Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 106 II 320



106 II 320

62. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 30. Oktober 1980
i.S. L. AG gegen S. AG (Berufung) Regeste

    Eigentumsvorbehalt; Ort der Eintragung.

    Der Eigentumsvorbehalt muss am Wohnsitz des Erwerbers ins
Eigentumsvorbehaltsregister eingetragen werden. Ist der Erwerber eine
Aktiengesellschaft, ist der Eigentumsvorbehalt an ihrem statutarischen
und im Handelsregister aufgeführten Sitz einzutragen. Dies gilt auch,
wenn sich die effektive Geschäftstätigkeit der Gesellschaft an einem
andern Ort als an ihrem Hauptsitz abspielt.

Sachverhalt

    A.- Mit Vertrag vom 25. Juli 1973 verkaufte M. T. der L. AG, deren
Adresse im Vertrag in Chur angegeben wurde, einen Lastwagen. Die
S. AG, die das Geschäft finanzierte, liess sich vom Verkäufer
alle Rechte aus dem Vertrag mit Einschluss des darin vereinbarten
Eigentumsvorbehaltes abtreten. Am 27. August 1973 liess sie die Zession und
den Eigentumsvorbehalt im Eigentumsvorbehaltsregister des Betreibungsamtes
Chur eintragen. Die L. AG hatte gemäss Handelsregistereintrag ihren
Hauptsitz in Rhäzüns und eine Zweigniederlassung in Chur.

    Am 11. Februar 1975 bewilligte der Kreisgerichtsausschuss Rhäzüns
der L. AG eine Nachlassstundung, und mit Entscheid vom 27. August 1975
genehmigte er den vom Sachwalter vorgeschlagenen Nachlassvertrag mit
Vermögensabtretung. Als Liquidator wurde Dr. M. eingesetzt, der während
der Stundung als Sachwalter geamtet hatte.

    Die S. AG hatte im Nachlassverfahren eine Restkaufpreisforderung für
den Lastwagen von Fr. 73'725.-- angemeldet. Der Sachwalter, der den Wert
des Lastwagens auf Fr. 90'000.-- schätzte, behandelte diese Forderung im
Stundungsverfahren als durch den Eigentumsvorbehalt gedeckt. Demzufolge
betrachtete er die S. AG als nicht stimmberechtigt bei der Ermittlung
des für die Annahme des Nachlassvertrages erforderlichen Quorums. Nach
dem Zustandekommen des Nachlassvertrages gelang es der S. AG, den
Lastwagen in Besitz zu nehmen. In der Folge belangte sie den Liquidator
vor Bezirksgericht Plessur auf Schadenersatz wegen Wertverminderung
des Lastwagens.

    In einer Verfügung vom 3. Mai 1978 stellte sich der Liquidator der
L. AG auf den Standpunkt, der Eigentumsvorbehalt sei rechtsunwirksam,
weil er am unrichtigen Ort, nämlich in Chur statt in Rhäzüns, ins
Eigentumsvorbehaltsregister eingetragen worden sei. Er forderte demgemäss
die S. AG auf, den Lastwagen unverzüglich der Nachlassmasse der L. AG zur
Verfügung zu stellen, und nahm in Aussicht, die Restkaufpreisforderung
in der 5. Klasse zu kollozieren. Am 11. Mai 1978 setzte er der S. AG
gestützt auf Art. 242 Abs. 2 SchKG eine Frist von zehn Tagen an, um
durch Aussonderungsklage das von ihr behauptete Eigentum am umstrittenen
Fahrzeug feststellen zu lassen.

    B.- Mit fristgemäss zur Vermittlung angemeldeter und in der Folge an
das Bezirksgericht Imboden prosequierter Klage beantragte die S. AG, es
sei die Gültigkeit des Eigentumsvorbehaltes gerichtlich festzustellen. Im
Laufe des Verfahrens einigten sich die Parteien am 11. Juli 1978 dahin,
den Lastwagen zu verkaufen und den Nettoerlös zu hinterlegen. Dieser
belief sich auf Fr. 35'000.40 und wurde bei der Graubündner Kantonalbank
in Chur angelegt.

    Das Bezirksgericht Imboden erachtete den Eigentumsvorbehalt als nicht
gültig zustandegekommen und wies die Klage demgemäss am 2. März 1979 ab.

    C.- Eine von der Klägerin gegen das erstinstanzliche Urteil
eingereichte Berufung wurde vom Kantonsgericht von Graubünden am
4. Dezember 1979 geschützt; die Klage wurde gutgeheissen, und es wurde
gerichtlich festgestellt, dass der Nettoerlös aus dem Verkauf des
Lastwagens von Fr. 35'000.40 zuzüglich Zins Eigentum der Klägerin und
dieser freizugeben sei. Das Kantonsgericht teilte zwar die Auffassung
des Bezirksgerichtes, wonach der Eigentumsvorbehalt zu seiner Gültigkeit
der Eintragung im Eigentumsvorbehaltsregister des Kreises Rhäzüns bedurft
hätte; es erachtete indessen die Berufung der Beklagten auf diesen Mangel
als rechtsmissbräuchlich im Sinne von Art. 2 Abs. 2 ZGB.

    D.- Mit rechtzeitig eingereichter Berufung beantragt die Beklagte
dem Bundesgericht, das kantonsgerichtliche Urteil sei aufzuheben, die
Klage sei abzuweisen und es sei demzufolge gerichtlich festzustellen,
dass der bei der Graubündner Kantonalbank in Chur liegende Betrag von
Fr. 35'000.40 der Beklagten freizugeben sei.

    Die Klägerin schliesst auf Abweisung der Berufung und Bestätigung
des angefochtenen Urteils.

    Das Bundesgericht heisst die Berufung gut.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (BGE 93 III 101, 45 II
272 und 42 II 14) ist ein Eigentumsvorbehalt nur dann wirksam, wenn er am
Hauptsitz des Erwerbers im Eigentumsvorbehaltsregister eingetragen ist.
Ein Eintrag an einem Ort, wo die Firma eine Zweigniederlassung betreibt,
ist unwirksam, sofern sich der Hauptsitz der Firma in der Schweiz
befindet. Während die Beklagte das angefochtene Urteil in dieser Hinsicht
als richtig anerkennt, vertritt die Klägerin in der Berufungsantwort den
Standpunkt, im vorliegenden Falle müsse der Eintrag in Chur, am Orte
der Zweigniederlassung der Firma L. AG, als gültig erachtet werden,
weil der Hauptsitz in Rhäzüns nur fiktiven Charakter gehabt habe. Bevor
auf diese Frage eingegangen wird, ist zu prüfen, ob das vorinstanzliche
Urteil insoweit vor dem Bundesrecht standhält, als es den Rechtsstandpunkt
der Klägerin gestützt auf Art. 2 ZGB geschützt hat.

Erwägung 3

    3.- Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Liquidators erblickt
das Kantonsgericht darin, dass dieser den Eigentumsvorbehalt vorerst
im Stundungsverfahren in seiner Eigenschaft als Sachwalter als gültig
betrachtet und sich erst nahezu drei Jahre später als Liquidator auf
den Standpunkt gestellt habe, es liege kein gültig zustandegekommener
Eigentumsvorbehalt vor. Damit wirft das Kantonsgericht dem Liquidator
einerseits widersprüchliches Verhalten, andererseits allzulanges Zuwarten
mit der Geltendmachung eines Rechtsanspruches vor. In beiden Fällen handelt
es sich grundsätzlich um ein Vorgehen, das von der Lehre und Rechtsprechung
geradezu als Beispiel für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten angeführt
worden ist (MERZ, N. 58 zu Art. 2 ZGB). Indessen bedarf es bei beiden
Verhaltensweisen besonderer Umstände, damit der Berufung auf einen an
sich zutreffenden Rechtsstandpunkt der Schutz verwehrt wird:

    a) Es gibt keinen allgemeingültigen Grundsatz der Gebundenheit an
früheres eigenes Handeln. Vielmehr ist es im Prinzip jedermann gestattet,
sein Verhalten und seine Meinung aufgrund besserer Belehrung im Laufe
der Zeit zu ändern. Ein von der Rechtsordnung verpöntes venire contra
factum proprium liegt erst dann vor, wenn durch das frühere Verhalten
bei einem Partner ein schutzwürdiges Vertrauen begründet worden ist,
das diesen zu Handlungen veranlasst hat, die ihm nunmehr, angesichts der
neuen Situation, zum Schaden gereichen (vgl. dazu MERZ, N. 401 ff. und
431 ff., bes. 432 mit Zitaten, zu Art. 2 ZGB; DESCHENAUX, Schweizerisches
Privatrecht, Bd. II S. 182 ff. der deutschen Ausgabe). Dass die Klägerin
in der Zeit zwischen der am 27. August 1975 erfolgten Genehmigung des
Nachlassvertrages und der Verfügung des Liquidators vom 3. Mai 1978
derartige Dispositionen getroffen hätte, stellt das Kantonsgericht nicht
fest. Sie befände sich vielmehr in der genau gleichen Situation, wenn
die Gültigkeit des Eigentumsvorbehaltes bereits im August 1975 bestritten
worden wäre. Ein konkreter Nachteil ist ihr somit aus dem Umstand, dass
der Liquidator seinen Rechtsstandpunkt geändert hat, nicht erwachsen.

    b) Ähnliches gilt mit Bezug auf den Vorwurf, der Liquidator habe
mit der Berufung auf die Ungültigkeit des Eigentumsvorbehaltes zu
lange zugewartet. Auch die Verzögerung in der Geltendmachung eines
Rechtsanspruches ist nur dann rechtsmissbräuchlich, wenn aus dem
Stillschweigen entweder mit Sicherheit auf einen Verzicht geschlossen
werden darf oder aber wenn aus der Verzögerung dem Partner Nachteile
erwachsen (BGE 95 II 116, 94 II 42; MERZ, N. 512 ff. und 529 a.E. zu
Art. 2 ZGB). Auch davon kann im vorliegenden Falle nicht gesprochen
werden. Solange im Liquidationsverfahren der Kollokationsplan nicht
erstellt ist, müssen sämtliche Gläubiger damit rechnen, dass die von
ihnen eingegebenen Forderungen der Höhe oder dem Rang nach oder dass die
dafür geltend gemachten Sicherheiten bestritten werden. Der Liquidator
bleibt zudem auch während des ganzen Verfahrens verpflichtet, Aktiven
oder Rechtsansprüche der Masse, die er neu entdeckt, für die Gesamtheit
der Gläubiger geltend zu machen. Aus welchen Umständen ein konkludenter
Verzicht, sich auf die Ungültigkeit des Eigentumsvorbehaltes zu berufen,
abgeleitet werden könnte, ist nicht einzusehen.

Erwägung 4

    4.- Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Rechtsmissbrauch vorliege,
darf im vorliegenden Falle auch nicht ausser acht gelassen werden,
dass der Sachwalter und spätere Liquidator nicht die Interessen der
L. AG, sondern jene der Gesamtheit der Gläubiger wahrzunehmen hat. Hätte
sich die L. AG auf die Ungültigkeit des Eigentumsvorbehaltes berufen,
nachdem Fridolin L. in ihrem Namen den Kaufvertrag abgeschlossen und darin
den Firmensitz unrichtig angegeben hatte, so könnte man sich allenfalls
fragen, ob ihr ein rechtsmissbräuchliches Verhalten zur Last gelegt werden
müsste. Gegenüber dem Liquidator und der Gesamtheit der Gläubiger lässt
sich indessen ein solcher Vorwurf nicht begründen. Das Kantonsgericht
führt dazu allerdings noch aus, vermutlich habe der Liquidator durch
die nachträgliche Berufung auf die Ungültigkeit des Eigentumsvorbehaltes
der gegen ihn eingereichten Schadenersatzklage die Grundlage entziehen
wollen. Auch diese Argumentation verfängt indessen nicht. Selbst wenn der
Liquidator mit seinem Verhalten diese Nebenwirkung hätte erzielen können,
hätte ihn das nicht von der Pflicht entbunden, die Rechte der Gläubiger zu
wahren. In Wirklichkeit aber konnte er sich mit seinem Verhalten seiner
Schadenersatzpflicht gar nicht entziehen. Wenn er durch Nachlässigkeit
eine Wertverminderung des Lastwagens verursacht haben sollte, so haftet
er den Gläubigern dafür gemäss Art. 316 f. SchKG unabhängig davon, ob
der Eigentumsvorbehalt gültig ist oder nicht. Falls die Gesamtheit der
Gläubiger nicht gewillt ist, derartige Schadenersatzansprüche geltend zu
machen, können sich einzelne Gläubiger und damit auch die Klägerin das
Recht zur Prozessführung im Sinne von Art. 260 SchKG abtreten lassen und
den Anspruch auf eigene Rechnung geltend machen.

Erwägung 5

    5.- Was im kantonsgerichtlichen Urteil weiter für die Annahme eines
Rechtsmissbrauches vorgebracht wird, vermag das angefochtene Urteil
ebenfalls nicht zu stützen:

    a) Mit seinen Ausführungen, die Beklagte habe ihre gesamte
Geschäftstätigkeit in Chur entfaltet und Rhäzüns lediglich aus
bierkartellrechtlichen Überlegungen als Hauptsitz der Firma bezeichnet,
will das Kantonsgericht im Grunde genommen dartun, der Geschäftssitz
der Gesellschaft habe nicht mit den tatsächlichen Verhältnissen
übereingestimmt. Daraus lässt sich indessen nichts zugunsten des
klägerischen Standpunktes ableiten. Der Sitz einer Aktiengesellschaft
befindet sich stets an dem in den Statuten angegebenen und im
Handelsregister eingetragenen Ort, unabhängig davon, ob die Gesellschaft
an diesem Ort tatsächlich eine Geschäftstätigkeit ausübt (BGE 56 I 374,
vgl. auch 94 I 566; F. von STEIGER, Das Recht der Aktiengesellschaft
in der Schweiz, 4. Aufl., S. 44/45; SIEGWART, N. 21 zu Art. 626 OR).
Stimmt der statutarische und im Handelsregister eingetragene Sitz einer
Aktiengesellschaft nicht mit dem Ort der effektiven Geschäftstätigkeit
überein, so kann das allenfalls dazu führen, dass ein bloss fiktiver
Sitz nicht als Steuerdomizil anerkannt wird (SIEGWART, N. 31 zu Art. 626
OR) oder dass die Gesellschaft unter Umständen dazu verhalten werden
kann, den statutarischen Sitz und den Handelsregistereintrag mit den
tatsächlichen Verhältnissen in Übereinstimmung zu bringen (BGE 45
II 273 unten). Als Gerichtsstand und Betreibungsort und damit auch
als Ort für die Eintragung eines Eigentumsvorbehaltes hat aber stets
der im Handelsregister eingetragene Sitz zu gelten (SIEGWART, N. 30 zu
Art. 626 OR). Von diesem Grundsatz, der im Interesse der Rechtssicherheit
und der leichten Erkennbarkeit gilt, kann auch in einem Falle wie dem
vorliegenden nicht abgewichen werden, wo offenbar auch das Betreibungsamt
und der Konkursrichter von Chur durch das Verhalten der Beklagten in
die irrtümliche Meinung versetzt worden sind, die Gesellschaft habe
ihren Sitz in Chur. Dem Interesse der Gläubiger, die sich auf diesen
äusseren Anschein verlassen haben, steht das gewichtigere Interesse
jener Gläubiger gegenüber, die vorsichtig genug waren, sich durch
Einsicht ins Handelsregister über den wirklichen Sitz der Gesellschaft
zu orientieren. Auch in dieser Beziehung könnte das Verhalten der L. AG
bestenfalls dazu führen, dass diese selbst sich nach Treu und Glauben
nicht auf den Handelsregistereintrag berufen könnte. Der Liquidator
und die Gesamtheit der Gläubiger im Liquidationsverfahren hingegen
machen sich keiner unredlichen Handlungsweise schuldig, wenn sie diesen
Rechtsstandpunkt einnehmen.

    b) Dass Dr. M. im Stundungsverfahren als Sachwalter den
Eigentumsvorbehalt als gültig betrachtet hatte, hinderte ihn nach
dem Ausgeführten nicht daran, später einen abweichenden Standpunkt
einzunehmen, nachdem er den Ungültigkeitsgrund entdeckt hatte, da
der Klägerin daraus, wie dargelegt, kein konkreter Nachteil erwachsen
ist. Auch wenn das der Fall wäre, könnte das Verhalten des Dr. M. nur
dann als rechtsmissbräuchlich betrachtet werden, wenn es sich nicht
durch sachliche Gründe rechtfertigen liesse. Nun ist es aber durchaus
glaubwürdig und denkbar, dass Dr. M. erst bei der Durchführung des
Liquidationsverfahrens auf die Tatsache stiess, dass der Eigentumsvorbehalt
in Chur statt in Rhäzüns eingetragen war und dass dieser Umstand seiner
Gültigkeit entgegenstand. Das ist umso wahrscheinlicher, als auch das
Betreibungsamt und der Konkursrichter von Chur dem Irrtum unterlagen,
Chur sei Sitz und damit Betreibungsstand der Firma L. AG. Unter diesen
Umständen ist es aber auch nicht zu beanstanden, dass sich Dr. M. vorerst
als Sachwalter und später als Liquidator in einer Weise verhielt, aus der
geschlossen werden konnte, er betrachte den Eigentumsvorbehalt als gültig.

    c) Richtig ist, dass die Frage der Gültigkeit des Eigentumsvorbehaltes
nicht im Zusammenhang mit der Kollokation der Forderung, sondern im
Rahmen der Feststellung der Aktivmasse zu beantworten war (FRITZSCHE,
Schuldbetreibung und Konkurs, 2. Aufl., Bd. II S. 136 f.). Immerhin
kann es auch in dieser Hinsicht dem Liquidator nicht allzusehr verargt
werden, wenn er erst bei der Aufstellung des Kollokationsplans auf diese
Frage stiess. Einerseits kommt ja dem Eigentumsvorbehalt wirtschaftlich
weitgehend die Funktion eines Pfandrechtes zu, und andererseits stellte
sich in der Tat im Kollokationsverfahren die Frage, ob die Forderung
der Klägerin in vollem Umfang in die 5. Klasse aufzunehmen sei oder ob
vorher abgeklärt werden müsse, ob und wieweit sie aus der Berufung auf
den Eigentumsvorbehalt Deckung erhalten werde.

    d) Dem Kantonsgericht ist zwar darin zuzustimmen, dass der Liquidator
sehr lange mit dem Entscheid über die Gültigkeit des Eigentumsvorbehaltes
zuwartete. Da der Klägerin indessen aus diesem Zuwarten kein Nachteil
entstanden ist, kann auch daraus kein rechtsmissbräuchliches Verhalten
abgeleitet werden.

    e) Kann dem Liquidator die Berufung auf die Ungültigkeit des
Eigentumsvorbehaltes nicht verwehrt werden, so kommt nichts mehr darauf an,
ob auch der Gläubigerausschuss von dieser Ungültigkeit Kenntnis gehabt
habe und sich ebenfalls auf sie berufen wolle. Dem Gläubigerausschuss
könnte sein Zögern aus den gleichen Gründen nicht als Verstoss gegen Treu
und Glauben ausgelegt werden.

Erwägung 6

    6.- Die weiteren Argumente, die die Klägerin in ihrer Berufungsantwort
vorträgt, führen zu keinem anderen Ergebnis:

    a) Mit Recht bezeichnet zwar die Klägerin die in der Berufung
aufgestellte Behauptung, die Nachlassschuldnerin habe das Fahrzeug
bis Ende März 1977 im Einverständnis der Klägerin weiterbenützt,
als aktenwidrig. Diese Behauptung findet in der Tat weder im
kantonsgerichtlichen Urteil noch in den Akten eine Stütze; sie erscheint
vielmehr als höchst unwahrscheinlich. Indessen spielt es für die Frage
des Rechtsmissbrauchs keine Rolle, ob die Klägerin mit der Weiterbenützung
des Fahrzeuges einverstanden gewesen sei oder nicht.

    b) Ebensowenig ist unter diesem Gesichtspunkt die Frage von Bedeutung,
ob Dr. M. als Sachwalter und als Liquidator seine Pflichten vernachlässigt
und dadurch eine Wertverminderung des Lastwagens verursacht habe. Damit
hat er sich allenfalls schadenersatzpflichtig gemacht; inwiefern er durch
ein derartiges Verhalten das Recht verwirkt haben sollte, sich auf die
Ungültigkeit des Eigentumsvorbehaltes zu berufen, ist nicht einzusehen.

    c) Die Einwände der Klägerin, der Sachwalter habe den
Eigentumsvorbehalt vorerst anerkannt und ihn nachher lediglich bestritten,
um der gegen ihn erhobenen Schadenersatzklage die Grundlage zu entziehen,
sind in der vorstehenden Erwägung widerlegt worden. Ebenso wurde
bereits darauf hingewiesen, dass der Eigentumsvorbehalt gültig nur am
statutarischen und durch das Handelsregister ausgewiesenen Sitz Rhäzüns
der L. AG im Eigentumsvorbehaltsregister eingetragen werden konnte,
und zwar auch dann, wenn man annehmen wollte, dieser Sitz Rhäzüns
habe bloss fiktiven Charakter gehabt und alle Geschäftstätigkeit
habe sich in Chur abgespielt. Die diesbezüglichen Ausführungen der
Klägerin sind daher nicht zu hören. Übrigens figurierte entgegen der
in der Berufungsantwort aufgestellten Behauptung nach der verbindlichen
Feststellung des Kantonsgerichtes im Briefpapier der L. AG Rhäzüns neben
Chur als Ortsbezeichnung. Auf jeden Fall aber hätte sich die Klägerin bei
Anwendung der zumutbaren Sorgfalt darüber vergewissern müssen, welches
der im Handelsregister eingetragene Sitz ihrer Vertragspartnerin sei.
Daran vermag auch die Tatsache nichts zu ändern, dass das Betreibungsamt
Chur, obwohl es hiezu örtlich nicht zuständig war, den Eigentumsvorbehalt
im Register eingetragen sowie der Firma L. AG Zahlungsbefehle und
Konkursandrohungen zugestellt hat. Kreditgeber und Vertragspartner der
L. AG, die ihrer Sorgfaltspflicht genügten, erkundigten sich eben nicht in
Chur, sondern an dem im Handelsregister eingetragenen Sitz Rhäzüns nach
dem Bestehen allfälliger Eintragungen im Eigentumsvorbehaltsregister.
Daraus lässt sich somit eine Gültigkeit der Eintragung in Chur nicht
ableiten.