Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 106 II 141



106 II 141

26. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 13. Mai 1980 i.S. Ruth
Streuli gegen Zanovi AG und Lippuner (Berufung) Regeste

    Simulationseinrede gegenüber Abtretungsgläubigern.

    Alle Einreden, die dem Vertragspartner gegenüber dem Gemeinschuldner
zugestanden hätten, kann er auch den Abtretungsgläubigern entgegenhalten
(E. 3c).

Sachverhalt

    A.- Ernst Streuli betrieb in Schönenberg eine Schweinezucht.
Mit öffentlich beurkundetem Gütertrennungsvertrag vom 8. Mai 1974
verkaufte er seiner Ehefrau Ruth Streuli-Isler den Bestand von 1524
Schweinen und vermietete er ihr die Stallungen. Der Kaufpreis wurde auf
Fr. 360'000.-- festgesetzt. Davon waren Fr. 139'000.-- durch Verrechnung
mit güterrechtlichen Ansprüchen der Ehefrau zu tilgen, während die
restlichen Fr. 221'000.-- in monatlichen Raten zu Fr. 7'000.-- zu
bezahlen waren. Der Mietzins für die Stallungen wurde mit Fr. 4'000.--
pro Monat vereinbart. Gemäss Vertrag begründeten die Eheleute Streuli eine
beschränkte Gütertrennung "in bezug auf die bisher vom Ehemann geführte
und nun weiter der Ehefrau gehörende Schweinemästerei".

    Ruth Streuli leistete keine der monatlichen Kaufpreis- oder
Mietzinsraten. Am 27. Juni 1975 wurde über Ernst Streuli der Konkurs
eröffnet. Die Konkursmasse verzichtete darauf, Ansprüche gegen die Ehefrau
aus dem Gütertrennungsvertrag geltend zu machen. Die Zanovit AG und Hans
Lippuner, Futtermittellieferanten des Betriebs Streuli, liessen sich als
Gläubiger die Ansprüche im Sinne von Art. 260 SchKG abtreten.

    B.- Im Mai 1977 klagten die Zanovit AG und Hans Lippuner gegen
Ruth Streuli auf Zahlung von Fr. 413'600.-- nebst 5% Zins seit
17. März 1977. Gefordert wurde damit der gesamte Kaufpreis sowie der
Mietzins vom 15. Mai 1974 bis 27. Juni 1975. Das Bezirksgericht Horgen
sprach den Klägern Fr. 385'600.-- nebst Zins zu. Auf Appellation und
Anschlussappellation hin schützte das Obergericht des Kantons Zürich die
Klage am 28. Juni 1979 für Fr. 397'600.-- nebst 5% Zins seit 17. März 1977.

    C.- Die Beklagte hat gegen diesen Entscheid Berufung eingelegt mit
dem Antrag, die Klage abzuweisen.

    Das Bundesgericht heisst die Berufung gut, hebt das Urteil des
Obergerichts auf und weist die Klage ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Das angefochtene Urteil verpflichtet die Beklagte, den mit ihrem
Ehemann geschlossenen, in die Form des Ehevertrags gekleideten Kauf- und
Mietvertrag zu erfüllen und den Kaufpreis von Fr. 360'000.-- sowie Fr.
53'600.-- Mietzins zu bezahlen. An den Kaufpreis werden Fr. 16'000.-- als
eingebrachtes Gut der Beklagten angerechnet, nicht aber die weitergehenden,
im Vertrag zur Verrechnung gestellten Frauenguts- und Vorschlagsansprüche.

    Die Beklagte macht zur Hauptsache geltend, Kauf und Miete seien gar
nie wirklich vollzogen worden. Ihr Ehemann habe vielmehr den Betrieb
weiterhin geführt, den Schweinebestand verkauft und den Erlös zugunsten
seiner eigenen Gläubiger, darunter der beiden Kläger, verwendet. Subsidiär
vertritt die Beklagte den Standpunkt, durch die vertragliche Verrechnung
mit güterrechtlichen Ansprüchen sei der Kaufpreis für Fr. 139'000.--
definitiv getilgt worden.

Erwägung 2

    2.- Die Kläger machen als Abtretungsgläubiger Ansprüche der
Konkursmasse geltend, mithin Forderungen, welche ohne die Konkurseröffnung
dem Ehemann Streuli gegen seine Frau zugestanden hätten. Was die Kläger
selbst im Vorfeld der Konkurseröffnung getan, gewusst und beabsichtigt
haben, ist unerheblich. Soweit der Ehemann der Beklagten damals Zahlungen
an sie leistete, ist das im Kollokationsverfahren, nicht im vorliegenden
Prozess von Belang. Aus der genannten Situation folgt weiter, dass kein
Anwendungsfall der güterrechtlichen Haftung beim Wechsel des Güterstandes
gemäss Art. 179 Abs. 3 und 188 ZGB gegeben ist. Nach diesen Bestimmungen
hätten die Kläger im Betreibungsverfahren gegen den Schuldner Streuli die
an seine Frau verkauften Schweine pfänden und verwerten oder die Tiere
nach der Konkurseröffnung zur Masse ziehen lassen können (EGGER, N. 7
und LEMP, N. 44/46 zu Art. 188 ZGB). Darum handelt es sich hier aber nicht.

    Aus den Berufungsvorbringen geht nicht hervor, ob die Beklagte diese
grundsätzliche Situation zu bestreiten versucht. Jedenfalls steht ihr die
Erschöpfungseinrede des Art. 188 Abs. 2 ZGB nicht zu, weil die Kläger
Rechte der Masse und nicht eigene Forderungen geltend machen (EGGER,
N. 9 ff. und LEMP, N. 50 ff. zu Art. 188 ZGB). Im übrigen verfolgen
die güterrechtlichen Erörterungen der Beklagten wohl nur den Zweck,
Wertlosigkeit oder Ungültigkeit des Kaufvertrags dadurch zu belegen,
dass die Schweine den Gläubigern gar nicht hätten entzogen und von ihr
daher nicht hätten wirksam erworben werden können. Unverbindlichkeit wegen
Willensmangels wird in diesem Zusammenhang nicht geltend gemacht, soll doch
die Lage in bezug auf die güterrechtliche Haftung beiden Ehegatten bewusst
gewesen sein. Inwiefern sonst die güterrechtliche Haftung den Verkauf der
Schweine an die Beklagte unwirksam machen sollte, wird nicht dargetan und
ist auch nicht ersichtlich. Die Ehegatten können einen solchen Vertrag
durchaus im Bewusstsein abschliessen, dass damit die güterrechtliche
Haftung unverändert bleibt, sei es auch nur in der Annahme, diese werde
sich gar nicht realisieren.

Erwägung 3

    3.- Zu prüfen ist, ob die geltend gemachten Kaufpreis- und
Mietzinsforderungen der Konkursmasse gegen die Beklagte zu Recht bestehen.

    a) Im kantonalen Verfahren hat die Beklagte den Vertrag vom 8. Mai
1974 noch wegen Irrtums angefochten. Das Obergericht stellt indes fest,
dass dieser mangels fristgerechter Anfechtung als genehmigt zu gelten
hat. Mit der Berufung wird hiegegen nichts eingewendet. Es erübrigt sich
daher, auf die Frage einzutreten, ob die Beklagte bei Vertragsabschluss
hinsichtlich der finanziellen Lage ihres Mannes sowie des Vorschlags
in einem Irrtum befangen war und welches allenfalls die Folgen einer
Unverbindlichkeit wären.

    b) Nach Meinung der Beklagten ergibt sich die Ungültigkeit des
Vertrages aus den Feststellungen der Vorinstanz über den Parteiwillen. Für
das Obergericht bestärkte die Befragung der Eheleute Streuli den Verdacht,
dass es sich beim ganzen Vertragswerk um etwas Unlauteres gehandelt
haben könnte. Eine Simulation gemäss Art. 18 Abs. 1 OR wird jedoch
ausdrücklich verneint. Die Eheleute Streuli hätten eine Sicherung der
Familie gewollt für den Fall, dass es dem Ehemann wirtschaftlich schlecht
ginge. Diesfalls sollten die Tiere wirklich der Beklagten gehören, doch
seien beide Vertragsparteien der Auffassung gewesen, der Kaufpreis werde
nicht bezahlt. Wenn es dem Ehemann wieder besser ginge, sollte der Vertrag
offenbar gar keine Wirkung entfalten.

    Diese Argumentation der Vorinstanz ist widersprüchlich. Eine Simulation
wird verneint, zugleich aber festgestellt, dass nach dem übereinstimmenden
Parteiwillen der Kaufpreis nicht bezahlt werden und unter Umständen
der Vertrag überhaupt wirkungslos sein sollte. Massgebend und für das
Bundesgericht verbindlich sind die tatsächlichen Feststellungen über den
wirklichen Willen der Vertragspartner, während Rechtsfrage ist, ob das
für die Annahme einer Simulation genügt (BGE 97 II 207 E. 5, 85 II 100
mit Hinweisen). Für die Beklagte ist es ein Rätsel, wie das Obergericht
einen Kaufpreis zusprechen konnte, der nach dem Parteiwillen gar nicht
zu zahlen war. Gleich verhalte es sich in bezug auf den Mietzins, auch
wenn eine entsprechende Feststellung im angefochtenen Urteil fehle.

    Aus den Feststellungen der Vorinstanz ist insoweit auf Simulation zu
schliessen, als der Vertrag die Zahlung eines Kaufpreises vorsah. Gleiches
muss zumindest nach dem Sinn des Urteils für den Mietzins gelten. Wie es
sich mit der Gegenleistung auf Eigentumsübertragung am Tierbestand verhält,
braucht nicht entschieden zu werden. Wenn der Eigentumsübergang, wie das
Obergericht feststellt, ernstlich gewollt war, kommt allenfalls Schenkung
oder fiduziarische Übereignung in Betracht. Zur Zahlung eines Kaufpreises
und eines Mietzinses war die Beklagte durch den Vertrag jedenfalls nicht
wirksam verpflichtet.

    c) Damit ist noch nicht entschieden, ob das Gesagte auch im
Verhältnis der Beklagten zur Konkursmasse ihres Ehemannes und zu den
Abtretungsgläubigern gilt. Wo ein Gemeinschuldner vor Konkursausbruch
durch derartige Verträge Vermögensstücke dem Zugriff seiner Gläubiger
entzieht, kann das zur Anfechtung auf Rückerstattung oder auf Wertersatz
nach Art. 285 ff. SchKG und infolge Simulation sogar zum Einbezug in die
Konkursmasse und zur Abwehr des Aussonderungsanspruchs gemäss Art. 242
SchKG führen. Dies steht vorliegend indes nicht zur Diskussion, weil die
Kläger den Vertrag als gültig betrachten und seine Erfüllung verlangen,
während es die Beklagte ist, die ihnen die Simulation entgegenhält. Aus
Art. 18 Abs. 2 OR folgt, dass die Simulationseinrede grundsätzlich
auch Dritten entgegengehalten werden kann, es sei denn, diese hätten die
(simulierte) Forderung im Vertrauen auf ein schriftliches Schuldbekenntnis
erworben (BGE 96 II 390 E. 3b, 88 II 429, 71 III 156 E. 2). Nun haben
aber weder die Kläger noch die Konkursmasse die Forderung im Vertrauen
auf den streitigen Vertrag erlangt, sondern allein auf Grund der
Konkurseröffnung. Entsprechend kann die Simulationseinrede auch gegenüber
dem Gläubiger erhoben werden, der ein durch Simulation erworbenes Recht
pfänden lässt (VON TUHR/PETER, Allgemeiner Teil des Schweizerischen OR I,
S. 295). Im Falle des Konkurses kommt dazu, dass die Konkursmasse oder
die Abtretungsläubiger nicht Dritte, insbesondere nicht Rechtsnachfolger
des Gemeinschuldners sind, sondern an seine Stelle treten. Sie können
alle seine Rechte geltend machen, tragen aber auch seine sämtlichen
Pflichten. Die Beklagte kann ihnen daher alle Einreden entgegenhalten,
die ihr dem Gemeinschuldner gegenüber zugestanden hätten, wie sie auch
nur solche Einreden und nicht jene erheben kann, die ihr gegenüber
den Klägern persönlich zustünden (BGE 95 I 318 E. 2, 87 II 172 E. 1;
JÄGER, N. 3 zu Art. 260 SchKG; BLUMENSTEIN, Handbuch des Schweizerischen
Schuldbetreibungsrechts, S. 805 ff.; vgl. demgegenüber noch BGE 72 II
361 E. 3, 41 III 146 E. 2).

    Dass die Berufung der Beklagten auf Simulation gegenüber ihrem Ehemann
rechtsmissbräuchlich wäre und somit auch den Klägern nicht entgegengehalten
werden könnte, wird nicht geltend gemacht und ist auch nicht anzunehmen,
hat doch nach dem Beweisverfahren die Beklagte beim Vertragsschluss
offensichtlich eine völlig passive Rolle gespielt.
   d) Der Kaufpreis- und Mietzinsanspruch gegen die Beklagte
entfällt deshalb zumindest insoweit, als der Vertrag Zahlung vorsah. Eine
Forderung aus ungerechtfertigter Bereicherung oder unerlaubter Handlung
ist weder an die Kläger abgetreten noch von diesen eingeklagt worden. Es
kann daher offenbleiben, wieweit derartige Ansprüche konkursrechtlich
eine Anfechtungsklage gemäss Art. 285 ff. SchKG vorausgesetzt hätten.