Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 106 IB 193



106 Ib 193

30. Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 28. März
1980 i.S. Bundesamt für Justiz gegen Jenner und Stucky
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland.

    1. Die Volljährigkeit eines Ausländers, der ein Gesuch um Erteilung
der Bewilligung zum Erwerb eines Grundstückes in der Schweiz stellt,
ist nach dem Recht seines Heimatstaates zu beurteilen (E. 1).

    2. Wohnsitz im Sinne von Art. 4 BewB; Fall eines Ausländers, der sich
zu Studienzwecken in der Schweiz aufhält (E. 2).

    3. Die Fälle, in denen ein berechtigtes Interesse am Erwerb
eines Grundstückes in der Schweiz besteht, sind in Art. 6 Abs. 2 BewB
abschliessend aufgezählt; berechtigtes Interesse vorliegend verneint
(E. 3).

Sachverhalt

    A.- Udo Jenner, geboren am 9. Mai 1960, ist deutscher Staatsangehöriger
und hält sich seit September 1974 als Internatsschüler des Instituts
Montana auf dem Zugerberg auf. Er beabsichtigt, sein Maturitätsexamen im
Jahre 1980 abzulegen und anschliessend ein Studium an der Universität
Zürich aufzunehmen. Seit dem 6. September 1974 besitzt Jenner eine
Aufenthaltsbewilligung für Schüler.

    Mit öffentlicher Urkunde vom 23. November 1977 verkaufte Fritz Stucky,
Architekt in Baar, Udo Jenner ein mit einem Einfamilienhaus bebautes
Grundstück in der zugerischen Gemeinde Neuheim. Dieser Kaufvertrag
wurde unter dem Vorbehalt geschlossen, dass dem Käufer die nach dem
Bundesbeschluss über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im
Ausland (BewB) erforderliche Bewilligung erteilt werde. Am 25. August
1978 verweigerte die Volkswirtschaftsdirektion des Kantons Zug Jenner die
Bewilligung, das genannte Grundstück zu erwerben. Zur Begründung führte sie
im wesentlichen aus, einerseits sei der Bewerber nach schweizerischem Recht
minderjährig und deshalb nicht handlungsfähig, anderseits sei die Annahme
nicht von der Hand zu weisen, dass der Bewerber mit dem Grundstückskauf
eine Kapitalanlage beabsichtige, ohne sich über ein berechtigtes Interesse
im Sinne des Bewilligungsbeschlusses ausweisen zu können. Auf Beschwerde
des Verkäufers Stucky und des Käufers Jenner hob das Verwaltungsgericht des
Kantons Zug am 18. Oktober 1978 den Entscheid der Volkswirtschaftsdirektion
auf und wies die Sache zur Erteilung der Bewilligung an diese zurück.

    Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt das Bundesamt für
Justiz, es sei der Entscheid des Verwaltungsgerichtes des Kantons Zug vom
19. Oktober 1978 aufzuheben und die nachgesuchte Bewilligung zum Erwerb
des genannten Grundstücks zu verweigern.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Das Bundesamt für Justiz macht zunächst (gleich wie zuvor die
Volkswirtschaftsdirektion des Kantons Zug) geltend, im vorliegenden Fall
richte sich die Handlungsfähigkeit von Udo Jenner nach schweizerischem
Recht. Die Anwendung ausländischen Rechts stehe hier dem Zweck des
BewB entgegen und müsse auch unter Berufung auf den schweizerischen
ordre public verweigert werden. Jenner, der somit als minderjährig zu
betrachten sei, habe ohne Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters keine
gültigen Rechtshandlungen vornehmen können. Sein Gesuch um Bewilligung
des Grundstückerwerbs und seine Beschwerde beim Verwaltungsgericht des
Kantons Zug seien aus diesem Grund rechtlich nicht zulässig gewesen
und die Behörden des Kantons Zug hätten auf die Sache nicht eintreten
dürfen. Die Beschwerdegegner vertreten andererseits die Auffassung,
die Handlungsfähigkeit des Käufers bestimme sich nach deutschem Recht.

    a) Der Bewilligungsbeschluss enthält keine besonderen Regeln über die
Fähigkeit ausländischer Personen, bewilligungspflichtige Rechtsgeschäfte
abzuschliessen und vor Verwaltungs- und Gerichtsbehörden aufzutreten. Eine
solche Regel kann, entgegen der Auffassung des beschwerdeführenden Amtes,
auch nicht aus dem Zweck dieses Beschlusses abgeleitet werden. Insbesondere
ergibt sich daraus nicht, dass im Anwendungsbereich des BewB die
Handlungsfähigkeit ausländischer Personen nach schweizerischem Recht zu
beurteilen sei. Der BewB verfolgt das Ziel, den Verkauf von Grundstücken
an Ausländer einzuschränken, ohne dabei die nach schweizerischem Recht
noch nicht handlungsfähigen Personen benachteiligen zu wollen. Da weder
aus dem Wortlaut, noch aus dem Zweck des BewB eine Regel zur Beurteilung
der Handlungsfähigkeit ausländischer Personen hervorgeht, ist diese Frage
auch im Anwendungsbereich des BewB nach den internationalprivatrechtlichen
Normen, nach denen sich die Handlungsfähigkeit ausländischer Personen im
allgemeinen richtet, zu entscheiden. Der schweizerische ordre public ist
dabei nicht betroffen.

    b) Der Kaufvertrag wurde im vorliegenden Fall am 23. November 1977
geschlossen. An diesem Datum hatte der Käufer Jenner, der am 9. Mai
1960 geboren ist, das 18. Altersjahr noch nicht vollendet. Er war somit
sowohl nach schweizerischem als auch nach deutschem Recht minderjährig
und daher noch nicht handlungsfähig (Art. 14 Abs. 1 ZGB, § 2 BGB). Bei
dieser Rechtslage konnte sich Jenner mit dem Abschluss des Kaufvertrages
nur unter Mitwirkung seines gesetzlichen Vertreters gültig verpflichten
(Art. 19 ZGB, § 107 BGB). Weder der Kaufvertrag vom 23. November 1977 noch
sonst ein Schriftstück, das den kantonalen Behörden eingereicht wurde,
weist jedoch auf eine Zustimmung durch seinen gesetzlichen Vertreter
hin. Es ist daher davon auszugehen, dass sich Jenner mit dem erwähnten
Kaufvertrag nicht rechtsgültig verpflichtet hat.

    Im schweizerischen wie im deutschen Recht sind Rechtsgeschäfte, die
von urteilsfähigen unmündigen oder entmündigten Personen ohne Mitwirkung
des gesetzlichen Vertreters getätigt werden, nicht nichtig, sie sind
vielmehr gültig, wenn dieser ausdrücklich oder konkludent zustimmt oder
nachträglich genehmigt. Ausserdem kann eine Person Rechtsgeschäfte, welche
sie vor Erreichen der Mündigkeit abgeschlossen hat, nach Eintritt der
Mündigkeit genehmigen (BGE 82 II 172, § 108 Abs. 3 BGB). Diese Genehmigung
durch die mündiggewordene Person ist an keine Form gebunden, selbst dann
nicht, wenn das derart genehmigte Rechtsgeschäft formbedürftig ist (BGE
75 II 341; STAUDINGER, Kommentar zum (deutschen) Bürgerlichen Gesetzbuch,
12. Aufl., N. 18 zu § 108).

    Jenner ist nach deutschem Recht seit dem 9. Mai 1978 volljährig (§
2 BGB). Wenn dieses Recht anwendbar ist, muss davon ausgegangen werden,
dass er nach Erreichen der Mündigkeit, mindestens konkludent den fraglichen
Kaufvertrag genehmigt hat. Er konnte in diesem Fall ferner rechtsgültig
am 28. Juni 1978 eine Bewilligung zum Erwerb des Grundstücks beantragen
sowie vor dem Verwaltungsgericht des Kantons Zug Beschwerde führen. Nach
schweizerischem Recht hingegen hätte Jenner die Möglichkeit nicht gehabt,
diese Handlungen gültig vorzunehmen, da er im massgebenden Zeitraum
noch unmündig war. Es ist daher zu entscheiden, nach welchem Recht seine
Handlungsfähigkeit beurteilt werden muss.

    c) Nach Art. 59 SchlT ZGB bleibt das Bundesgesetz vom 25. Juni 1891
betreffend die zivilrechtlichen Verhältnisse der Niedergelassenen und
Aufenthalter (NAG) für die Rechtsverhältnisse der Schweizer im Ausland und
der Ausländer in der Schweiz in Kraft. Dieses Gesetz behält seinerseits
in Art. 34 die Anwendbarkeit von Art. 10 Abs. 2 und 3 des Bundesgesetzes
vom 22. Juni 1881 betreffend die persönliche Handlungsfähigkeit (AS
Bd. V, 1880-81, S. 556) vor. Diese beiden Absätze von Art. 10 sind
deshalb weiterhin in Kraft, obschon das Gesetz über die persönliche
Handlungsfähigkeit durch Art. 60 Abs. 2 SchlT ZGB an sich aufgehoben
worden ist (BGE 61 II 17 mit Hinweis).

    Nach Art. 10 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die persönliche
Handlungsfähigkeit richtet sich die Handlungsfähigkeit der
Ausländer in der Schweiz nach dem Recht ihres Heimatstaates. Dieser
internationalprivatrechtliche Grundsatz ist von der Rechtsprechung
verschiedentlich bestätigt worden (BGE 82 II 172 mit Hinweisen). Zwar
vermag sich der Ausländer gemäss Art. 10 Abs. 3 des genannten Gesetzes
in der Schweiz durch seine hier vorgenommenen Rechtsgeschäfte gültig zu
verpflichten, wenn er nach schweizerischem Recht handlungsfähig wäre, auch
wenn ihm nach seinem Heimatrecht die Handlungsfähigkeit fehlt (vgl. auch
Art. 7b Abs. 1 NAG). Es handelt sich bei dieser Bestimmung jedoch um eine
Ausnahme im Interesse der Rechtssicherheit. Entgegen der Auffassung der
erstinstanzlichen Bewilligungsbehörde ist die Handlungsfähigkeit aber
nicht generell nach schweizerischem Recht zu beurteilen, sobald ein
Rechtsgeschäft unter Anwesenden in der Schweiz abgeschlossen worden ist.

    Im vorliegenden Fall ist somit davon auszugehen, dass sich
die Handlungsfähigkeit des Käufers Jenner nach dessen Heimatrecht
richtet. Nach diesem Recht wurde Jenner am 9. Mai 1978 mündig und
erwarb damit die Handlungsfähigkeit. Er konnte demnach den Kaufvertrag
vom 23. November 1977 gültig genehmigen und war zur Einreichung eines
Gesuchs bei der Volkswirtschaftsdirektion sowie zur Beschwerdeführung
vor Verwaltungsgericht fähig.

Erwägung 2

    2.- Jenner bestreitet nicht, dass er für den Erwerb eines Grundstückes
in der Schweiz einer Bewilligung im Sinne des BewB bedarf. Die Frage der
Unterstellung unter die Bewilligungspflicht ist jedoch vom Bundesgericht
vom Amtes wegen zu prüfen (BGE 104 Ib 143 E. 1).

    Nach Art. 1 BewB bedarf der Erwerb von Grundstücken in der Schweiz
durch Personen mit Wohnsitz im Ausland der Bewilligung der zuständigen
kantonalen Behörde. Als Personen mit Wohnsitz im Ausland gelten
u.a. natürliche Personen, die ihren Wohnsitz nicht in der Schweiz
haben (Art. 3 lit. a BewB). Als Wohnsitz im Sinne des BewB ist ein
zivilrechtlicher Wohnsitz zu betrachten, der ununterbrochen mehr als fünf
Jahre gedauert hat (Art. 4 BewB).

    Der Beschwerdegegner Jenner hält sich seit mehr als fünf Jahren
aufgrund einer regelmässig verlängerten Aufenthaltsbewilligung in der
Schweiz auf. Bis zu seiner Mündigkeit am 9. Mai 1978 teilte er jedoch
von Gesetzes wegen den ausländischen Wohnsitz seines Vaters (Art. 25
Abs. 1 ZGB). Aber auch nach Erreichen der Volljährigkeit konnte er in der
Schweiz keinen Wohnsitz begründen, da ein Aufenthalt zu Studienzwecken
keine Voraussetzung dafür schafft (Art. 26 ZGB; Urteil vom 14. Februar
1977 in ZGBR 59/1978, S. 242 E. 3a). Er ist somit als Person mit Wohnsitz
im Ausland zu betrachten. Da auch keine Ausnahme im Sinne von Art. 5
BewB zutrifft, bedarf ein von ihm abgeschlossener Grundstückerwerb der
Bewilligung durch die zuständige kantonale Behörde.

Erwägung 3

    3.- Die Bewilligung zum Erwerb eines Grundstückes in der Schweiz wird
erteilt, wenn der Erwerber mit Wohnsitz im Ausland ein berechtigtes
Interesse am Erwerb nachweist (Art. 6 Abs. 1 BewB). Die Fälle, in
denen ein berechtigtes Interesse am Erwerb besteht, sind in Art. 6
Abs. 2 BewB abschliessend aufgezählt (Urteil vom 27. Oktober 1972 in
ZGBR 54/1973 S. 119 E. 3, Urteil vom 27. Oktober 1972 in ZGBR 54/1973
S. 124 E. 2). Im vorliegenden Fall, bei dem es sich um den Erwerb einer
Zweitwohnung handelt, ist zu untersuchen, ob eine der in Art. 6 Abs. 2
lit. a BewB genannten Voraussetzungen erfüllt ist.

    a) Die Vorinstanz hat zu Unrecht angenommen, die Bewilligung könne
in Anwendung von Art. 6 Abs. 2 lit. a Ziff. 1 erteilt werden. Nach dieser
Bestimmung ist ein berechtigtes Interesse anzunehmen, wenn aussergewöhnlich
enge geschäftliche oder andere schutzwürdige Beziehungen des Erwerbers
zum Ort des zu erwerbenden Grundstückes bestehen. Jenner hält sich
seit September 1974 im Internat Montana auf dem Zugerberg (Gemeinde
Zug) auf, während das Grundstück, das er erwerben will, in Neuheim,
d.h. in einer anderen Gegend des Kantons Zug liegt. Jenner macht nicht
geltend, er unterhalte zur Gemeinde Neuheim besonders enge Beziehungen. Er
behauptet auch nicht, er unterhalte zu einer Nachbargemeinde von Neuheim
besonders enge Beziehungen, welche denjenigen zum Ort des zu erwerbenden
Grundstücks gleichgestellt werden (Art. 12 BewV). Bei dieser Sachlage
kann die Bewilligung aufgrund von Art. 6 Abs. 2 lit. a Ziff. 1 BewB nicht
erteilt werden.

    b) Die Vorinstanz hat ferner zu Unrecht Art. 6 Abs. 2 lit. a Ziff. 2
BewB angewendet. Die Fremdenpolizei hat Jenner eine Aufenthaltsbewilligung
für einen Aufenthalt im Institut Montana auf dem Zugerberg, d.h. in
der Gemeinde Zug erteilt. Eine Bewilligung für den Aufenthalt in der
Gemeinde Neuheim, wo sich das fragliche Grundstück befindet, stand nie
zur Diskussion. Jenner kann sich folglich nicht darauf berufen, er halte
sich im Sinne von Art. 6 Abs. 2 lit. a Ziff. 2 BewB "mit Bewilligung der
Fremdenpolizei" am Ort des zu erwerbenden Grundstücks auf.

    c) Schliesslich ist die Gemeinde Neuheim kein Ort, dessen Wirtschaft
im Sinne von Art. 6 Abs. 2 lit. a Ziff. 3 BewB vom Fremdenverkehr
abhängt. Eine Bewilligung kann daher, was unbestritten ist, auch aufgrund
dieser Bestimmung nicht erteilt werden.

    d) Da im vorliegenden Fall keine der in Art. 6 Abs. 2 lit. a genannten
Voraussetzungen zutreffen, kann Jenner die Bewilligung zum Erwerb der
Parzelle Nr. 410 von Neuheim nicht erteilt werden. Die Vorinstanz hat
daher mit dem angefochtenen Entscheid, in dem sie die Erteilung der
Bewilligung anordnete, Bundesrecht verletzt. Dies führt zur Gutheissung
der Beschwerde des Bundesamtes für Justiz. Bei dieser Rechtslage braucht
nicht geprüft zu werden, ob Jenner die Parzelle Nr. 410 des Grundbuches
Neuheim im Auftrag und für Rechnung einer Drittperson (z.B. seines Vaters)
zu erwerben beabsichtigt und ob daher ein Umgehungsgeschäft vorliegt.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Verwaltungsgerichts
des Kantons Zug vom 19. Oktober 1978 aufgehoben und die Bewilligung zum
Erwerb des Grundstückes GBP 410 in der Gemeinde Neuheim verweigert.