Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 106 IB 151



106 Ib 151

25. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom
9. Juli 1980 i.S. Kappeler gegen Seilbahnen Obersaxen AG und Departement
des Innern und der Volkswirtschaft des Kantons Graubünden (staatsrechtliche
Beschwerde) Regeste

    Reglement vom 18. Oktober 1954 zum Konkordat vom 15. Oktober 1951
über die nicht eidgenössisch konzessionierten Seilbahnen und Skilifte.

    Wird ein erstes Skiliftprojekt zugunsten eines zweiten zurückgenommen,
fällt mit der Bewilligung des zweiten Projekts jene für das erste
Skiliftprojekt dahin. Wenn dieses später wiederaufgenommen und der
Behörde mit einem neuen Bewilligungsgesuch unterbreitet wird, muss das
Bewilligungsverfahren, inbegriffen das im genannten Reglement vorgesehene
Auflage- und Einspracheverfahren, erneut durchgeführt werden.

Sachverhalt

    A.- Die Seilbahnen Obersaxen AG (SOAG) plante seit 1972 die Erstellung
eines Skiliftes auf dem Gebiet der Gemeinde Obersaxen von der Alp Wali
zum Piz Sezner. Für ein erstes Projekt, das der kantonalen Behörde am 16.
Juni 1972 unterbreitet worden war, erteilte das Departement des Innern
und der Volkswirtschaft des Kantons Graubünden (DIV) am 13. Mai 1975 die
Bau- und Betriebsbewilligung. Die SOAG liess das erste Projekt jedoch
fallen und änderte die Linienführung des Skiliftes, indem sie - unter
Beibehaltung des Endpunktes der Bergstation - die Talstation weiter
westlich talwärts verlegte. Das DIV erteilte dem abgeänderten Projekt
mit Verfügung vom 20. September 1978 die Bau- und Betriebsbewilligung,
welche diejenige vom 13. Mai 1975 ersetzte. Die SOAG führte auch das
zweite Projekt nicht aus, sondern nahm das erste wieder auf und ersuchte
am 26. Januar 1979 um eine Bau- und Betriebsbewilligung für den Skilift
"auf der ursprünglich bewilligten alten Linie". Das DIV erteilte der SOAG
mit Verfügung vom 6. Februar 1979 die verlangte Bewilligung.

    Cornelia Kappeler, Eigentümerin eines in der Gemeinde Obersaxen
gelegenen Berggutes, führt gegen diesen Entscheid staatsrechtliche
Beschwerde. Sie rügt, das am 6. Februar 1979 bewilligte Skiliftprojekt
sei in Verletzung von Art. 2 des Reglementes vom 18. Oktober 1954
zum Konkordat vom 15. Oktober 1951 über die nicht eidgenössisch
konzessionierten Seilbahnen und Skilifte nicht unter Ansetzung einer
vierwöchigen Einsprachefrist zur öffentlichen Einsicht aufgelegt worden.

    Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Das Konkordat vom 15. Oktober 1951 über die nicht eidgenössisch
konzessionierten Seilbahnen und Skilifte (SR 743.22) ermächtigt in Art. 9
Abs. 3 Ziff. 1 die Konferenz der dem Konkordat angeschlossenen Kantone,
Vorschriften für den Bau und Betrieb der unter das Konkordat fallenden
Seilbahnen und Skilifte aufzustellen. Gestützt auf diese Ermächtigung
hat die genannte Konferenz am 18. Oktober 1954 das Reglement über Bau und
Betrieb der nicht eidgenössisch konzessionierten Seilbahnen und Skilifte
(im folgenden als "Reglement" bezeichnet) erlassen. Gemäss Art. 2 Ziff. 2
des Reglementes ist das Gesuch um Bewilligung für den Bau und Betrieb
eines Skiliftes in der Gemeinde, auf deren Gebiet die Anlage errichtet
und betrieben werden soll, unter Beilage der Pläne während 14 Tagen
zur öffentlichen Einsicht aufzulegen. Die Auflage ist im Amtsblatt zu
veröffentlichen. Einsprachen gegen das Projekt sind innert vier Wochen
seit Beginn der Auflagefrist bei der im Amtsblatt bezeichneten Behörde
anzubringen.

    Das DIV hat der SOAG die Bau- und Betriebsbewilligung für das erste
Skiliftprojekt am 13. Mai 1975, für das zweite Projekt am 20. September
1978 erteilt, wobei jedesmal das im Reglement vorgesehene Auflage-
und Einspracheverfahren durchgeführt wurde. Das Gesuch der SOAG vom
26. Januar 1979 um Bewilligung des Skiliftes "auf der ursprünglich
bewilligten alten Linie", welches dem angefochtenen Entscheid zugrunde
liegt, wurde dagegen nicht öffentlich aufgelegt. Wie dem Entscheid der
Bündner Regierung vom 18. Juni 1979 zu entnehmen ist, hielt das DIV dafür,
es handle sich bei diesem Projekt um das bereits 1975 in allen Teilen
dem Verfahren nach Art. 2 des Reglementes unterzogene und mit Verfügung
vom 13. Mai 1975 bewilligte erste Skiliftprojekt, weshalb eine erneute
Durchführung des Auflage- und Einspracheverfahrens nicht erforderlich
sei. Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden. Mit der Bewilligung des
zweiten Projektes wurde die am 13. Mai 1975 erteilte Bewilligung für das
erste Projekt aufgehoben. Wurde dieses später wiederaufgenommen und der
kantonalen Behörde am 26. Januar 1979 mit einem neuen Bewilligungsgesuch
unterbreitet, so musste - da für das erste Projekt keine Bewilligung
mehr bestand - das gesamte Bewilligungsverfahren erneut durchgeführt
werden. Gemäss Reglement bildet das Auflage- und Einspracheverfahren einen
Bestandteil des Bewilligungsverfahrens. Das fragliche Skiliftprojekt
hätte demnach öffentlich aufgelegt werden müssen und zwar selbst dann,
wenn es mit dem ersten Projekt identisch gewesen wäre. Eine erneute
Publikation ist in solchen Fällen schon deshalb erforderlich, weil
die Auflage des ersten Projekts oft längere Zeit (im vorliegenden Fall
z.B. rund 6 1/2 Jahre) zurückliegt und es daher vorkommen kann, dass die
Rechtsordnung inzwischen geändert wurde oder eine wesentliche Veränderung
der tatsächlichen Verhältnisse eingetreten ist. Im übrigen wies das
hier in Frage stehende Projekt gegenüber dem ersten nicht unwesentliche
Änderungen auf, wurde doch im späteren Projekt die Bergstation ca. 50-60
m tiefer gelegt. Das DIV hätte nach dem Gesagten das am 26. Januar 1979
eingereichte Skiliftprojekt entsprechend Art. 2 Ziff. 2 des Reglementes
unter Ansetzung einer vierwöchigen Einsprachefrist zur öffentlichen
Einsicht auflegen müssen. Indem es das unterliess, hat es die genannte
Bestimmung und damit Konkordatsrecht verletzt. Die Beschwerde ist daher
gutzuheissen und der Entscheid des DIV vom 6. Februar 1979 betreffend die
Bau- und Betriebsbewilligung für den Skilift Wali-Sezner aufzuheben. Das
Auflage- und Einspracheverfahren muss nachgeholt werden, obgleich der
Skilift inzwischen gebaut wurde und bereits in Betrieb war.