Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 106 II 9



106 II 9

3. Urteil der II. Zivilabteilung vom 16. April 1980 i.S. L. (Berufung)
Regeste

    Adoption Mündiger.

    Begriff der Hausgemeinschaft im Sinne von Art. 266 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB.

Sachverhalt

    A.- Meinrad L., geb. 1915, Bürger von Leukerbad, und Oliva S.,
geb. 1924, gingen im Jahre 1949 die Ehe ein, aus der die Kinder Andreas
Fritz, geb. 14. März 1950, und Adelheid Antonia Heidi, geb. 13. Juli 1956,
hervorgegangen sind. Im Jahre 1966 starb die Ehefrau. Am 7. August 1969
heiratete Meinrad L. in zweiter Ehe Helene W., geb. 1926. Diese Ehe ist
kinderlos geblieben.

    B.- Am 10. März 1977 stellten die Eheleute L. das Gesuch um Adoption
von Andreas Fritz L. durch die Stiefmutter Helene L.-W. Das Gesuch
wurde von Andreas L. und dessen Schwester Heidi mitunterzeichnet. Die
Gesuchsteller räumten zwar ein, dass Andreas L. nicht während fünf
Jahren mit seiner Stiefmutter in Hausgemeinschaft gelebt hatte, wiesen
aber darauf hin, dass die wohl problemlose Adoption seiner Schwester
ebenfalls beabsichtigt sei und dass es dem Kindeswohl und der Harmonie
innerhalb der Familie widersprechen würde, wenn das eine Kind adoptiert
und das andere nicht adoptiert würde.

    Mit Entscheid vom 21. November 1979 wies der Staatsrat des Kantons
Wallis das Gesuch ab. Er stellte fest, Andreas L. habe meistens nur
während der Wochenenden bei seiner Stiefmutter gelebt; Wochenendaufenthalte
erfüllten jedoch die Bedingung der Hausgemeinschaft im Sinne von Art. 266
Abs. 1 Ziff. 3 ZGB nicht, auch wenn sie regelmässig seien.

    C.- Mit ihrer Berufung ans Bundesgericht halten Meinrad, Helene und
Andreas L. an ihrem Adoptionsgesuch fest.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

    Die Berufungskläger stützen ihr Adoptionsgesuch auf Art. 266 Abs. 1
Ziff. 3 ZGB. Nach dieser Bestimmung darf eine mündige Person adoptiert
werden, wenn andere wichtige Gründe als die in Ziff. 1 und 2 genannten
vorliegen und die zu adoptierende Person während wenigstens fünf Jahren
mit den Adoptiveltern in Hausgemeinschaft gelebt hat. Wie die Vorinstanz
feststellt, lebte Andreas L. "meistens" nur während der Wochenenden
bei seiner Stiefmutter. Wochenendaufenthalte erfüllen jedoch nach der
Rechtsprechung das Erfordernis der Hausgemeinschaft nicht (BGE 101 II
5-7). Die Berufungskläger treten indessen für eine extensive Auslegung
dieses Begriffes ein und weisen darauf hin, dass es Andreas L. nicht
möglich gewesen sei, seine Bauzeichnerlehre in Leukerbad zu absolvieren,
und dass er deshalb während der Woche ausserhalb seiner Familie habe
leben müssen. Die enge Verbindung mit dem Elternhaus habe jedoch weiter
bestanden.

    Nach den Angaben des Zivilstandsamtes des Kantons Wallis hat Andreas
L. von 1968 bis 1972 in Brig eine Bauzeichnerlehre absolviert. Vom
7. August 1972 bis zum 27. September 1973 war er in der Stadt Zürich und
vom 2. Oktober 1973 bis zu seiner Heirat am 19. September 1975 in Wädenswil
wohnhaft. Die Feststellung der Vorinstanz, Andreas L. habe meistens nur
während der Wochenenden bei seiner Pflegemutter gelebt, kann sich nun
bloss auf die Zeit von der zweiten Heirat des Vaters (7. August 1969) an
bis zum Wegzug von Andreas nach Zürich (7. August 1972) beziehen. Dieser
Zustand dauerte somit lediglich drei Jahre. Dass Andreas während seiner
Aufenthalte in Zürich und Wädenswil die Familie in Leukerbad an den
Wochenenden regelmässig besucht habe, wird von der Vorinstanz nicht
festgestellt, von den Berufungsklägern nicht behauptet und ist nach der
Lebenserfahrung auch nicht anzunehmen. Selbst wenn man also davon ausgehen
wollte, dass auch Wochenendaufenthalte unter bestimmten Voraussetzungen
die Bedingung der Hausgemeinschaft erfüllen könnten, würden sie sich im
vorliegenden Fall jedenfalls auf einen zu kurzen Zeitraum erstrecken. Von
einer fünfjährigen Hausgemeinschaft, wie sie das Gesetz verlangt, kann
deshalb klarerweise nicht gesprochen werden. Abgesehen davon stellt
der Umstand, das sowohl die Adoptivmutter als auch die beiden Kinder
die Adoption wünschen und dass die Gefahr besteht, dass nur die Tochter
adoptiert werden könnte, noch keinen wichtigen Grund im Sinne von Art.
266 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB dar. Die Vorinstanz hat das Adoptionsgesuch daher
ohne Zweifel zu Recht abgewiesen.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird abgewiesen und die Verfügung des Staatsrates des
Kantons Wallis vom 21. November 1979 bestätigt.