Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 106 II 155



106 II 155

29. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 7. Juli 1980
i.S. G. und S. gegen Personalfürsorgestiftung der T. AG, Bezirksrat Zürich
und Regierungsrat des Kantons Zürich (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste

    Personalfürsorgestiftungen.

    Verrechenbarkeit von Verantwortlichkeitsansprüchen der Stiftung gegen
ein Mitglied des Stiftungsrats mit dessen Ansprüchen als Destinatär.

Sachverhalt

    A.- Im Rahmen der Liquidation der Personalfürsorgestiftung der T. AG
erstellte der Stiftungsrat am 6. August 1979 einen Plan für die Verteilung
des Stiftungsvermögens an die Destinatäre, der vom Bezirksrat Zürich am
6. September 1979 genehmigt wurde. Dieser Plan schloss G. und S. von der
Verteilung aus. Mit Entscheid vom 6. Februar 1980 wies der Regierungsrat
des Kantons Zürich einen Rekurs dieser beiden Destinatäre ab. Es hielt die
Stiftung für berechtigt, ihre Verantwortlichkeitsansprüche gegenüber S. als
ehemaligem Mitglied des Stiftungsrats mit dessen Destinatärsansprüchen
zu verrechnen.

    Das Bundesgericht weist die von G. und S. gegen den Entscheid des
Regierungsrats erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 6

    6.- Bezüglich des Beschwerdeführers 2, dessen Destinatäreigenschaft
unbestritten ist, stellt sich zunächst die grundsätzliche Frage, ob
eine Personalfürsorgeeinrichtung die Forderungen ihrer Destinatäre mit
ihren Gegenforderungen verrechnen dürfe. Das Eidgenössische Justiz-
und Polizeidepartement führte in seiner Vernehmlassung aus, diese
Frage sei umstritten; sie werde von RIEMER (Die Verrechnungseinrede
der Personalfürsorgestiftung gegenüber Forderungen ihrer Destinatäre,
SJZ 75/1979, S. 341 ff.) verneint, von STREIFF (Leitfaden zum
neuen Arbeitsvertragsrecht, 3. Aufl. N. 9 zu Art. 331c OR) dagegen
bejaht. Soweit sich diese Meinungsäusserung auf RIEMER bezieht, ist sie
mit bezug auf Fälle der vorliegenden Art falsch. RIEMER unterscheidet
in seiner Abhandlung zunächst zwischen Forderungen, die immer nur der
Stiftung zugestanden haben, und solchen, die ihr vom Arbeitgeber oder
von Dritten abgetreten worden sind. Verantwortlichkeitsansprüche sind
Forderungen der erstgenannten Art. Sodann unterscheidet RIEMER die Fälle,
in denen die Verrechnung nach oder vor Eintritt des Vorsorgefalles geltend
gemacht wird. Im vorliegenden Fall wird sie vor Eintritt des Vorsorgefalles
geltend gemacht. Für diesen Fall unterscheidet RIEMER weiter, ob die
Stiftung ihre Schuldpflicht nach Art. 331c Abs. 1 OR (Begründung einer
Forderung auf künftige Vorsorgeleistungen) oder nach Art. 331c Abs. 4 OR
(Barauszahlung) erfülle. Im vorliegenden Fall ist vorgesehen, dass die
Destinatäre in bar abgefunden werden. Für diesen Fall schreibt RIEMER
ausdrücklich, die Verrechnung sei auch bei Verweigerung der Zustimmung
des Arbeitnehmers zulässig (aaO, S. 343/44). Auch nach STREIFF ist sie
nicht verboten. Der Auffassung dieser beiden Autoren ist beizutreten.

    Anders als beim Lohn (Art. 323b Abs. 2 OR) hat der Gesetzgeber bei
den Leistungen der Personalfürsorgeeinrichtung nur die Abtretung und
Verpfändung, nicht aber die Verrechenbarkeit ausdrücklich ausgeschlossen
(Art. 331c Abs. 2 OR). Selbst eine Lohnforderung darf mit Gegenforderungen
des Arbeitgebers verrechnet werden, soweit sie das Existenzminimum
überschreitet. Ersatzforderungen für absichtlich zugefügten Schaden
darf der Arbeitgeber mit Lohnforderungen des Arbeitnehmers sogar
unbeschränkt verrechnen (Art. 323b Abs. 2 OR). Unter diesen Umständen
ist nicht einzusehen, weshalb Verantwortlichkeitsansprüche der Stiftung
gegenüber einem Destinatär, der als Stiftungsrat für das Stiftungsvermögen
mitverantwortlich war, nicht mit dessen Destinatäransprüchen sollten
verrechnet werden dürfen. Eine solche Verrechnung muss jedenfalls dann
zulässig sein, wenn die Stiftung, wie im vorliegenden Fall, ausschliesslich
vom Arbeitgeber gespiesen wurde. Indem die Stiftung, der Bezirksrat
und der Regierungsrat die Verrechnung im vorliegenden Fall zuliessen,
verletzten sie demnach das Bundesrecht nicht.