Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 106 III 92



106 III 92

19. Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 30. April 1980
i.S. Strauss (Rekurs) Regeste

    Arrestprosequierung (Art. 278 SchKG).

    1. Ist ein Arrest dahingefallen, müssen die Betreibungsbehörden die
Arrestgegenstände von Amtes wegen freigeben. Geschieht dies nicht, kann der
Schuldner jederzeit verlangen, dass die Freigabe nachgeholt werde (E. 1).

    2. Zur Arrestprosequierung ist nur eine Klage tauglich, die zu
einem Vollstreckungstitel führt, d.h. sie muss auf die Zahlung einer
Geldforderung gerichtet sein. Eine Klage, mit der die Herausgabe von
Nachlassgegenständen verlangt wird, ist zur Arrestprosequierung nicht
geeignet (E. 2).

Sachverhalt

    A.- Am 21. Mai 1975 erwirkte Gert Strauss beim Bezirksgericht Zürich
über mehrere Guthaben der Erbschaft der Helga Eckensberger sowie der Hans
und Helga Eckensberger-Stiftung bei zwei Banken in Zürich Arrestbefehle.
Nach Zustellung der Arresturkunden leitete der Gläubiger die Betreibung
ein, worauf die Arrestschuldnerinnen am 24. Juni 1975 bzw. am 11. August
1975 Rechtsvorschlag erhoben. Gert Strauss teilte daraufhin dem zuständigen
Betreibungsamt Zürich 1 mit, dass er die Arreste bereits durch die beim
Tribunal de Grande Instance de Paris am 3. Dezember 1974 eingereichte
Klage prosequiert habe.

    Mit Schreiben vom 12. Februar 1979 an das Betreibungsamt Zürich 1
verlangten die Arrestschuldnerinnen, dass die Arreste im Sinne von Art. 278
SchKG als dahingefallen zu erklären seien. Das Betreibungsamt wies dieses
Begehren mit Verfügung vom 27. März 1979 ab. Die Arrestschuldnerinnen
erhoben daraufhin Beschwerde beim Bezirksgericht Zürich als unterer
kantonaler Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs. Dieses
hiess die Beschwerde am 29. Juni 1979 gut und hob die Arreste Nrn.
64/1975 und 65/1975 des Betreibungsamtes Zürich 1 auf.

    Der Arrestgläubiger Strauss zog diesen Entscheid an das Obergericht
des Kantons Zürich als obere kantonale Aufsichtsbehörde weiter, welches
den Rekurs mit Beschluss vom 2. April 1980 abwies und den erstinstanzlichen
Entscheid bestätigte.

    Gert Strauss führt Rekurs an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
des Bundesgerichts mit dem Antrag, die Verfügung des Betreibungsamtes
Zürich 1 vom 27. März 1979 zu bestätigen, die Arreste Nrn. 64/1975 und
65/1975 aufrechtzuerhalten und die Beschwerde der Arrestschuldnerinnen
abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Der Rekurrent stellt sich auf den Standpunkt, die Rekursgegnerinnen
hätten das Recht verwirkt, das Dahinfallen der Arreste Nrn. 64/1975 und
65/1975 geltend zu machen, weil sie mit der Anfechtung dieser Arreste 3
1/2 Jahre zugewartet hätten. Nachdem sie in der Arrestbetreibung Recht
vorgeschlagen, dann aber die Arreste unangefochten gelassen hätten, könne
ihr Verhalten nach Treu und Glauben nur so ausgelegt werden, dass sie
sich mit den Arresten definitiv abgefunden und auf ihr Beschwerderecht
verzichtet hätten.

    Dieser Betrachtungsweise kann jedoch nicht gefolgt werden. Die
Rekursgegnerinnen hatten ihr Begehren, die Arreste seien als dahingefallen
zu erklären, damit begründet, dass es an einer rechtsgenügenden
Prosequierung der Arreste fehle. Nach Art. 278 Abs. 4 SchKG fällt ein
Arrest von selbst dahin, wenn er nicht gehörig prosequiert wird. Die
Betreibungsbehörden haben die Arrestgegenstände in diesem Fall von Amtes
wegen freizugeben. Geschieht dies nicht, kann der Schuldner jederzeit
verlangen, dass die Freigabe nachgeholt werde. Es kann daher keine Rede
davon sein, dass die Rekursgegnerinnen durch das lange Zuwarten mit
ihrem Gesuch die Befugnis verwirkt hätten, das Dahinfallen der Arreste
feststellen zu lassen. Sie haben schon deswegen nicht gegen Treu und
Glauben verstossen, weil das Zuwarten mit dem Freigabebegehren nur dem
Schuldner selber schadet (BGE 93 III 75 mit Hinweisen). Der Gläubiger
kann sich demnach nicht darauf berufen, dass in ihm durch das Verhalten
des Schuldners das berechtigte Vertrauen geweckt worden sei, dieser
werde die Prosequierung nicht als ungehörig bestreiten. Im übrigen ist
nicht einzusehen, inwiefern der Rekurrent dadurch einen Nachteil erleiden
soll, dass er sich erst nach mehrjähriger Dauer der Arreste mit der Frage
auseinandersetzen muss, ob die von ihm angehobene Klage zur Prosequierung
geeignet gewesen sei.

Erwägung 2

    2.- a) Das Schicksal des Rekurses hängt somit davon ab, ob
die vom Rekurrenten vor der Arrestnahme in Frankreich in Form einer
Hauptintervention angehobene Klage als Prosequierung der am 22. Mai 1975
in Zürich erwirkten Arreste gelten kann. Nicht bestritten wird, dass
auch eine im Ausland angehobene Klage zur Prosequierung eines Arrestes
geeignet sein kann und dass ein in Frankreich gefälltes Urteil in der
Schweiz grundsätzlich vollstreckbar ist (BGE 66 III 59 f. E. 2). Die
im Ausland angehobene Klage muss jedoch im Falle ihrer Gutheissung die
Fortsetzung einer durch Rechtsvorschlag gehemmten Betreibung ermöglichen,
d.h. sie muss zu einem in der Betreibung vollstreckbaren Titel führen
(BGE 65 III 51 unten). Dies bedeutet, dass die Klage und das damit
angestrebte Urteil eine zahlenmässig bestimmte Forderung zum Gegenstand
haben müssen. Ist eine Forderung nicht auf Geldzahlung gerichtet, so
ist ihre Sicherung während der Dauer eines Prozesses nur auf dem Wege
vorsorglicher Massnahmen möglich. Dies gilt insbesondere für den Fall,
dass bis zur Erledigung einer erbrechtlichen Auseinandersetzung die zum
Nachlass gehörenden Gegenstände erhalten bleiben sollen. Ein solches
Ziel kann nicht mit Hilfe des Arrestes, sondern nur nach Massgabe des
kantonalen Prozessrechtes durch eine vorsorgliche Massnahme zur Erhaltung
des Streitgegenstandes erreicht werden (BGE 93 III 79 unten).

    b) Der Gläubiger erwirkte im vorliegenden Fall die Arreste für
eine Forderung von 10 Millionen Franken, wobei er als Grund der
Forderung angab: "Rechte als gesetzlicher Erbe gemäss französischem
Code Civil Art. 724 ff." Er bezweckte damit die Sicherstellung der
verarrestierten Vermögensstücke bis zur Erledigung der in Frankreich
hängigen erbrechtlichen Auseinandersetzung. Gegenstand dieses Prozesses
bildet nun aber, wie in der Rekursschrift zugegeben wird, nicht eine
Forderung des Rekurrenten gegen die Rekursgegnerinnen in der Höhe von
10 Millionen Franken, sondern die Auslieferung der Erbschaft an den
Rekurrenten. Die Vorinstanz hat dieser Klage aus zutreffenden Gründen die
Eignung zur Arrestprosequierung abgesprochen. Was in der Rekursschrift
über das Wesen dieser Klage ausgeführt wird, kann nicht zu einer andern
Betrachtungsweise führen. Massgebend ist, dass das vom Rekurrenten in
Frankreich angestrebte Urteil mangels Zuerkennung einer Geldforderung
in einem bestimmten Betrag gegenüber den Rekursgegnerinnen auch nach
der Darstellung in der Rekursschrift keinen Vollstreckungstitel im Sinne
des SchKG bilden kann, der die Fortsetzung der eingeleiteten Betreibung
erlauben würde. Damit ist aber die Frage, ob die vom Rekurrenten in
Frankreich angehobene Klage zur Prosequierung der in Zürich erwirkten
Arreste geführt habe, zu verneinen. Der Rekurs ist deshalb abzuweisen.

Entscheid:

Demnach erkennt die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer:

    Der Rekurs wird abgewiesen.