Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 106 IB 136



106 Ib 136

22. Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 7. Mai 1980
i.S. Burgergemeinde Grächen gegen Eidg. Departement des Innern
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Forstpolizei.

    Bewilligung zur Rodung bedeutender Flächen zwecks Anlage von
Skipisten und eines Skilifts in einer Region, in welcher für den Bau
solcher Sportanlagen schon erhebliche Rodungen zugelassen wurden.
   Überwiegendes Interesse an der Walderhaltung.

Sachverhalt

    A.- Die Burgergemeinde Grächen ist Eigentümerin sämtlicher
touristischer Transportanlagen im Raum Hannigalp-Stafel-Wannihorn auf
dem Gebiet der Gemeinde Grächen. Am 2. Oktober 1978 stellte sie ein
Gesuch um Bewilligung von Rodungen im Ausmass von 56'770 m2 Wald im
Gebiet Heimiplatte-Wasserschepfi zwecks Anlage von Skipisten und eines
Skiliftes. Das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) wies das
Rodungsgesuch mit Verfügung vom 28. September 1979 ab. Hiegegen führt die
Burgergemeinde Grächen Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesgericht
weist diese ab aus folgenden

Auszug aus den Erwägungen:

                         Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Mit der angefochtenen Verfügung verweigerte das EDI der
Beschwerdeführerin die Bewilligung zur Rodung von 56'770 m2 Wald für
die Anlage von Skipisten und eines Skiliftes. Die Beschwerdeführerin
macht geltend, dieser Entscheid verletze Bundesrecht, denn das EDI
habe zu Unrecht angenommen, die in Art. 26 der Vollziehungsverordnung
zum Bundesgesetz betreffend die eidgenössische Oberaufsicht über die
Forstpolizei (FPolV) genannten Voraussetzungen für die Bewilligung von
Rodungen seien im vorliegenden Fall nicht erfüllt.

    Gemäss Art. 31 Abs. 1 des Bundesgesetzes betreffend die eidgenössische
Oberaufsicht über die Forstpolizei (FPolG) soll das Waldareal der Schweiz
nicht vermindert werden. Der Wald ist im Hinblick auf seine Nutz-, Schutz-
und Wohlfahrtsaufgaben in seinem Bestand und seiner regionalen Verteilung
zu erhalten (Art. 24 Abs. 1 FPolV). Der Bundesrat hat die Voraussetzungen
für die Bewilligung einer Rodung in Art. 26 FPolV umschrieben. Danach darf
eine Rodung nur bewilligt werden, wenn sich hiefür ein gewichtiges, das
Interesse an der Walderhaltung überwiegendes Bedürfnis nachweisen lässt
(Abs. 1). Ausserdem dürfen keine polizeilichen Gründe gegen die Rodung
sprechen (Abs. 2), und das Werk, für welches die Rodung begehrt wird,
muss auf den vorgesehenen Standort angewiesen sein (Abs. 3). Finanzielle
Interessen, wie möglichst einträgliche Nutzung des Bodens oder billige
Beschaffung von Land, gelten nach Art. 26 Abs. 3 nicht als gewichtiges
Bedürfnis im Sinne von Art. 26 Abs. 1. Schliesslich ist auch dem Natur-
und Heimatschutz gebührend Rechnung zu tragen (Art. 26 Abs. 4).

Erwägung 2

    2.- Das EDI stellte im angefochtenen Entscheid fest, die touristische
Entwicklung einer Ortschaft habe sich in erster Linie den vorhandenen
natürlichen Gegebenheiten anzupassen. Aufgrund des gesetzlichen Gebots
der Walderhaltung seien Skipisten durch den Wald im allgemeinen nur dort
zulässig, wo kurze Waldaushiebe zur Verbesserung der Linienführung oder
zur Verbindung offener Abfahrtsstrecken nötig seien. Für das hier in Frage
stehende Projekt sei indes auf einer Länge von ca. einem Kilometer eine
durchgehende Rodung mit nachfolgenden Geländekorrekturen für die Skipiste
im Ausmass von über 40'000 m2 vorgesehen. Auch der Skilift solle teilweise
durch geschlossenen Hochwald geführt werden. Das Projekt entspreche zwar
einem Bedürfnis der Ortschaft Grächen; die Erhaltung des beanspruchten
Waldareals sei jedoch höher einzustufen als das Rodungsbedürfnis, weshalb
die Bewilligung für die nachgesuchte Rodung nicht erteilt werden könne.

    Ob für die anbegehrte Rodung ein gewichtiges, das Interesse
an der Walderhaltung überwiegendes Bedürfnis besteht, prüft das
Bundesgericht grundsätzlich frei, wobei den Vorinstanzen ein gewisser
Beurteilungsspielraum zukommt, soweit örtliche Verhältnisse zu würdigen
sind (BGE 104 Ib 225 E. 5a, 98 Ib 497). Ein Augenschein ist im vorliegenden
Fall nicht erforderlich, da der Sachverhalt aus den Akten hinreichend
ersichtlich ist.

Erwägung 3

    3.- Das fragliche Rodungsgesuch wurde zwecks Anlage von Skipisten
und eines Skiliftes im Gebiet Wasserschepfi-Heimiplatte eingereicht.
Mit diesem Projekt wird die Förderung der touristischen Entwicklung der
Ortschaft Grächen angestrebt. Die Beschwerdeführerin macht geltend,
Grächen sei auf den Tourismus, insbesondere den Wintertourismus,
als Haupterwerbsquelle angewiesen. Sein Rückgang hätte den Verlust
von Arbeitsplätzen und damit eine Abwanderung zur Folge. Das bestehende
Angebot an Skipisten und Transportanlagen vermöge der vermehrten Nachfrage
nicht mehr zu genügen. Die projektierten Anlagen seien nötig, um Grächen
konkurrenzfähig zu erhalten. Eine Erweiterung der Pistenflächen dränge sich
auch aus Sicherheitsgründen auf, denn die Zahl der Skifahrer betrage im
Raum Hannigalp 90-100 pro Hektare Pistenfläche, während das in Fachkreisen
anerkannte Maximum bei 35-45 Skifahrern liege.

    Das EDI stellte im angefochtenen Entscheid in zutreffender Weise fest,
das dem Rodungsgesuch zugrunde liegende Projekt entspreche einem Bedürfnis
der Ortschaft Grächen. Es darf davon ausgegangen werden, dass die geplanten
Skisportanlagen den Wintertourismus in der Region Grächen fördern würden,
und an der touristischen Entwicklung dieser Gegend besteht zweifellos
ein erhebliches Interesse. Die Frage, ob dieses Interesse dasjenige an
der Walderhaltung überwiege, wurde indes vom EDI zu Recht verneint. Wie
den Akten zu entnehmen ist, verfügt Grächen bereits über ein ausgedehntes
Angebot an Skipisten, wobei als Zubringer insgesamt neun Skilifte vorhanden
sind. Für die Erstellung von Skipisten und Transportanlagen in der Region
Grächen hat das EDI schon erhebliche Rodungen zugelassen. Am 21. Oktober
1970 bewilligte es Rodungen im Ausmass von 114'000 m2 Wald. Gestützt
auf die damals von der Gemeinde vorgelegte generelle Planung hielt
der Vorsteher des EDI am 20. Januar 1971 in einem Schreiben an den
Gemeinderat Grächen fest, in Grächen würden keine zusätzlichen Rodungen
für die sportliche Entwicklung mehr nötig sein. Damit brachte das EDI
deutlich zum Ausdruck, dass inskünftig eine Rodungsbewilligung für den
Bau von Sportanlagen nicht mehr erteilt werde. Die Beschwerdeführerin
hätte ihre Dispositionen danach ausrichten sollen. In Anbetracht der
erwähnten Umstände könnte die hier streitige Verweigerung einer erneuten
Rodungsbewilligung für immerhin sehr beträchtliche 56770 m2 Wald nur dann
eine Verletzung von Bundesrecht darstellen, wenn aufgrund einer neuen,
für die Gemeinde Grächen ausserordentlich schwerwiegenden Situation
eine weitere Rodung im verlangten Ausmass einer zwingenden Notwendigkeit
entspräche. Das ist nicht der Fall. Die Beschwerdeführerin bringt zwar
vor, die Ablehnung der nachgesuchten Rodungsbewilligung und damit des
projektierten Ausbaus der Skisportanlagen würde die Ortschaft Grächen in
ihren Existenz-Grundlagen treffen. Dass seit der letzten Rodungsbewilligung
im Oktober 1970 eine Entwicklung eingetreten wäre, die zu einer geradezu
notstandsähnlichen Situation in Grächen geführt hätte, wird jedoch nicht
dargetan. Die Beschwerdeführerin führte zur Begründung ihres Rodungsgesuchs
im wesentlichen lediglich aus, das bestehende Pistenangebot und die
Transportanlagen vermöchten der Nachfrage bei weitem nicht mehr zu genügen,
insbesondere dränge sich eine Entlastung des überfüllten Skigebietes
Hannigalp aus Sicherheitsgründen auf. Diese Argumente reichen indes für
den Nachweis eines gewichtigen Bedürfnisses im Sinne von Art. 26 Abs. 1
FPolV nicht aus, müsste doch sonst jede vernünftig geplante Rodung in
einer waldreichen, stark besuchten Ortschaft des Wintertourismus bewilligt
werden, was mit dem Sinn des Forstpolizeigesetzes unvereinbar wäre. Liegt
aber hier keine notstandsähnliche Situation vor, so hat das EDI seinen
Beurteilungsspielraum nicht überschritten, wenn es annahm, das öffentliche
Interesse an den projektierten Anlagen und der hiefür erforderlichen Rodung
von 56'770 m2 Wald sei nicht derart gewichtig, dass es das Interesse
an der Erhaltung des Waldbestandes überwiegen würde. Abgesehen vom
Gebot der Walderhaltung sprechen auch gewichtige Gründe des Natur-
und Landschaftsschutzes gegen die anbegehrte Rodung. Im angefochtenen
Entscheid wurde festgestellt, das beanspruchte Waldareal weise eine
besondere subalpine Bestockung auf, die in noch unbeeinträchtigter Form
vorhanden sei und sich in einem selten guten Zustand befinde. Das EDI hat
nach dem Gesagten zu Recht angenommen, die in Art. 26 FPolV genannten
Voraussetzungen für die Bewilligung einer Rodung seien im vorliegenden
Fall nicht erfüllt. Der angefochtene Entscheid verstösst daher nicht
gegen Bundesrecht, und die Beschwerde erweist sich als unbegründet.