Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 106 IA 70



106 Ia 70

16. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
vom 9. Juli 1980 i.S. Lanfranconi gegen Einwohnergemeinde Worb und
Regierungsrat des Kantons Bern (staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Art. 4 BV; formelle Rechtsverweigerung.

    Kognition der Baudirektion und des Regierungsrates des Kantons
Bern bei der Überprüfung der Zweckmässigkeit kommunaler Zonenpläne und
Baureglemente.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Der Beschwerdeführer wirft dem Regierungsrat formelle
Rechtsverweigerung und Verletzung des rechtlichen Gehörs vor.

    a) Nach seiner Auffassung hat der Regierungsrat die Kognition,
die ihm bei der Überprüfung der kommunalen Zonenpläne und Baureglemente
zusteht, nicht voll ausgeschöpft, sondern rechtswidrig auf eine blosse
Willkürprüfung eingeengt. Es trifft zu, dass die Behörde, welche eine
umfassende Kognition besitzt, eine formelle Rechtsverweigerung begeht,
wenn sie sich mit einer blossen Willkürprüfung begnügt (BGE 101 Ia 57
E. 8). Das Bundesgericht hat jedoch bereits wiederholt entschieden,
dass sich die kantonale Baudirektion als Genehmigungsinstanz und der
Regierungsrat als Rekursbehörde mit Recht eine gewisse Zurückhaltung bei
der ihnen zustehenden umfassenden Prüfungsbefugnis auferlegen, soweit
sie die Zweckmässigkeit der Gemeindebaureglemente und der Nutzungspläne
der Gemeinden überprüfen. Die kantonalen Behörden haben die den Gemeinden
beim Erlass der Gemeindevorschriften und bei der Ausübung der Ortsplanung
zustehende Autonomie zu wahren. Das bernische Baugesetz spricht in Art. 13
ausdrücklich von der Gemeindeautonomie und meint damit die relativ
erhebliche Entscheidungsfreiheit, die den Gemeinden bei der Ausübung
der ihnen zustehenden Befugnisse und Pflichten gemäss dem Baugesetz
zuzubilligen ist (ALDO ZAUGG, Kommentar zum Baugesetz des Kantons Bern,
N. 2 Vorbem. zu Art. 13-40). Die Respektierung dieser Autonomie setzt
der Überprüfung der Zweckmässigkeit Schranken. Der Regierungsrat als
Rekursbehörde darf ebensowenig wie die Baudirektion als Genehmigungsinstanz
das eigene Ermessen anstelle jenes der Gemeinde setzen (A. ZAUGG, aaO, N. 4
zu Art. 44 BauG; Urteil BKW vom 19. Dezember 1979, E. 2a, veröffentlicht
in BVR 78/1980, S. 174; nicht veröffentlichte Urteile Frutiger Söhne
AG vom 17. Oktober 1979, E. 2, Niesengarage AG vom 13. Februar 1980,
E. 1a, und Berger vom 7. Mai 1980, E. 1a). Der Regierungsrat hat daher
im angefochtenen Entscheid zutreffend festgestellt, dass er nicht obere
Planungsbehörde ist und daher seine Planung nicht an die Stelle jener der
Gemeinde setzen kann. Es ist deren Sache, unter mehreren verfügbaren und
zweckmässigen Lösungen zu wählen. Der Regierungsrat hat nur zu prüfen,
ob die von der Gemeinde getroffene Lösung zweckmässig ist (vgl. BGE 104
Ia 139 E. 3d zu dem im wesentlichen übereinstimmenden aargauischen Recht).

    Der Beschwerdeführer missversteht den Hinweis des Regierungsrats
auf die ihm nach dem kantonalen Planungsrecht gegenüber der Ortsplanung
einzig zustehende Aufsichts- und Koordinationsfunktion (Art. 67 und 68
BauG). Aus dieser - den Planungsgrundsätzen des eidg. RPG vom 22. Juni
1979 entsprechenden - begrenzten Planungskompetenz der kantonalen Behörden
hat der Regierungsrat keine gesetzwidrige Beschränkung seiner Kognition
im Beschwerdeverfahren hergeleitet. Er hat vielmehr die angefochtene
Einzonung auf ihre Recht- und Zweckmässigkeit hin überprüft, wie sich
aus Ziffer 3 seines Entscheides deutlich ergibt. Aus diesem Grunde geht
auch der Vorwurf des Beschwerdeführers fehl, die Praxis des Regierungsrats
verstosse gegen die Anordnung des Art. 33 Abs. 3 RPG, wonach das kantonale
Recht gegenüber Nutzungsplänen die volle Überprüfung durch wenigstens eine
Beschwerdebehörde vorzusehen habe. Das bernische Recht entspricht dieser
Anforderung im Falle von Beschwerden gegen Nutzungspläne der Gemeinden,
wobei sich die erwähnte Zurückhaltung der kantonalen Instanzen bei der
Ausübung der Zweckmässigkeitskontrolle - wie bereits erwähnt - mit dem
Grundsatz deckt, dass die mit Planungsaufgaben betrauten Behörden darauf
zu achten haben, den ihnen nachgeordneten Behörden den zur Erfüllung
ihrer Aufgaben nötigen Ermessensspielraum zu lassen (Art. 2 Abs. 3 RPG).