Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 106 IB 395



106 Ib 395

60. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom
12. Dezember 1980 i.S. Sediva gegen Regierungsrat des Kantons Zürich
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Entzug des Führerausweises wegen deliktischen Missbrauchs des
Motorfahrzeuges (Art. 16 Abs. 3 lit. f SVG).

    1. Notwendiger Zusammenhang zwischen der Verwendung des Motorfahrzeuges
und der Begehung des Deliktes (hier bejaht für den Schmuggel von Drogen)
(E. 1).

    2. Umstände, unter denen die Verwaltungsbehörde den Ausgang
des parallelen Strafverfahrens abwarten muss, bevor sie über einen
Führerausweisentzug nach Art 16 Abs. 3 lit. f SVG entscheidet (E. 2).

Sachverhalt

    A.- Georg Sediva fuhr im Mai/Juni 1979 siebenmal nach Mailand und
kaufte dort insgesamt ca. 140 g Heroin ein. Diese Droge schmuggelte er
jeweils in die Schweiz, wobei er fünfmal seinen Personenwagen und je einmal
die Eisenbahn und ein Motorrad benützte. Sediva verkaufte das Heroin in
Zürich und Umgebung. Am 19. August 1980 wurde Sediva vom Bezirksgericht
Zürich wegen wiederholter und fortgesetzter Widerhandlung gegen das
Betäubungsmittelgesetz zu 27 Monaten Gefängnis verurteilt; gegen dieses
Urteil reichte er beim Obergericht des Kantons Zürich Berufung ein und
beantragte eine psychiatrische Begutachtung.

    Mit Verfügung vom 9. Januar 1980 entzog die Direktion der Polizei
des Kantons Zürich Sediva den Führerausweis für die Dauer von sechs
Monaten. Sie warf ihm die Verwendung eines Motorfahrzeuges zu deliktischen
Zwecken (Art. 16 Abs. 3 lit. f SVG) sowie das Lenken desselben in nicht
fahrfähigem Zustand vor. Einen Rekurs Sedivas gegen diese Verfügung
wies der Regierungsrat des Kantons Zürich am 2. Juli 1980 ab. Der
Regierungsrat liess den Vorwurf des Lenkens eines Motorfahrzeuges in
nicht fahrfähigem Zustand fallen. Er erwog jedoch, Sediva habe den
Personenwagen als Transportmittel und Versteck für die eingekauften
Drogen verwendet, weshalb der Entzug des Führerausweises wegen Verwendens
eines Motorfahrzeuges zu deliktischen Zwecken gerechtfertigt sei. Die
Dauer des Ausweisentzuges von sechs Monaten erschien dem Regierungsrat
als angemessen. Er berücksichtigte dabei insbesondere, dass Sediva in
kürzester Zeit mehrere Fahrten unternommen, eine grosse Menge Heroin
umgesetzt und aus Gewinnsucht gehandelt hatte.

    Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt Georg Sediva, der
Entscheid des Regierungsrates vom 2. Juli 1980 sei aufzuheben und
die Sache sei zu neuer Beurteilung an die Entzugsbehörde bzw. den
Regierungsrat zurückzuweisen. Allenfalls sei der Entscheid über die
Dauer des Führerausweisentzuges bis zum Vorliegen des im Strafverfahren
beantragten psychiatrischen Gutachtens auszustellen. Er anerkennt, dass
der Vertrieb der Drogen unter Art. 16 Abs. 3 lit. f SVG subsumiert werden
müsse, bestreitet aber, dass diese Bestimmung auf den Sachverhalt
des Drogenschmuggels mit einem Personenwagen Anwendung finde.
Der Regierungsrat habe im übrigen zu Unrecht nicht abgeklärt, ob der
Leumund des Beschwerdeführers oder die Rückfallsgefahr eine Erhöhung
der Mindestdauer des Entzuges erfordere; er habe ausserdem nicht
berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer beruflich auf den Ausweis
angewiesen sei. Schliesslich macht der Beschwerdeführer geltend, seine
Schuld, welche eine Voraussetzung für den strittigen Führerausweisentzug
darstelle, sei im gegenwärtigen Zeitpunkt noch zu wenig abgeklärt, da
das psychiatrische Gutachten noch ausstehe. Das Bundesgericht weist die
Beschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Gemäss Art. 16 Abs. 3 lit. f SVG muss der Führerausweis entzogen
werden, wenn der Führer ein Motorfahrzeug zur Begehung eines Verbrechens
oder mehrmals zu vorsätzlichen Vergehen verwendet hat. Aufgrund des
Urteils des Bezirksgerichts steht fest, dass der Beschwerdeführer
seinen Personenwagen mehrmals zum Einkauf, Schmuggel und Verkauf von
Drogen benützte. Der Beschwerdeführer hatte bereits im Verfahren vor dem
Bezirksgericht Zürich nicht bestritten, dass sein Verhalten gemäss Art. 19
Ziff. 1 und 2 (schwerer Fall) sowie gemäss Ziff. 19a des Bundesgesetzes
über die Betäubungsmittel strafbar ist.

    Art. 16 Abs. 3 lit. f SVG stellt für den Begriff des Verbrechens
auf die Terminologie des StGB ab (BGE 105 Ib 207 E. 1). In Art. 9
Abs. 1 StGB wird das Verbrechen als eine Handlung definiert, welche mit
Zuchthaus bedroht ist. Nach diesem Begriff kommt es nicht darauf an,
ob im Einzelfall auf Zuchthaus erkannt wird oder nicht. Im vorliegenden
Fall hat der Beschwerdeführer im Sinne eines schweren Falles gegen das
Betäubungsmittelgesetz verstossen. Diese strafbare Handlung ist mit
Zuchthaus oder Gefängnis nicht unter einem Jahr bedroht und stellt ein
Verbrechen dar. Somit liegt eine strafbare Handlung vor, die grundsätzlich
zu einem Entzug des Führerausweises nach Art. 16 Abs. 3 lit. f SVG Anlass
geben kann.

    Der Beschwerdeführer macht jedoch geltend, zwischen der Verwendung
eines Motorfahrzeuges und dem Schmuggel von Drogen bestehe kein genügend
enger Zusammenhang. Für diesen Schmuggel könne nämlich ebenso gut und sogar
mit weniger Risiken die Eisenbahn benützt werden. Das Motorfahrzeug sei
daher im vorliegenden Fall kein wesentliches Hilfsmittel für die Begehung
des Deliktes gewesen.

    Es trifft zwar zu, dass ein deliktischer Missbrauch des Motorfahrzeuges
im Sinne von Art. 16 Abs. 3 lit. f SVG nicht schon dann vorliegt, wenn
der betreffende Lenker beim Anlass einer Fahrt eine strafbare Handlung
begeht. Die genannte Bestimmung ist aber anwendbar, wenn das Motorfahrzeug
speziell dazu verwendet worden ist, um die Begehung von Straftaten zu
erleichtern. Zudem muss das Motorfahrzeug ein wesentliches Hilfsmittel
zur Begehung eines Deliktes dargestellt haben, d.h. die Straftat muss
verübt worden sein unter Ausnützung der besonderen Möglichkeiten des
Motorfahrzeuges (vgl. dazu das Kreisschreiben der Eidg. Polizeiabteilung,
heute: Bundesamt für Polizeiwesen, an die zuständigen kantonalen
Behörden und Beschwerdeinstanzen vom 21. Juli 1975, in VPB 39/1975
Nr. 126 S. 65). Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer sein
Motorfahrzeug als Transportmittel und Versteck für die eingekauften Drogen
verwendet. Das Motorfahrzeug diente somit als wesentliches Hilfsmittel zur
Begehung des Deliktes. Unter diesen Umständen besteht ein genügend enger
Zusammenhang zwischen der Verwendung des Motorfahrzeuges und der Begehung
des Deliktes. Dass dieses Delikt auch mit anderen Transportmitteln hätte
begangen werden können, ändert daran nichts.

Erwägung 2

    2.- Der Beschwerdeführer beantragt, es sei das vorliegende Verfahren
auszusetzen, bis das Ergebnis des im parallelen Strafprozess beantragten
psychiatrischen Gutachtens vorliege. Es bestehe begründete Aussicht, dass
seine Schuld aufgrund dieses Gutachtens erheblich kleiner beurteilt werde.

    Voraussetzung für einen Führerausweisentzug nach Art. 16 Abs. 3 lit. f
SVG ist die Begehung eines Verbrechens, bzw. die mehrmalige Begehung
eines vorsätzlichen Vergehens. Wenn die Entzugsbehörde gestützt auf
diese Bestimmung einen Führerausweisentzug ausspricht, hat sie daher
nachzuweisen, dass der betreffende Fahrzeuglenker ein Verbrechen oder
mehrmals vorsätzlich Vergehen begangen hat. Nicht notwendig für die
Anordnung eines Entzuges ist jedoch, dass ein solches Delikt bereits
rechtskräftig beurteilt worden ist (vgl. BGE 105 Ib 20 E. 1b). Wenn
die Strafrechtliche Qualifikation einer Handlung oder die Frage des
Verschuldens aber unsicher sind, besteht die Gefahr, dass der Strafrichter
- wenn er nach Abschluss des Entzugsverfahrens entscheidet - zu anderen
Ergebnissen gelangt, als vor ihm die Entzugsbehörde. Ein solcher Ausgang
ist im Hinblick auf die Rechtssicherheit unbefriedigend. Es rechtfertigt
sich daher, in den genannten Fällen erst über einen Führerausweisentzug
zu entscheiden, wenn das Strafverfahren, in dem primär über die Anwendung
des Strafrechtes zu entscheiden ist, mit einem rechtskräftigen Urteil
seinen Abschluss gefunden hat (vgl. zitierte Kreisschreiben in VPB 39/1975
Nr. 126 S. 66). Aus einer ähnlichen Überlegung hat das Bundesgericht in
einer konstanten Rechtsprechung entschieden, dass die Entzugsbehörde
von den tatsächlichen Feststellungen eines Strafurteils, das zur Zeit
ihres eigenen Entscheides bereits gefällt ist, nur unter bestimmten
Voraussetzungen abweichen soll (BGE 104 Ib 359 f. E. 1, 103 Ib 104 ff. E. 2
mit Hinweisen, vgl. auch 105 Ib 19). Wenn die rechtliche Würdigung stark
von der Würdigung von Tatsachen abhängt, welche der Strafrichter besser
kennt, soll sich die Entzugsbehörde nach der Rechtsprechung auch in bezug
auf Rechtsfragen nur mit Zurückhaltung vom Standpunkt des Strafrichters
entfernen (BGE 104 Ib 362 ff. E. 3).

    Der Beschwerdeführer bestreitet im vorliegenden Fall nicht, dass er
mit seinem Verhalten die objektiven Tatbestandsmerkmale der Widerhandlung
gegen das Betäubungsmittelgesetz erfüllt hat. Er ist aber der Auffassung,
dass das Obergericht aufgrund des psychiatrischen Gutachtens den Grad
seines Verschuldens geringer beurteilen werde als das Bezirksgericht. Aus
diesem Grund beantragt er, das vorliegende Verfahren auszusetzen, bis
die Schuldfrage im Strafprozess geklärt ist.

    Aus den Vorakten, insbesondere aus den polizeilichen Verhörprotokollen
ergeben sich, entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers, genügend
Anhaltspunkte, um dessen Verschulden zu beurteilen. In der Frage des
Verschuldens bestehen unter diesen Umständen keine Zweifel, welche ein
Aussetzen des Entzugsverfahrens bis zum Vorliegen eines rechtskräftigen
Strafurteils verlangen würden. Der Regierungsrat verletzte somit kein
Bundesrecht, indem er das Verschulden des Beschwerdeführers ohne Rücksicht
auf den Ausgang des Strafverfahrens würdigte. Aus dem gleichen Grund
braucht auch das Verfahren vor dem Bundesgericht nicht ausgesetzt zu
werden, bis die Ergebnisse des im obergerichtlichen Verfahren beantragten
psychiatrischen Gutachtens bekannt sind.

Erwägung 3

    3.- (Das Bundesgericht stellt fest, dass der Regierungsrat mit der
Entzugsdauer von sechs Monaten kein Bundesrecht verletzt hat.)