Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 106 III 86



106 III 86

18. Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 17. September
1980 i.S. Afshar (Rekurs) Regeste

    Arrest.

    1. Vermögenswerte, die vom Arrestgläubiger als Eigentum eines Dritten
bezeichnet werden, können nicht mit Arrest belegt werden. Dies gilt auch
dann, wenn der Gläubiger behauptet, das Eigentum des Dritten sei lediglich
fiduziarischer Natur und die Vermögenswerte stünden wirtschaftlich gesehen
dem Arrestschuldner zu (E. 1, 2).

    2. Ist der Arrestgläubiger gehalten, die Gründe anzugeben, die
ihn zur Annahme veranlassen, die auf den Namen eines Dritten lautenden
Vermögenswerte gehörten in Wirklichkeit dem Arrestschuldner? Frage offen
gelassen (E. 3).

Sachverhalt

    A.- Die Bahamas Antigua Petroleum Company (BAPCO) Ltd.  erwirkte am
4. Juni 1980 gegen die Iran Oil Service Company Ltd. für eine Forderung
von Fr. 288'312.50 einen Arrest auf sämtliche Werte der Arrestschuldnerin
bei der Schweizerischen Kreditanstalt, Sitz Gstaad, lautend auf den
Namen der Arrestschuldnerin selbst "wie auch auf den Namen des für sie
handelnden Präsidenten des Verwaltungsrates, Herrn Nasser Afshar". Der
Arrest wurde vom Betreibungsamt Saanen gleichentags vollzogen. Gemäss
der Arresturkunde vom 11. Juni 1980, die am 25. Juni 1980 ergänzt wurde,
ergab sich dabei, dass bei der betreffenden Bank nur Werte auf den Namen
von Nasser Afshar und keine solchen auf den Namen der Arrestschuldnerin
aufbewahrt wurden. Mit zwei Beschwerden, die sich gegen die Arresturkunde
vom 11. Juni 1980 und gegen die Ergänzung der Urkunde vom 25. Juni 1980
richteten, verlangte Nasser Afshar hierauf bei der Aufsichtsbehörde in
Betreibungs- und Konkurssachen für den Kanton Bern die Nichtigerklärung des
Arrestvollzuges, soweit dadurch ihm gehörende Vermögenswerte erfasst worden
seien. Er machte geltend, das Betreibungsamt hätte keine Vermögenswerte
mit Arrest belegen dürfen, die von der Gläubigerin selbst als Eigentum
einer Drittperson bezeichnet worden seien. Mit Entscheid vom 16. Juli
1980 wies die Aufsichtsbehörde die beiden Beschwerden ab und verwies den
Beschwerdeführer auf den Widerspruchsprozess.

    B.- Mit dem vorliegenden Rekurs an die Schuldbetreibungs-
und Konkurskammer des Bundesgerichts hält Nasser Afshar an seinem
Beschwerdeantrag fest.

    Die Gläubigerin und das Betreibungsamt Saanen beantragen in ihren
Vernehmlassungen die Abweisung des Rekurses.

Auszug aus den Erwägungen:

Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Nach der ständigen, im angefochtenen Entscheid zutreffend
wiedergegebenen Rechtsprechung des Bundesgerichts kann ein Arrest
nur Vermögen erfassen, das nach Meinung des Gläubigers dem Schuldner
gehört. Auf eine solche Meinung ist in der Regel auch dort zu schliessen,
wo die Arrestierung von auf den Namen eines Dritten hinterlegten Werten
oder von auf einen Dritten lautenden Guthaben verlangt wird, weil damit
gewöhnlich behauptet werden will, dass diese Werte in Wirklichkeit dem
Schuldner zustehen (BGE 104 III 58/59 E. 3, 96 III 109/110 E. 2 und 3,
93 III 92, 82 III 70). Vermögenswerte, die vom Gläubiger als Eigentum
eines Dritten bezeichnet werden, können jedoch bei Gefahr der Nichtigkeit
nicht mit Arrest belegt werden (BGE 105 III 112 E. 3, 104 III 59 E. 3,
93 III 92, 82 III 70).

    Im vorliegenden Fall führte die Gläubigerin im Arrestgesuch aus,
es sei denkbar, dass die tatsächlich und rechtlich der Arrestschuldnerin
zustehenden Werte auf den Namen des Rekurrenten lauteten. Es durfte daher
davon ausgegangen werden, sie betrachte diese Werte als Eigentum der
Arrestschuldnerin. In ihrer Beschwerdeantwort im kantonalen Verfahren
präzisierte sie indessen, die Vermögenswerte des Rekurrenten seien
deswegen mit Beschlag belegt worden, "weil dieser sowohl solidarisch mit
der Firma Iran Oil Service Company Ltd. für die erwähnten Darlehen haftet,
bzw. fiduziarischer Eigentümer von an sich der Firma Iran Oil Service
Company Ltd. zustehenden Beträgen ist". Im angefochtenen Entscheid
wird unter Hinweis auf BGE 82 III 71 zutreffend ausgeführt, dass die
solidarische Haftbarkeit eines Dritten für die Arrestforderung keinen Grund
dafür bilden kann, Vermögenswerte dieses Dritten in der Zwangsvollstreckung
gegen den Arrestschuldner mit Beschlag zu belegen. Hingegen stellte
die Vorinstanz auf die Behauptung der Gläubigerin ab, der Rekurrent sei
fiduziarischer Eigentümer "für die Schuldnerin", und sie leitete daraus
ab, es stehe keineswegs zweifelsfrei fest, dass die arrestierten Werte im
Eigentum des Rekurrenten stünden; diese Frage werde im Widerspruchsprozess
zu beurteilen sein. Zu prüfen ist, ob dieser Betrachtungsweise gefolgt
werden kann.

Erwägung 2

    2.- Dem Rekurrenten ist zuzustimmen, wenn er geltend macht, nach
schweizerischer Rechtsauffassung sei der fiduziarische Eigentümer als
Vollberechtigter zu betrachten (vgl. BGE 96 II 93 mit Hinweisen). Ein
Arrestgläubiger kann deshalb die Beschlagnahme von Sachen oder Guthaben
eines Dritten nicht mit der alleinigen Begründung rechtfertigen, dieser
sei fiduziarischer Eigentümer "für" den Schuldner. Der Umstand, dass dem
Schuldner in einem solchen Fall ein obligatorischer Herausgabeanspruch
gegen den Dritten zusteht, reicht für den Einbezug des Drittmannsgutes in
den Arrestbeschlag nicht aus, sondern kann nur dazu führen, dass dieser
obligatorische Anspruch gegenüber dem Dritten Gegenstand des Arrestes
bildet. Dass die im fiduziarischen Eigentum eines Dritten stehenden
Vermögenswerte wirtschaftlich gesehen dem Arrestschuldner zustehen,
lässt die Beschlagnahme solcher Werte in der Betreibung gegen den
Arrestschuldner nicht als zulässig erscheinen. Wie das Bundesgericht in
BGE 105 III 112 E. 3 dargelegt hat, kommt es bei der Zwangsvollstreckung
- von ganz aussergewöhnlichen Umständen wie den in BGE 102 III 165
ff. geschilderten abgesehen - allein auf die rechtliche Identität und nicht
auf die wirtschaftliche Realität an; alle jene Vermögenswerte, die nach
den Regeln des Zivilrechts einer vom betriebenen Schuldner verschiedenen
Person gehören, sind deshalb als Drittmannsgut zu betrachten, das weder
gepfändet noch mit Arrest belegt werden darf. Es genügt somit in einem
Fall wie dem vorliegenden nicht, dass der Gläubiger zur Rechtfertigung
der Beschlagnahme von dem Namen nach einem Dritten zustehenden Werten
geltend macht, der Dritte sei nur als fiduziarischer Eigentümer dieser
Gegenstände zu betrachten. Mit der Anerkennung der Eigentümerstellung des
Dritten, auch wenn diese bloss fiduziarischer Art sein sollte, entfällt
die Möglichkeit, in einer nicht gegen den Dritten selbst gerichteten
Zwangsvollstreckung auf diese Werte zu greifen. Vorbehalten bleibt der
Fall des Forderungsübergangs gemäss Art. 401 OR (vgl. dazu insbesondere BGE
99 II 395 ff.; ferner BGE 102 II 106 ff., 300 ff.), dessen Voraussetzungen
hier jedoch weder nach dem angefochtenen Entscheid noch nach den Vorbringen
der Rekursgegnerin gegeben sind.

    In BGE 103 III 89 hat das Bundesgericht für die Zulässigkeit des
Arrestes im Gegensatz zum eben Gesagten freilich auf eine wirtschaftliche
Betrachtungsweise abgestellt. Dabei handelte es sich jedoch um
einen Sonderfall, da nicht klar war, ob der vom ausländischen Recht
beherrschte Drittanspruch ein Pfandrecht oder eine Art Sicherungszession
darstellte. Es kann daraus nicht abgeleitet werden, der Arrestbeschlag
müsse bei fiduziarischem Eigentum eines Dritten generell zugelassen
werden. Besonders gelagert waren die Verhältnisse auch in BGE 104 III
55 ff., wo der Schuldner das Eigentum an den mit Arrest belegten Titeln
beanspruchte, während der Gläubiger in anderem Zusammenhang behauptet
hatte, er halte diese Titel fiduziarisch für einen Dritten.

Erwägung 3

    3.- Die Rekursgegnerin macht in ihrer Vernehmlassung geltend, sie
habe sich in ihrem Arrestgesuch auf die Behauptung beschränken dürfen,
die auf den Namen des Rekurrenten lautenden Vermögenswerte stünden
in Wirklichkeit der Arrestschuldnerin zu, ohne diese Behauptung näher
begründen zu müssen. Wenn sie nachträglich überflüssigerweise Ausführungen
hierüber gemacht habe, könne ihr dies nicht entgegengehalten werden. Sie
möchte sich an dem von ihr verwendeten Begriff des fiduziarischen Eigentums
nicht in juristisch-technischem Sinn behaften lassen, gibt aber anderseits
keine plausible Erklärung dafür, wie es rechtlich denkbar wäre, dass die
auf den Namen des Rekurrenten lautenden Werte in Wirklichkeit im Eigentum
der Arrestschuldnerin stehen könnten.

    Nach der eingangs angeführten Rechtsprechung ist der Arrestgläubiger
in der Tat befugt, alle nach seiner Behauptung dem Schuldner gehörenden
Vermögenswerte, auch solche, die auf den Namen eines Dritten lauten, mit
Arrest belegen zu lassen, ohne dass von ihm eine Erklärung dafür verlangt
wird, weshalb er den Schuldner als Eigentümer dieser Vermögenswerte
betrachtet. Man kann sich fragen, ob an dieser Rechtsprechung
festzuhalten sei. Die Arrestierung von auf den Namen eines Dritten
lautenden Vermögenswerten ist immerhin etwas so Aussergewöhnliches, dass
es dem Arrestgläubiger an sich zuzumuten wäre, die Gründe anzugeben, die
ihn zur Annahme veranlassen, diese Werte gehörten in Wirklichkeit dem
Schuldner (vgl. BGE 105 III 115 E. 4 im Zusammenhang mit der Pfändung
von Vermögenswerten im Gewahrsam Dritter). Wie es sich damit verhält,
braucht jedoch im vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden, nachdem
die Gläubigerin im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ausdrücklich erklärt
hat, der Rekurrent sei fiduziarischer Eigentümer der mit Arrest belegten
Vermögenswerte, bzw. er hafte solidarisch mit der Arrestschuldnerin, was
nach dem Gesagten einen Einbezug dieser Werte in die Zwangsvollstreckung
gegen die Arrestschuldnerin ausschliesst. Bei dieser Erklärung muss
sich die Gläubigerin behaften lassen. Nach BGE 104 III 59/60 E. 4 ist
unter Umständen sogar auf Erklärungen abzustellen, die ausserhalb des
Betreibungsverfahrens in einem Zivilprozess gemacht wurden. Umso mehr muss
dies hier gelten. Mindestens wäre der Gläubigerin zuzumuten gewesen, in
ihrer Vernehmlassung im bundesgerichtlichen Verfahren eine stichhaltige
Begründung dafür zu geben, weshalb sie die Beschlagnahme der auf den
Namen des Rekurrenten lautenden Vermögenswerte für zulässig hält. Das
hat sie jedoch nicht getan. Unter diesen Umständen kann es nicht Sache
des Bundesgerichts sein, der Frage nachzugehen, ob noch andere rechtliche
Möglichkeiten denkbar wären, dass diese Werte in Wirklichkeit im Eigentum
der Arrestschuldnerin stehen könnten.

Entscheid:

                       Demnach erkennt
          die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer:

    Der Rekurs wird gutgeheissen, der angefochtene Entscheid aufgehoben und
der Vollzug des Arrestes 4/1980 der Arrestbehörde Saanen, soweit dadurch
Vermögenswerte des Rekurrenten bei der Schweizerischen Kreditanstalt,
Gstaad, mit Beschlag belegt wurden, als nichtig erklärt; das Betreibungsamt
Saanen wird angewiesen, den Arrestvollzug insoweit rückgängig zu machen.