Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 106 II 166



106 II 166

32. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 29. Juli 1980 i.S.
Transplan AG gegen Jürg Elmiger (Berufung) Regeste

    Art. 18 BMM.

    Die Begründungspflicht gemäss Art. 18 Abs. 1 BMM ist Teil der
Willenserklärung auf Mietzinserhöhung, und der Vermieter muss sie so gegen
sich gelten lassen, wie der Mieter sie in guten Treuen verstehen kann.

Sachverhalt

    A.- Jürg Elmiger ist seit 1. August 1972 Mieter einer Wohnung im Hause
der Transplan AG an der Buchzelgstrasse 64 in Zürich. Der Nettomietzins
betrug vorerst Fr. 563.-- pro Monat und wurde per 1. Oktober 1973 infolge
Anpassung an die ortsüblichen Mietzinse inkl. Kostensteigerung auf Fr.
608.-- erhöht. Auf den 1. Oktober 1974 wurde der monatliche Zins wegen
Erhöhung der Hypothekarzinsen, Kaufkraftsicherung des risikotragenden
Kapitals und Betriebskostensteigerung auf Fr. 675.-- und per 1. Oktober
1975 mit der Begründung "Kaufkraftsicherung des risikotragenden Kapitals,
Betriebs- und Unterhaltskostensteigerung, Erzielung eines angemessenen
Ertrags" auf Fr. 705.-- hinaufgesetzt.

    B.- Im September 1978 gelangte der Mieter an die Schlichtungsstelle,
da er den Mietzins infolge gesunkener Hypothekarzinsen als übersetzt
betrachtete. Weil es nicht zu einer Einigung kam, beantragte er beim
Mietgericht des Bezirkes Zürich eine Herabsetzung des Mietzinses. Dieses
hiess in Anwendung von Art. 19 BMM die Klage gut und reduzierte den
zulässigen Nettomietzins für die vom Kläger gemietete Wohnung ab 1. Oktober
1978 auf Fr. 615.-- monatlich.

    Auf Rekurs der Beklagten bestätigte das Obergericht des Kantons Zürich
am 31. Januar 1980 das erstinstanzliche Urteil.

    Die von der Beklagten erhobene Berufung weist das Bundesgericht ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Das Obergericht hält fest, die Beklagte sei mit der
Mietzinserhöhung per 1. Oktober 1975 auf einen angemessenen Ertrag
gekommen. Da seither die Hypothekarzinsen von 6 auf 4 1/2% gesunken seien,
was einer Kostenersparnis von 20% entspreche, sei der bisherige Ertrag
unangemessen. Dem stünden allerdings Kostensteigerungen im Ausmass von
fünf Mietprozenten gegenüber, so dass die Mietzinsreduktion von Fr. 90.--
im Monat angebracht sei.

    Streitig ist weder die festgestellte Hypothekarzinssenkung noch die
Kostensteigerung seit der letzten Mietzinserhöhung, sondern allein, ob
die Vorinstanz den per 1. Oktober 1975 auf Fr. 705.-- erhöhten Mietzins
als angemessenen Ertrag ihrem Entscheid zugrunde legen durfte oder ob sie,
wie die Beklagte meint, durch Überprüfung der Berechnungsfaktoren auf zehn
Jahre zurück den per 1. Oktober 1978 angemessenen Ertrag hätte ermitteln
müssen. Mit der Berufung wird darüber Beweisabnahme, insbesondere durch
Expertise, verlangt.

Erwägung 3

    3.- Die Vorinstanz geht zutreffend davon aus, dass auch in einem
solchen Herabsetzungsverfahren die Art. 14 und 15 BMM anwendbar sind und
dass dem Reduktionsanspruch des Mieters die vom Vermieter geltendgemachten
und belegten Erhöhungsgründe verrechnungsweise entgegenzuhalten sind. Dabei
übernimmt sie die von GMÜR/CAVIEZEL (Mietrecht-Mieterschutz, 2. Aufl.,
1979, S. 99) vertretene Ansicht, dass der Mieter sich nach Art. 19 BMM nur
auf Änderungen der Bemessungsgrundlage seit der letzten Mietzinsfestsetzung
berufen könne, was auch für die verrechneten Kostensteigerungen des
Vermieters gelte. Die Vorinstanz gesteht diesem ferner den Nachweis zu,
dass er früher die Erhöhungsmöglichkeiten nicht voll ausgeschöpft habe,
der Mietzins also trotz Kostensenkungen nicht übersetzt sei. Entsprechend
beschränkt sie sich nicht auf die Prüfung der Kostenentwicklung seit dem 1.
Oktober 1975, sondern bezieht die Angemessenheit des erzielten Ertrags
in die Prüfung ein.

Erwägung 4

    4.- Das Obergericht behaftet die Beklagte dabei, dass sie die
Mietzinserhöhung auf den 1. Oktober 1975 u.a. mit "Erzielung eines
angemessenen Ertrages" begründete. Die Begründungspflicht des Vermieters
solle dem Mieter ermöglichen, die Berechtigung der Mietzinserhöhung
zu überprüfen und sich über die Anfechtung schlüssig zu werden. Bei
Annahme der Erhöhung werde die Begründung Vertragsinhalt und bedürfe der
Auslegung nach dem Vertrauensgrundsatz. So betrachtet könne die betreffende
Begründung nur dahin verstanden werden, dass die Beklagte mit der Erhöhung
auf einen angemessenen Ertrag komme, zumal sie angesichts der früheren
Erhöhung mit den übrigen Argumenten kaum durchgedrungen wäre.

    a) Nach Meinung der Beklagten kann die stichwortartige Begründung im
vorgeschriebenen Formular nicht in dieser Weise verstanden werden. Sie
habe damit nicht zum Ausdruck gebracht, dass sie bis an die Grenze des
unangemessenen Ertrags gehen wolle. Diese Begründung sei überhaupt keine
rechtsgeschäftliche Willenserklärung, die einer Auslegung zugänglich wäre.

    Letzteres geht ebenso wie die Berufung auf BGE 95 II 247 von
vornherein fehl. Die Begründungspflicht gemäss Art. 18 Abs. 1 BMM ist
Teil der Willenserklärung auf Mietzinserhöhung, und der Vermieter muss sie
so gegen sich gelten lassen, wie der Mieter sie in guten Treuen verstehen
kann. Das frei nachzuprüfen steht dem Bundesgericht im Berufungsverfahren
zu (BGE 99 II 285 E. 2, 96 II 33 mit Hinweisen). Die Überprüfung kann
indes nur zum gleichen Resultat führen, zu dem auch die Vorinstanz gelangt
ist. Der Kläger durfte davon ausgehen, dass mit der auf den 1. Oktober
1975 akzeptierten Mietzinserhöhung ein angemessener Ertrag erreicht sei.

    b) Zu Unrecht spricht die Beklagte einem Mieter das schutzwürdige
Interesse daran ab zu erfahren, ob der Vermieter das Maximum oder nur
einen Teil dessen fordere, was der Mieter zur Zeit hinnehmen müsse. Ein
solches Interesse besteht in einem gewissen Umfang schon in bezug auf
allfällige weitere Erhöhungen. Es liegt aber - wie der vorliegende Fall
deutlich macht - gerade im Hinblick auf ein späteres Herabsetzungsbegehren
auf der Hand. Für dieses ist nach Art. 19 BMM eine Veränderung der
Berechnungsgrundlagen erforderlich, weshalb ein Vergleich mit der letzten
Mietzinsfestsetzung unerlässlich ist. Wird dem Vermieter überdies das
Recht zugestanden, bei diesem Anlass Kompensation mit früher nicht voll
ausgeschöpften Erhöhungsmöglichkeiten geltend zu machen, wie das die
Beklagte für sich beansprucht, so ist der Mieter schon bei Erhöhungen
daran interessiert zu erfahren, ob solche stillen Reserven bestehen.

    Einzuräumen ist freilich, dass dem Mieter mit einer vorgedruckten,
formelhaften Begründung, die gleichzeitig Kaufkraftsicherung des
risikotragenden Kapitals, Betriebs- und Unterhaltskostensteigerung
und Erzielung eines angemessenen Ertrages nennt und keinerlei konkrete
Angaben macht, herzlich wenig gedient ist. Dies entspricht kaum dem Sinn
der Begründungspflicht, die dem Mieter den Entscheid über die Anfechtung
ermöglichen soll (BBl. 1972 I S. 1243 zu Art. 18 BMM). Das ändert jedoch
nichts daran, dass die Beklagte sich bei ihren Formeln behaften lassen
muss, wie sie in guten Treuen verstanden werden dürfen.

    c) Bei dieser Rechtslage ist die Feststellung der Vorinstanz
nicht zu beanstanden, dass ein monatlicher Mietzins von Fr. 705.--
per 1. Oktober 1975 einen angemessenen Ertrag ergab und dieser seither
unter Berücksichtigung der beträchtlichen Senkung des Hypothekarzinses
unangemessen wurde. Das muss zur Bestätigung des angefochtenen Urteils
führen, ohne dass zu prüfen wäre, ob die Beklagte per 1. Oktober 1975
alle Erhöhungsmöglichkeiten ausgeschöpft hatte. Unter diesen Umständen
kann auch offenbleiben, ob die Beklagte, wenn sie bei der 1975 gegebenen
Begründung nicht oder nicht im genannten Sinn behaftet werden könnte, mit
dem Nachweis eines angemessenen Ertrages der Anpassung an die veränderten
Berechnungsgrundlagen zu entgehen vermöchte.