang mit einer politischen Auseinandersetzung weniger rasch
Rückschlüsse ziehen, die das Ansehen einer Person mindern, als aus solchen,
welche das private und berufliche Verhalten betreffen (BGE 105 II 163/164,
55 II 98/99).

    b) Die Vorinstanz begründete das Vorliegen einer
Persönlichkeitsverletzung im wesentlichen wie folgt: Der Kläger habe
zwar in seinem Artikel eine pointierte Meinung geäussert und seine
Vorschläge seien so gewesen, dass sie weitherum auf Widerstand hätten
stossen müssen. Sein Artikel sei aber sachlich gewesen und habe niemanden
diffamiert oder verletzt. Seine Meinung habe manchem Leser als abwegig
erscheinen mögen, doch habe er sie in dieser Form ohne weiteres äussern
dürfen. Von einer schweren Herausforderung der Leserschaft oder eines Teils
derselben könne nicht gesprochen werden. Demzufolge hätte auch die Kritik
sachlich bleiben müssen. Sie habe zwar scharf, ja sogar übertrieben sein,
aber nicht unnötig persönlich verletzen dürfen. Der Leserbrief habe diesen
erlaubten Rahmen nicht eingehalten. Er unterschiebe dem Kläger, dass er
seinen Artikel aus eigennützigen Motiven geschrieben habe, geldgierig
sei, nicht wie andere Leute arbeiten, sondern "nur geliefert bekommen"
wolle und dass seine Hände "nur das Kassieren gewohnt" seien. Auch
der Satz "Minelli, der Eltern und Verwandtschaft hat, die eine hübsche
Anwartschaft versprechen, wird ungeduldig, die Alten leben zu lange,
lassen ihn warten" sei geeignet gewesen, der negativen Charakterisierung
des Klägers vermehrtes Gewicht zu geben. Viele Personen hätten den Artikel
des Klägers nicht gelesen gehabt oder wieder vergessen. Bei diesen habe
der Leserbrief eine erhebliche Schmälerung des persönlichen Ansehens
des Klägers bewirken können. Der Leserbrief bezichtige den Kläger einer
niedrigen Gesinnung, mache ihn als Mensch verächtlich und sei damit unnötig
verletzend und beleidigend, ohne dass der Kläger dazu hinreichenden Anlass
gegeben hätte. Der Kläger müsse sich dies nicht gefallen lassen. Das
Vorliegen einer Persönlichkeitsverletzung sei daher zu bejahen.

    c) Diese Ausführungen des angefochtenen Beschlusses halten vor dem
Bundesrecht stand. Was die Beklagte dagegen vorbringt, dringt nicht
durch. Sie macht zunächst geltend, der angefochtene Beschluss lasse
nicht erkennen, welche tatsächlichen Feststellungen die Vorinstanz
zur Wertung geführt hätten, der Leserbrief unterschiebe dem Kläger
eigennützige Motive, Geldgier, Arbeitsunwilligkeit und bezichtige ihn einer
niedrigen Gesinnung. Diese Rüge ist nur schwer verständlich. Wohl haben
die Vorinstanz und der Einzelrichter den fraglichen Leserbrief in ihren
Entscheiden nicht vollumfänglich wiedergegeben; er war aber den Parteien
bekannt. Diese wussten, dass sich darin der Passus fand, der Kläger sei auf
eine neue Idee gekommen, wie er dem Fluch "Im Schweisse deines Angesichts
sollst du dein Brot essen" entgehen könne. Die Vorinstanz zitierte sodann
wörtlich und in Anführungszeichen einige Stellen aus dem Leserbrief, so
der Kläger wolle "nur geliefert bekommen", sei "nur das Kassieren gewohnt"
und werde bezüglich seiner hübschen Anwartschaft "ungeduldig, die Alten
leben zu lange, lassen ihn warten". Daraus durfte ohne Verletzung von
Bundesrecht gefolgert werden, der Leserbrief habe dem Kläger eigennützige
Motive unterschoben, ihm vorgeworfen, er sei geldgierig und wolle nicht
wie andere Leute arbeiten, und ihn insofern einer niedrigen Gesinnung
bezichtigt. Es ist demnach erkennbar, welche Stellen des fraglichen Briefs
die Vorinstanz zu ihrer Würdigung geführt haben. Einer Rückweisung zur
Vervollständigung des Tatbestands bedarf es hiefür nicht.

    Die Vorinstanz führte unter anderem aus, es hätten auch Personen vom
Leserbrief Kenntnis genommen, welche den seinerzeitigen Artikel des Klägers
nicht gelesen oder wieder vergessen gehabt hätten. Was an dieser auf der
Lebenserfahrung beruhenden Aussage falsch sein soll, ist nicht ersichtlich.

    Die Beklagte macht geltend, der Kläger habe sich mit seinem Artikel
in ein Diskussionsforum begeben, in dem er Auseinandersetzungen und
Reaktionen habe erwarten müssen; da er selbst eine pointierte Meinung
vertreten habe, habe er auch bereit sein müssen, entsprechende Antworten
mit Stichen oder Hieben entgegenzunehmen; wer sich freiwillig mit
provokativen Thesen der öffentlichen Diskussion stelle, müsse angriffige,
undifferenzierte, scharfe, beissende und sarkastische Kritik in Kauf
nehmen. Dem kann beigepflichtet werden, sofern die harte Kritik im
gleichen sachlichen Rahmen wie der sie veranlassende Artikel bleibt
und nicht persönlichkeitsverletzend wird. Der Leserbrief überschritt
aber diesen Rahmen und weitete sich zu einem unnötig verletzenden und
beleidigenden Angriff auf die Person des Klägers aus. Das musste sich
dieser nicht gefallen lassen.

    Die Beklagte behauptet, der Leserbrief habe den Kläger nicht mehr
angegriffen, als dieser seine eigene Person durch die Veröffentlichung
seines Standpunkts zu exponieren bereit gewesen sei. Dem kann nicht
gefolgt werden. Wer pointierte, ja sogar für unsinnig gehaltene Thesen
vertritt, dabei aber sachlich bleibt, muss zwar mit harten sachlichen
Erwiderungen rechnen, aber nicht in Kauf nehmen, dabei noch persönlich
verunglimpft zu werden.

    d) Die Widerrechtlichkeit der fraglichen Äusserungen bejahte die
Vorinstanz mit der Begründung, auf seiten der Leserbriefschreiberin oder
der Beklagten sei kein höherwertiges Interesse ersichtlich. Die Beklagte
rügt dies zu Unrecht. Sie behauptet selbst nicht, die verletzenden
Äusserungen des Leserbriefes seien wahr. Das Bundesgericht hat deshalb
davon auszugehen, dass sie unwahr sind. Unwahre Äusserungen sind aber
nach feststehender Rechtsprechung selbst dann widerrechtlich, wenn die
Mitteilung der unrichtigen Tatsachen nicht auf schuldhaftes Verhalten
zurückzuführen ist (BGE 103 II 165 E. 1c, 91 II 406/407). Das Vorliegen
einer widerrechtlichen Verletzung in den persönlichen Verhältnissen des
Klägers im Sinne von Art. 28 ZGB ist deshalb mit der Vorinstanz zu bejahen.

Erwägung 3

    3.- a) Der Leserbrief wurde von Anna Zepf geschrieben. Die
Persönlichkeitsverletzung fällt deshalb in erster Linie ihr zur
Last. Die Beklagte hat den Leserbrief aber abgedruckt und dadurch
erst der Öffentlichkeit und einem weiteren Leserkreis zugänglich
gemacht. Dadurch wurde sie für die begangene Persönlichkeitsverletzung
mitverantwortlich. Für verletzende Äusserungen dieser Art haftet in solchen
Fällen neben dem Urheber auch derjenige, der sie verbreitet und dadurch
die schädigende Wirkung in einem weiten Personenkreise herbeiführt (BGE
103 II 166, 95 II 486 E. 2). Der Umstand, dass der Kläger zunächst nur
Anna Zepf ins Recht fasste und mit ihr einen Vergleich schloss, ändert
daran nichts. Die Beklagte hat durch die Veröffentlichung des Leserbriefs
zur Persönlichkeitsverletzung selbständig und wesentlich beigetragen und
muss für die daraus entstandenen Folgen einstehen.

    b) Der allgemeine Hinweis der Beklagten in ihrer Rubrik "Leserbriefe",
sie lehne die Verantwortung für solche Briefe allgemein ab, vermag die
strafrechtliche und zivilrechtliche Haftung des Redaktors und der Zeitung
nicht auszuschliessen (SCHWINGE, Der Leserbrief und seine rechtliche
Beurteilung, in Festschrift für Fritz von Hippel, S. 489; HELLE, Der
Schutz der Persönlichkeit, der Ehre und des wirtschaftlichen Rufes im
Privatrecht, S. 175).

    Die Widerrechtlichkeit der fraglichen Äusserung beurteilt sich für
die Beklagte gleich wie für Anna Zepf. Die verletzende Äusserung des
Leserbriefs war unwahr und deshalb nach der erwähnten Rechtsprechung
widerrechtlich, gleichgültig ob die Beklagte und ihre Angestellten
schuldhaft gehandelt haben oder nicht.

    c) Die Beklagte macht geltend, hinsichtlich der Verletzung der
Sorgfaltspflicht seien bei ihr andere Massstäbe anzulegen als bei der
Verfasserin des Leserbriefs. Das Mass ihrer Sorgfalt müsse im Hinblick
auf die besondere Funktion der Leserbriefseite beurteilt werden. Die
Redaktion dürfe bei der Auswahl der Leserbriefe davon ausgehen, dass der
Autor der Rubrik "Der Standpunkt" sich bewusst dem kritischen Gespräch
stelle und bis zu einem erheblichen Masse den Grundsatz "volenti non
fit iniuria" gegen sich gelten lasse. Die Schwelle für die Annahme
einer objektiven Persönlichkeitsverletzung sei demnach erheblich höher,
als wenn die Redaktion selbst zu einem kontroversen Standpunkt Stellung
beziehe. Bei Berücksichtigung dieser Umstände müsse im vorliegenden Fall
eine Sorgfaltspflichtverletzung der Redaktion verneint werden.

    Ob die Beklagte ihre Sorgfaltspflicht verletzt hat oder nicht,
ist indessen ohne Belang, da der Beseitigungsanspruch, um den es
hier allein geht, ein Verschulden des Störers nicht voraussetzt (BGE
104 II 2, 103 II 166/167, 91 II 406/407). Es genügt, dass sie einen
persönlichkeitsverletzenden Leserbrief publiziert hat. Im übrigen
war im vorliegenden Fall der beleidigende Charakter des Leserbriefs
für die Redaktoren ohne weiteres erkennbar. Diese hätten deshalb, wie
die Vorinstanz zutreffend ausführt, von der Veröffentlichung Abstand
nehmen oder nach Rücksprache mit der Verfasserin entsprechende Kürzungen
vornehmen müssen.

    Wohl musste der Kläger nach dem Erscheinen seines Artikels mit heftigen
Reaktionen und harten sachlichen Auseinandersetzungen rechnen. Daraus kann
indessen nicht abgeleitet werden, er sei auch mit persönlichen Anfeindungen
und Verunglimpfungen einverstanden gewesen. Die Berufung auf den Grundsatz
"volenti non fit iniuria" geht deshalb fehl.

    Die Behauptung, mit der Nennung des Verfassers und dem Hinweis darauf,
dass die Redaktion keine Verantwortung für den Inhalt der publizierten
Leserbriefe übernehme, habe sich die Beklagte zum vornherein der Klage
entzogen, ist unhaltbar. Träfe sie zu, könnte jede Redaktion unter dem
Deckmantel von Leserbriefen mit fingierten oder zum Beispiel im fernen
Ausland wohnenden Verfassern schwerste Ehrverletzungen publizieren, ohne
dass sich der Verletzte dagegen wirksam zur Wehr setzen könnte. Derartiges
kann der Gesetzgeber nicht gewollt haben und wurde auch in dem von der
Beklagten zitierten BGE 91 II 407 nicht ausgeführt.

    Der Beklagten mag zugestanden werden, dass eine Redaktion die
Leserbriefe als Mittel für einen spontanen und unverfälschten Dialog
verwenden darf - dies jedoch nur im Rahmen der Rechtsordnung, welche
widerrechtliche Verletzungen der persönlichen Verhältnisse verbietet. Im
vorliegenden Fall wurde dieser Rahmen überschritten. Die Beklagte hat
somit für die Verbreitung der verletzenden Äusserungen des Leserbriefs
und deren Folgen einzustehen.

Erwägung 4

    4.- a) Wurde das Ansehen des Klägers durch die Veröffentlichung des
Leserbriefs beeinträchtigt, so hat die Vorinstanz mit Recht auch seinen
Berichtigungsanspruch bejaht, denn wo eine unrichtige Vorstellung oder ein
falsches Gedankenbild bei einer unbekannten Zahl von Dritten nur durch
die Publikation einer Berichtigung in der Presse beseitigt werden kann,
umfasst der bundesrechtlich gewährleistete Beseitigungsanspruch auch den
Anspruch auf Publikation einer Berichtigung (BGE 104 II 2/3 mit Hinweisen).

    b) Die Beklagte wendet unter Berufung auf BGE 91 II 410 ein,
Voraussetzung für eine Berichtigung in der Presse sei die Feststellung
des Richters, dass eine Verletzung in den persönlichen Verhältnissen
vorliege. Sollte sie damit behaupten wollen, im vorliegenden Fall sei
diese Voraussetzung nicht erfüllt, wäre dieser Einwand unverständlich. Die
Vorinstanz hielt aufgrund des kantonalen Rechts für das Bundesgericht
verbindlich fest, dass im Rahmen des Befehlsverfahrens gemäss § 222 Ziff. 2
der zürcherischen Zivilprozessordnung ein Befehl zur Berichtigung erteilt
werden darf. Der kantonale Richter hat im Verfahren gegen die Beklagte
auch geprüft, ob der Kläger durch den von dieser verbreiteten Leserbrief in
seinen persönlichen Verhältnissen verletzt worden sei. Er hat diese Frage
bejaht und damit die von der Beklagten verlangte Feststellung getroffen. Im
übrigen geht es im vorliegenden Fall anders als in dem von der Beklagten
angerufenen Entscheid nicht um den Anspruch auf Veröffentlichung des
Urteils, der naturgemäss keine selbständige Bedeutung hat, sondern
einen zu veröffentlichenden Urteilsspruch, sei es eine Feststellung
oder ein Befehl, voraussetzt. Der Beklagten wird nicht befohlen, das
obergerichtliche Urteil zu publizieren, sondern sie hat eine bestimmte
Erklärung zu veröffentlichen, mit der die gegenüber dem Kläger erfolgte
Persönlichkeitsverletzung beseitigt werden soll. Hiezu bedarf es keiner
förmlichen Feststellung im Urteilsdispositiv.

    Der Beklagten kann sodann darin beigepflichtet werden, dass der
Anspruch des Klägers auf Beseitigung der Störung bzw. Wiedergutmachung sich
gegen den Störer bzw. Verletzer richten muss. Störer und Verletzer ist
aber im vorliegenden Fall neben Anna Zepf auch die Beklagte selbst. Der
Kläger kann deshalb auch von ihr die Beseitigung der Störung oder deren
Wiedergutmachung verlangen.

    Die Behauptung der Beklagten, der Kläger fordere keines der von der
Praxis für solche Fälle zur Verfügung gestellten Mittel, d.h. weder eine
Urteilsveröffentlichung noch einen redaktionellen Widerruf noch eine
Gegendarstellung, ist angesichts der gestellten klägerischen Begehren
unverständlich. Die von der Vorinstanz angeordnete Publikation widerspricht
entgegen der Meinung der Beklagten dem Bundesrecht nicht.

    Die Beklagte macht schliesslich geltend, durch den angefochtenen
Entscheid werde sie verpflichtet, mit Anna Zepf einen Insertionsvertrag
abzuschliessen, womit sie einem Kontrahierungszwang unterworfen werde;
es gebe jedoch keine Norm unseres Rechtssystems, die sie verpflichten
könnte, gegen ihren Willen, mit wem es auch sei, ins Inseratengeschäft
zu kommen. Auch dieser Einwand geht fehl. Wie die Vorinstanz zutreffend
bemerkte, hat die Beklagte die angeordnete redaktionelle Mitteilung in
erster Linie deshalb zu publizieren, weil sie durch die Veröffentlichung
des Leserbriefs das Persönlichkeitsrecht des Klägers ihrerseits
verletzte. Sie wird durch den angefochtenen Entscheid lediglich
verpflichtet, in ihrer Zeitung in bestimmter Weise eine redaktionelle
Erklärung abzudrucken. Zum Abschluss eines Insertionsvertrags mit Anna Zepf
wird sie indessen nicht angehalten. Sie hat dem vorinstanzlichen Befehl
nachzukommen, unabhängig davon, ob sie mit Anna Zepf einen solchen Vertrag
schliesse oder nicht. Der Abschluss eines derartigen Vertrags ist für
sie lediglich hinsichtlich der Kosten der Publikation von Bedeutung, über
welche in diesem Verfahren jedoch nicht zu entscheiden ist. Der Beklagten
steht es demnach frei, die redaktionelle Mitteilung anordnungsgemäss zu
veröffentlichen, ohne mit Anna Zepf darüber einen Vertrag abzuschliessen.

    c) Im übrigen sind Form und Inhalt der von der Vorinstanz zur
Veröffentlichung befohlenen "redaktionellen Mitteilung" nicht angefochten
und auch nicht zu beanstanden.

    Die Berufung ist daher abzuweisen.