Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 106 IB 145



106 Ib 145

24. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
vom 11. Juli 1980 i.S. Bank X. gegen Eidg. Bankenkommission
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Behandlung ungewöhnlicher Bankgeschäfte (Art. 3 Abs. 2 lit. c BankG;
Art. 9 Abs. 3 BankV; Anhang II lit. C BankV).

    1. Banken sind nach Art. 9 Abs. 3 BankV verpflichtet, bei
ungewöhnlichen Geschäften von allen Vertragspartnern schriftliche
Erklärungen über Absicht und Begründung des gewählten Vorgehens zu
verlangen und sich über deren Wahrheitsgehalt zu vergewissern. Frage
offengelassen, ob eine Bank, die im Verhältnis zu ihren Eigenmitteln
für sehr hohe Beträge Wertschriftengeschäfte mit liechtensteinischen
Anstalten tätigt, noch Gewähr für einwandfreie Geschäftstätigkeit im
Sinne von Art. 3 Abs. 2 lit. c BankG bietet (E. 2).

    2. Berührt ein Geschäft das Vermögen einer Bank nicht, so ist es
als Treuhandgeschäft im Sinne von Anhang II lit. C BankV zu betrachten,
auch wenn es von den Parteien durch eine Mehrzahl kombinierter Verträge
begründet und nicht als Auftrag bezeichnet wird (E. 3).

Sachverhalt

    A.- Am 14. April 1977 erstattete die Bank X. der Eidg.
Bankenkommission eine Risikoverteilungsmeldung. Verschiedene
Erkundigungen der Eidg. Bankenkommission ergaben in der Folge, dass zwei
liechtensteinische Anstalten der Bank X. Auftrag erteilt hatten, die
Gründerrechte verschiedener liechtensteinischer Anstalten, die Aktien
einer liechtensteinischen Gesellschaft sowie ein Aktienpaket eines
Konzerns zu verkaufen. Die Aufträge sind von einem Direktor der Bank
X. unterzeichnet, der gleichzeitig Verwalter der betreffenden Anstalten
ist. Die Bank X. übernahm die Titel selbst. In einer Vereinbarung vom
selben Tag mit der liechtensteinischen Gesellschaft Y. verpflichtete sich
die Bank X., dieser die Titel zu einem bestimmten späteren Zeitpunkt zu
übertragen und zwar zum selben Preis, den die Bank X. bezahlt hatte. Zur
Sicherstellung der Kaufpreisschuld wurde die eine Hälfte des Preises auf
einem Konto der Gesellschaft Y., die andere Hälfte auf einem Konto der
Anstalt Z., einer der verkaufenden liechtensteinischen Anstalten, bei
der Bank X. blockiert. Die Titel wurden der Anstalt Z. zur Sicherstellung
verpfändet. Zur Übertragung der Titel wird die Gesellschaft Y. nach der
Vereinbarung die zweite Hälfte des Kaufpreises an die Bank X. leisten,
die ihrerseits das verpfändete Guthaben der Anstalt Z. freigeben
soll, worauf die Anstalt Z. die verpfändeten Titel der Gesellschaft
Y. auszuliefern hat. Der Termin für diese Übertragung wurde mehrfach
hinausgeschoben. Die wirtschaftlichen Hintergründe der Transaktion sind
im Laufe der Abklärungen nur teilweise durchsichtig geworden.

    Mit Entscheid vom 7. März 1979 verfügte die Eidg. Bankenkommission,
die Rechte und Pflichten der Bank X. aus den am 14. April 1977 der
Bankenkommission gemeldeten und noch in Kraft stehenden Verträgen
seien ab sofort gemäss den Bestimmungen der Bankengesetzgebung über
die buchhalterische Behandlung von Treuhandgeschäften ordnungsgemäss zu
verbuchen, jedoch nicht in die Bilanz aufzunehmen (Anhang II zur BankV, SR
952.02). Ausserdem wies die Eidg. Bankenkommission die Bank X. in dieser
Verfügung darauf hin, dass sie in Zukunft bei derartigen ungewöhnlichen
Geschäften mit grösserer Sorgfalt vorzugehen habe.

    Das Bundesgericht hat die Verwaltungsgerichtsbeschwerde der Bank
X. gegen diese Verfügung abgewiesen, aus folgenden

Auszug aus den Erwägungen:

                         Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- a) Schon aus dem Wortlaut von Art. 3 Abs. 2 lit. c BankG ergibt
sich klar, dass die Bewilligung zur Geschäftstätigkeit einer Bank nur
erteilt - bzw. belassen - werden kann, wenn die mit der Verwaltung und
Geschäftsführung betrauten Personen einen guten Ruf geniessen und Gewähr
für eine einwandfreie Geschäftstätigkeit bieten. Die Verantwortlichen einer
Bank haben sich - entsprechend dem Hauptzweck des Gesetzes im Interesse
der Gläubiger - über gute Berufskenntnisse auszuweisen und müssen fähig
sein, die Geschäfte der Bank sachkundig und sorgfältig zu führen (vgl.
BODMER/KLEINER/LUTZ, Kommentar zum BankG N. 16-18 zu Art. 3-3ter). Aber
die fachlichen Fähigkeiten genügen nicht. Die Interessen der Gläubiger sind
auch gefährdet, wenn die mit der Verwaltung und Geschäftsführung einer Bank
betrauten Personen des Vertrauens ihrer Kunden und des Publikums nicht
mehr würdig sind (vgl. zum Begriff des "guten Leumunds" eines Revisors
BGE 99 Ib 110 E. 5 und eines Direktors unveröff. Entscheid vom 16. Juni
1978 i.S. B., E. 3 b, c).

    b) Die Eidg. Bankenkommission hat im vorliegenden Fall aufgrund der
Mitteilung der Beschwerdeführerin vom 14. April 1977 weitere Auskünfte und
Belege über das umstrittene Geschäft zuerst von der Revisionsstelle und
dann direkt von der Beschwerdeführerin verlangt. Da diese die Fragen der
Bankenkommission nur teilweise, und oft auch mit Verspätung, beantwortete,
haben die Abklärungen fast zwei Jahre gedauert. Entgegen der Auffassung der
Beschwerdeführerin ist die lange Dauer der Untersuchung nicht etwa darauf
zurückzuführen, dass die Bankenkommission gezögert hätte, einzugreifen;
sie ist im Gegenteil der fehlenden Bereitschaft der Beschwerdeführerin
zuzuschreiben, umfassend Auskunft zu erteilen.

    Es ist übrigens fraglich, ob eine Bank noch Gewähr für eine
einwandfreie Geschäftstätigkeit im Sinne von Art. 3 Abs. 2 lit. c
BankG bietet, wenn sie für sehr hohe Beträge - im Verhältnis zu ihren
Eigenmitteln - Wertschriftengeschäfte mit liechtensteinischen Anstalten
tätigt, deren rechtliche Existenz überhaupt schon zweifelhaft ist und
die jedenfalls praktisch keinerlei Gewähr für ihre Solvenz bieten. Im
vorliegenden Fall haben überdies hohe Funktionäre der Beschwerdeführerin
die umstrittenen Rechtsgeschäfte zwischen Bank und beteiligten Anstalten
im Namen und für Rechnung der betreffenden Anstalten unterzeichnet. Nach
schweizerischem Recht sind aber sowohl der Vertrag mit sich selbst
wie die Doppelvertretung wegen der Gefahr der Benachteiligung einer
Vertragspartei grundsätzlich untersagt und ein Rechtsgeschäft ist deshalb
nach der Rechtsprechung in der Regel nichtig, wenn der Vertreter einer
Partei gleichzeitig Vertreter oder Organ der Gegenpartei ist (BGE 99 Ia 9
E. 3 d, 95 II 452 E. 5 jeweils mit Hinweisen). Schliesslich scheinen die
verschiedenen, an der Transaktion beteiligten Anstalten jedenfalls zum
Teil derselben Person zu gehören. Es erscheint deshalb fraglich, ob sich
der Zweck des Geschäftes nicht darin erschöpft, den wirklichen Eigentümer
der Titel noch anonymer zu machen - ein Ziel, dessen Rechtmässigkeit
zum vorneherein als zweifelhaft erscheint. Die Eidg. Bankenkommission
hat sich unter diesen Umständen zu Recht gefragt, ob die Voraussetzung
einwandfreier Geschäftstätigkeit im Sinne von Art. 3 Abs. 2 lit. c BankG
noch erfüllt sei.

    c) Die Bankenkommission hat der Beschwerdeführerin in der angefochtenen
Verfügung in Erinnerung gerufen, dass zwar auch ungewöhnliche Geschäfte
einer Bank nicht verboten sind, "sofern sie dabei die Sorgfaltspflicht
und die Gewähr für einwandfreie Geschäftstätigkeit nicht verletzt". Die
Bank ist in einem solchen Fall gemäss Art. 9 Abs. 3 BankV verpflichtet,
von allen ihren Partnern schriftliche Erklärungen zu verlangen, aus
denen Absicht und Begründung des gewählten ungewöhnlichen Vorgehens
klar hervorgehen; sie hat sich ausserdem über den Wahrheitsgehalt dieser
Erklärungen zu vergewissern. Dieses Vorgehen soll sachkundigen Dritten,
in erster Linie der Revisionsstelle, aber auch der Bankenkommission,
ermöglichen, die Geschäfte aufgrund aussagekräftiger Unterlagen
zu überblicken und namentlich zu beurteilen, ob die Voraussetzung
einwandfreier Geschäftstätigkeit gemäss Art. 3 Abs. 2 lit. c BankG noch
erfüllt ist (Art. 19 Abs. 1 BankG, Art. 23bis ff. BankG).

    Da die Bankenkommission in der angefochtenen Verfügung darauf
verzichtet hat, der Beschwerdeführerin oder ihren Organen die Bewilligung
zur Ausübung der Geschäftstätigkeit zu entziehen, braucht im vorliegenden
Fall nicht geprüft zu werden, ob die Voraussetzungen dafür erfüllt
wären. Es genügt festzuhalten, dass der Eidg. Bankenkommission jedenfalls
kein Vorwurf daraus gemacht werden kann, dass sie der Beschwerdeführerin
die Grundsätze des Art. 9 Abs. 3 BankV in Erinnerung gerufen hat.

Erwägung 3

    3.- Die unmittelbare Kontrolle der Buchführung obliegt in erster
Linie den Revisionsorganen (BGE 103 Ib 356 E. 7 a, 99 Ib 110 E. 5). Nach
Art. 23ter Abs. 1 BankG ist die Eidg. Bankenkommission jedoch zum
Einschreiten berechtigt bzw. verpflichtet, wenn sie Verstösse gegen die
Bilanzierungsvorschriften oder andere Missstände erfährt.

    Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin hat die
Eidg. Bankenkommission im vorliegenden Fall zu Recht einen Verstoss gegen
die Bilanzierungsvorschriften angenommen. Die Bilanz soll den Beteiligten,
d.h. grundsätzlich den Gesellschaftsorganen und den Gesellschaftern, einen
möglichst sicheren Überblick über die wirtschaftliche Lage eines Geschäftes
verschaffen. Es gilt deshalb der Grundsatz, dass bei der Bilanzierung
von Geschäftsvorgängen der wirtschaftlichen Betrachtungsweise gegenüber
der juristischen der Vorrang gebührt (vgl. G.-C. BOURQUIN, Le principe
de sincérité du bilan, Genève 1976, S. 322, R. PATRY, Die kaufmännische
Buchführung, in Schweizerisches Privatrecht Bd. VIII/1 S. 187 Ziff. 3,
G. BEELER, Schweizerisches Buchführungs- und Bilanzrecht, Zürich 1956
S. 22). Die Bankbilanz dient nicht nur der Orientierung der Gesellschafter
selbst, sondern soll auch den Bankgläubigern und überhaupt dem Publikum
sowie der Aufsichtsbehörde einen sicheren Einblick in die wirtschaftliche
Lage der Bank vermitteln (KLEINER, Die Gesetzgebung über das Bankwesen in
Bund und Kantonen, 2. Aufl. Zürich S. 43, BODMER/KLEINER/LUTZ, aaO N. 28-32
zu Art. 6). Bankbilanzen haben aus diesem Grunde neben den allgemeinen
Bilanzierungsgrundsätzen noch den besonderen Gliederungsvorschriften der
Bankengesetzgebung zu genügen.

    Nach Anhang II lit. C Abs. 4 BankV sind Treuhandgeschäfte
ordnungsgemäss zu verbuchen, jedoch nicht in die Bilanz aufzunehmen. Unter
Treuhandgeschäften sind nach Anhang II lit. C Abs. 5 BankV zu verstehen:

    "Anlagen und Kredite, welche die Bank in eigenem Namen, jedoch
auf Grund
   eines schriftlichen Auftrags ausschliesslich für Rechnung und Gefahr des

    Kunden tätigt oder gewährt. Der Auftraggeber trägt das Währungs-,
Transfer-
   und Delcredererisiko, ihm kommt der volle Ertrag des Geschäfts zu;
   die Bank bezieht nur eine Kommission."

    Dem Treuhandgeschäft ist wesentlich, dass der Treuhänder zwar
juristisch als Berechtigter, namentlich als Eigentümer, erscheint, jedoch
im Interesse, auf Rechnung und Gefahr eines Dritten handelt; das Vermögen
des Treuhänders wird deshalb weder durch die treuhänderische Berechtigung
vermehrt noch durch allfällige Verpflichtungen aus Treuhandgeschäften
vermindert. Die Vorschrift über die buchhalterische Behandlung von
Treuhandgeschäften will im Interesse der Bilanzwahrheit und -klarheit
verhindern, dass Geschäfte in der Bilanz aufgeführt werden, die die
Vermögenslage der Bank nicht berühren. Die Bilanz soll nicht durch
derartige indifferente Geschäfte in unvertretbarem Masse aufgebläht
werden, denn dadurch erscheint weder die Bilanzsumme im eigentlichen
Verhältnis zur Bedeutung der Bank, noch wird die Struktur von Aktiven und
Passiven unverzerrt dargestellt. Dass das Treuhandverhältnis rechtlich
als Auftrag zu qualifizieren ist (BGE 99 II 396 E. 6) bedeutet entgegen
der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht, dass kein Treuhandgeschäft
im Sinne von Anhang II lit. C BankV vorliegen kann, wenn die Parteien
ihr Treuhandverhältnis durch eine Mehrzahl kombinierter Verträge
begründen und ihr Verhältnis nicht als Auftrag bezeichnen. Nach dem
Zweck der Vorschrift über die Behandlung von Treuhandgeschäften gemäss
der Bankengesetzgebung ist vielmehr zu untersuchen, ob das betreffende
Geschäft als solches die Vermögenslage der Bank berührt, oder ob die
Bank zwar in ihrem Namen, jedoch ausschliesslich auf Rechnung und Gefahr
ihres Kunden handelt. Berührt das Geschäft das Vermögen der Bank nicht,
so liegt ein Treuhandgeschäft im Sinne von Anhang II BankV vor.

    Die Beschwerdeführerin betont, es entstehe ihr aus der umstrittenen
Transaktion kein Risiko. Das Geschäft selbst bietet ihr auch keinerlei
Gewinnchancen. Ihr Interesse daran beschränkt sich auf die Kommissionen. Da
die Kaufpreissumme bei der Beschwerdeführerin blockiert ist, während
gleichzeitig die Titel der Anstalt Z. verpfändet sind, wird auch das
Haftungssubstrat für die übrigen Bankgläubiger nicht verändert. Da
überdies die dem Geschäft zugrundeliegenden Verträge schriftlich
vorliegen, ist auch der Beweis für das Vertragsverhältnis erbracht
(vgl. BODMER/KLEINER/LUTZ, aaO N. 67 zu Art. 6). Die Beschwerdeführerin
hält somit die Titel ausschliesslich für Rechnung und Gefahr ihres Kunden
in ihrem Eigentum, ohne dass dadurch ihre Vermögenslage beeinflusst würde,
was als Treuhandgeschäft im Sinne von Anhang II lit. C BankV zu betrachten
ist; sie durfte das umstrittene Geschäft nicht in die Bilanz aufnehmen.

    Die Voraussetzungen für ein Eingreifen der Bankenkommission waren
somit erfüllt; da sich die Bankenkommission darauf beschränkt hat, für
die Zukunft die separate Aufführung der Titel zu verlangen, kann ihr auch
kein qualifizierter Ermessensfehler vorgeworfen werden.