Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 106 IB 109



106 Ib 109

18. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
vom 30. April 1980 i.S. Dr. X. gegen Eidg. Oberzolldirektion, Bern
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Körperliche Durchsuchung im Rahmen der Zollabfertigung.

    1. Im Rahmen der Zollabfertigung ist die körperliche Durchsuchung
grundsätzlich den Vorschriften des Zollgesetzes und nicht denjenigen
des Verwaltungsstrafrechtes unterstellt; daher richtet sich auch der
Rechtsmittelweg nach dem Zollgesetz (E. 1).

    2. Art. 36 Abs. 5 ZG: Wann steht eine Person im Verdachte, verbotene
oder zollpflichtige bzw. nach Art. 44 WUStB Wust-pflichtige Waren auf
sich zu tragen? (E. 2.)

Sachverhalt

    A.- Dr. X. reiste am 4. Januar 1978 über das Zollamt Zürich-Flughafen
in die Schweiz zurück, wobei er den "Grünen Durchgang" mit der Anschrift
"Zoll - Nichts zu deklarieren" benützte. Er hatte in seinem Gepäck
acht von Chagall signierte Lithographien bei sich, die er nicht zur
Zollbehandlung anmeldete. Diese wurden bei einer stichprobeweisen
Überprüfung entdeckt. Dr. X. wurde auf Grund dieses Vorfalls rechtskräftig
in eine Busse von Fr. 2'460.-- und in die Verfahrenskosten verfällt.

    Am 6. Juli 1978 reiste Dr. X. um 17.50 Uhr über das Zollamt
Zürich-Flughafen in die Schweiz zurück. Er benutzte den "roten Durchgang"
und deklarierte dem Zollbeamten nach seinen Aussagen mündlich acht
Lithographien, wobei er einen Ausfuhr-Vormerkschein und eine Visitenkarte
des "Institut Géographique Khanzandian Paris" vorlegte. Der Beamte führte
zu diesem Sachverhalt aus, Dr. X. habe lediglich sechs Lithographien
deklariert. Er selber habe in der Folge festgestellt, dass die vorgelegten
Unterlagen auf acht Objekte lauteten, und ihn deshalb gebeten, die Lithos
auszupacken. Als acht Stück zum Vorschein kamen, habe Dr. X. erklärt,
er habe sich geirrt. Weiter stellte der Beamte fest, dass auf dem
Vormerkschein für vier wiedereingeführte Lithos ein Wert deklariert war,
der das Mehrfache des Totals der auf der Visitenkarte angegebenen Werte
für die vier andern Objekte betrug. Diese Umstände sowie der Vorfall vom
4. Januar 1978 veranlassten das Zollamt, den Zolluntersuchungsdienst Zürich
der Zollkreisdirektion II beizuziehen. Dieser ordnete telefonisch die
körperliche Durchsuchung von Dr. X. durch das Zollamt an, um festzustellen,
ob allenfalls noch weitere Waren zum Vorschein kämen und entsandte einen
Untersuchungsbeamten nach dem Zollamt Zürich-Flughafen. Daraufhin nahm
ein Beamter des Zollamtes die Durchsuchung vor. Dr. X. konnte das Zollamt
um ungefähr 19.15 Uhr verlassen. Sein an die Eidg. Oberzolldirektion
überwiesener Rekurs wurde von dieser Instanz mit Entscheid vom 3. Oktober
1978 abgewiesen. Gegen diesen Entscheid richtet sich die vorliegende
Verwaltungsgerichtsbeschwerde, welche das Bundesgericht abweist.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) Der Beschwerdeführer macht zunächst geltend, die
Oberzolldirektion sei zur Behandlung seiner Beschwerde vom 7. Juli
1978 gegen die körperliche Durchsuchung nicht zuständig gewesen,
sondern hätte diese an die Anklagekammer des Bundesgerichtes überweisen
müssen. Sowohl das Zollgesetz vom 1. Oktober 1925 (ZG; SR 631.0) als auch
das Bundesgesetz über das Verwaltungsstrafrecht vom 22. März 1974 (VStrR;
SR 313.0) sehen Bestimmungen über die Durchsuchung von Personen vor. Gemäss
Art. 36 Abs. 5 ZG können Personen, welche die Zollgrenze überschreiten
und im Verdachte stehen, verbotene oder zollpflichtige Waren auf sich zu
tragen, einer körperlichen Durchsuchung unterworfen werden. Ein solcher
Entscheid der Zollkreisdirektion kann gemäss Art. 109 Abs. 1 lit. b ZG
bei der Oberzolldirektion angefochten werden. Das Verwaltungsstrafrecht
sieht in ähnlicher Weise in Art. 48 Abs. 2 vor, der Beschuldigte dürfe
nötigenfalls durchsucht werden. Zudem kann der untersuchende Beamte den
einer Widerhandlung dringend Verdächtigen vorläufig festnehmen, wenn
ein Haftgrund angenommen werden muss und Gefahr im Verzuge ist (Art. 51
Abs. 1 VStrR). Gegen solche Zwangsmassnahmen und damit zusammenhängende
Amtshandlungen kann gemäss Art. 26 VStrR bei der Anklagekammer des
Bundesgerichts Beschwerde geführt werden. Es muss für die Frage der
Zuständigkeit daher geprüft werden, ob der Beschwerdeführer in Anwendung
von Art. 36 Abs. 5 ZG oder von Art. 45 ff. VStrR körperlich durchsucht
worden ist.

    Das im Jahre 1925 erlassene ZG ist wesentlich älter als das VStrR
aus dem Jahre 1974. Das ZG erfuhr denn anlässlich des Erlasses des VStrR
zahlreiche Änderungen. Mehrere Bestimmungen wurden aufgehoben (Art. 9
Abs. 4, 81, 82 Ziff. 5, 84, 90-100, 105-108, 117 Abs. 2-3) sowie eine
grosse Anzahl abgeändert (Art. 7 Abs. 2, 31 Abs. 3, 64, 69 Abs. 2, 73,
74 Ziff. 8 und 14-16, 75 Abs. 3, 76, 77 Abs. 1, 2, 4, 79 Abs. 1, 80,
82 Ziff. 1-2, 83, 85, 86, 87, 88, 89 Abs. 1-2, 101, 102 Abs. 1-2, 103,
104, 109 Abs. 4, 118, 120 Abs. 2 Ziff. 2 und 5, 122 Abs. 2, 123 Abs. 3,
138 Abs. 2). Art. 36 Abs. 5 ZG wurde durch das VStrR weder aufgehoben
noch abgeändert. Da das ZG damals gründlich überarbeitet und auch eine
Bestimmung im Umfeld der hier in Frage stehenden Vorschrift abgeändert
wurde (Art. 31 Abs. 3 ZG), kann es sich dabei nicht um ein Versehen
handeln. Der Gesetzgeber wollte die körperliche Durchsuchung im Rahmen
der Zollabfertigung vielmehr als Verwaltungsmassnahme und spezifisch
zollrechtliches Institut des ZG beibehalten. Das bedeutet nicht, dass
Zwangsmassnahmen gemäss Art. 45 ff. VStrR nicht auch im Zusammenhang
mit Zolldelikten ergriffen werden können. In diesem Fall müssen die
zusätzlichen Garantien und das Verfahren des Verwaltungsstrafrechts
beachtet werden. Die vorliegende körperliche Durchsuchung sprengt indessen
den Rahmen einer zollrechtlichen Verwaltungsmassnahme auch dann nicht, wenn
der Beschwerdeführer im ganzen knapp 1 1/2 Stunden aufgehalten wurde und
sich bis auf die Unterwäsche ausziehen musste (vgl. E. 3). Daher richtet
sich auch der Rechtsmittelweg nach dem Zollgesetz. Die Oberzolldirektion
war aus diesen Gründen zur Beurteilung der Beschwerde gegen die durch
die Kreiszolldirektion Zürich verfügte körperliche Durchsuchung zuständig.

    b) Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde richtet sich gegen den
Beschwerdeentscheid der Oberzolldirektion vom 3. Oktober 1978. Gegen diesen
Entscheid ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht
zulässig (Art. 109 Abs. 1 lit. e ZG). Das nach Art. 103 lit. a OG
erforderliche Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen
Entscheides ist gegeben, weil die Oberzolldirektion die Beschwerde
des Beschwerdeführers abgewiesen hat. Hingegen muss das Interesse des
Beschwerdeführers grundsätzlich aktuell sein. Besteht es im Zeitpunkt
der Urteilsfällung nicht oder nicht mehr, so kann auf die Beschwerde
grundsätzlich nicht eingetreten werden. Immerhin wird vom Erfordernis
eines aktuellen Interesses dann abgesehen, wenn sonst nie rechtzeitig
ein endgültiger Entscheid in Grundsatzfragen herbeizuführen wäre oder
wenn die Entscheidung in der Sache aus andern Gründen als angebracht
erscheint (vgl. BGE 104 Ib 319; 99 Ib 301; 97 I 733; 96 I 419). Diese
Voraussetzungen sind im vorliegenden Verfahren erfüllt. Dem Bundesgericht
wäre es regelmässig verwehrt, über die Rechtmässigkeit von körperlichen
Durchsuchungen zu entscheiden, wenn es ein aktuelles praktisches Interesse
an der Aufhebung der Durchsuchungsverfügung verlangen würde. Auf die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist daher einzutreten.

Erwägung 2

    2.- Art. 36 Abs. 5 ZG lautet:

    "Personen, welche die Zollgrenze überschreiten und im Verdachte stehen,
   verbotene oder zollpflichtige Waren auf sich zu tragen, können einer
   körperlichen Durchsuchung unterworfen werden. Der Bundesrat stellt
   die nötigen Vorschriften durch Verordnung auf."

    Art. 53 der Verordnung zum Zollgesetz vom 10. Juli 1926 (ZV; SR 631.01)
bestimmt dazu:

    "Körperliche Durchsuchung:

    1 Die körperliche Durchsuchung von Personen, die im Verdachte stehen,
   verbotene oder zollpflichtige Waren auf sich zu tragen, ist stets in
   geeigneten, geschlossenen, im Winter geheizten Räumen vorzunehmen.

    Bei der Durchsuchung ist mit allem Takt vorzugehen. Weibliche Personen
   dürfen nur durch weibliche Personen durchsucht werden.

    2 Fördert die Durchsuchung zollpflichtige oder verbotene Waren zu Tage,
   die der Zollmeldepflichtige nicht zur Zollbehandlung angemeldet hat
   so ist aufgrund der einschlägigen Bestimmungen des Zollgesetzes das
   Strafverfahren einzuleiten."

    a) Fraglich ist im vorliegenden Verfahren zunächst, ob der
Beschwerdeführer im Sinne dieser Bestimmungen im Verdachte stand, verbotene
oder zollpflichtige Waren auf sich zu tragen, und die zuständige Behörde
daher befugt war, eine körperliche Durchsuchung vorzunehmen. Gemäss der
Aussage des Zollbeamten deklarierte der Beschwerdeführer mündlich sechs
Lithographien unter gleichzeitiger Vorlage eines Ausfuhrmerkscheines und
einer Visitenkarte des "Institut Géographique Khanzandian" in Paris. Der
Beamte stellte in der Folge fest, dass die vorgelegten Unterlagen auf acht
Objekte lauteten und bat den Beschwerdeführer, die Lithos auszupacken. Als
acht Stück zum Vorschein kamen, erklärte der Beschwerdeführer gemäss
Aussage des Zollbeamten, er habe sich geirrt. Der Beschwerdeführer
bestreitet diese Darstellung, indem er ausführt, er habe von allem
Anfang an ausgesagt, er habe acht Lithos zu deklarieren. Es besteht kein
stichhaltiger Grund, an der Feststellung des Zollbeamten zu zweifeln,
wonach der Beschwerdeführer nur sechs der acht Lithos zur Zollbehandlung
angemeldet hat. Bezeichnenderweise hat der Beschwerdeführer sich bei
der Einvernahme durch den Chef des Zolluntersuchungsdienstes nicht
etwa darauf berufen, dass er alle Lithos zur Zollbehandlung angemeldet
habe. Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer keine Rechnung für die
Bilder, sondern lediglich eine mit den Preisen beschriebene Visitenkarte
vorweisen konnte, deren Zahlen zudem nicht mit den auf dem Vormerkschein
aufgeführten Preisen übereinstimmten. Verstärkt wurde das Misstrauen
des Beamten dadurch, dass der zu Rate gezogene Katalog für Bilder von
Daumier wesentlich höhere Preise enthielt als die vom Beschwerdeführer
angegebenen. Freilich handelt es sich bei den im Katalog angeführten
Preisen um diejenigen für gemalte Bilder und nicht für Lithos, dennoch
ist verständlich, dass die ausserordentlich grosse Preisdifferenz bei
den Zollbeamten den Verdacht erweckte, dass die deklarierten Werte
nicht stimmen könnten. Jedenfalls lässt sich nicht sagen, der Verdacht
sei zum vornherein leichtfertig ausgesprochen worden. Es handelte sich
um Kunstgegenstände, deren Bewertung nicht auf der Hand liegt. Dieser
Sachverhalt allein vermöchte wohl keine körperliche Durchsuchung nach
Schmuck oder andern Wertgegenständen zu rechtfertigen, wenn nicht der
weitere Umstand hin zugekommen wäre, dass der Beschwerdeführer ein
halbes Jahr vorher beim gleichen Zollamt acht Lithographien von Chagall
im Wert von Fr. 22'000.-- nicht zur Einfuhrzollbehandlung angemeldet und
nach Entdeckung der Tat bezüglich des Wertes unrichtige Angaben gemacht
hätte. Dieser Vorfall führte zu einem Verwaltungsstrafverfahren und zur
Ausfällung einer Busse. Bei dieser Sachlage hätte der Beschwerdeführer
wissen müssen, dass bei weiteren Durchgängen durch den Schweizer Zoll
Vorsicht geboten war und er sich lediglich durch ein einwandfrei korrektes
Verhalten mit Sicherheit Schwierigkeiten bei der Zollabfertigung ersparen
konnte. Insbesondere die Tatsachen, dass er keine Rechnungen vorlegen
konnte, dass die Zahlen auf der Visitenkarte mit denjenigen auf dem
Vormerkschein nicht übereinstimmten und dass beim Beamten der Eindruck
entstand, der Beschwerdeführer wolle bloss sechs Lithos deklarieren,
gaben Anlass zu einem gewissen Misstrauen, das sich zusammen mit der
Kenntnis um das vor wenigen Monaten durchgeführte Zollstrafverfahren
gegen den Beschwerdeführer zum begründeten Verdacht verdichtete, der
Beschwerdeführer könnte sich wiederum ein Zollvergehen zu schulden kommen
lassen. Diese Verdachtsmomente rechtfertigten auch die weitergehende Suche
nach andern kleinformatigen Kunstgegenständen, welche der Beschwerdeführer
allenfalls auf dem Körper tragen könnte. Der Verdacht hat sich zwar in der
Folge als unbegründet erwiesen. Doch ist bei der Beurteilung der Frage, ob
die Zollbehörden Art. 36 Abs. 5 ZG verletzt haben, zu berücksichtigen, dass
der zuständige Beamte an Ort und Stelle rasch und aufgrund der vorhandenen
Hinweise über die zu treffenden Massnahmen entscheiden muss. Es kann
von ihm nicht verlangt werden, dass er lediglich dann zur körperlichen
Durchsuchung schreitet, wenn offensichtlich mit einem Erfolg gerechnet
werden kann, sondern es muss genügen, dass aufgrund der dem Beamten zur
Verfügung stehenden Informationen der Verdacht besteht, der Betroffene
trage verbotene oder zollpflichtige Waren auf sich. Bei diesem Entscheid
muss den zuständigen Beamten ein gewisses Ermessen eingeräumt werden,
das im vorliegenden Fall nicht überschritten wurde.