Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 106 IA 49



106 Ia 49

10. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 25.
April 1980 i.S. Richteramt Fraubrunnen gegen Rychard, Oberauditor und Eidg.
Militärdepartement (Verfahren gemäss Art. 223 MStG) Regeste

    Art. 223 MStG, Kompetenzkonflikt zwischen Zivil- und
Militärgerichtsbarkeit.

    1. Instruktoren unterstehen dem Militärstrafrecht, wenn sie einem
Kurs oder einer Schule zugeteilt sind (Erw. 1).

    2. Die Rechtskraft steht der Aufhebung eines zivilen Strafurteils nicht
entgegen, wenn die Militärstrafgerichtsbehörden die Kompetenz beanspruchen
(Erw. 3).

Sachverhalt

    A.- Am 20. Juli 1979 verursachte Fw Martin Rychard, Instruktor der
Waffenmechaniker-Schulen Worblaufen, einen Selbstunfall, als er mit dem
Dienstfahrzeug von der Uof-Brevetierungsfeier seiner Truppe heimfuhr.
Aus ihm unbekannten Gründen kam sein Fahrzeug in einer Linkskurve Von der
Fahrbahn ab, schleuderte, drehte sich um 180o und stürzte um. Unverletzt
konnte er das schwer beschädigte Fahrzeug verlassen und den Vorfall
der Polizei melden. Martin Rychard trug die Uniform. Der Schaden am
Dienstfahrzeug wurde auf ca. Fr. 3'100.-- geschätzt.

    Der Gerichtspräsident von Fraubrunnen belegte Martin Rychard mit
Strafmandat Vom 2. August 1979 in Anwendung der Art. 10 Abs. 4, 31 Abs. 1,
90 Ziff. 1 und 99 Ziff. 3 SVG mit einer Busse von Fr. 200.--. Dieses
Urteil ist rechtskräftig.

    Nachdem Martin Rychard den Gerichtspräsidenten von Fraubrunnen
ersucht hatte, seinen Fall der Militärgerichtsbarkeit zu überweisen
und das Oberauditorat darauf am 29. August 1979 die Ermächtigung zur
Durchführung des bürgerlichen Strafverfahrens gemäss Art. 222 MStG
verweigert hatte, überwies der Gerichtspräsident von Fraubrunnen die
Strafakten dem Bundesgericht zum Entscheid nach Art. 223 MStG. Das
Bundesgericht hob das Strafurteil vom 2. August 1979 auf und überwies
den Fall den Militärgerichtsbehörden aus folgenden

Auszug aus den Erwägungen:

                         Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) Gemäss Art. 218 Abs. 1 MStG ist eine Person der
Militärgerichtsbarkeit unterworfen, soweit sie dem Militärstrafrecht
untersteht. Dem Militärstrafrecht unterstehen nach Art. 2 MStG
Dienstpflichtige und Hilfsdienstpflichtige während des Militärdienstes
(Art. 2 Ziff. 1 MStG) und wenn sie ausserhalb des Dienstes in Uniform
auftreten (Art. 2 Ziff. 3 MStG). Beamte, Angestellte und Arbeiter
der Militärverwaltung des Bundes und der Kantone unterstehen dem
Militärstrafrecht für Handlungen, die die Landesverteidigung betreffen,
und wenn sie Uniform tragen (Art. 2 Ziff. 2 MStG).

    Instruktoren sind nicht ohne weiteres Beamte der Militärverwaltung
(Art. 2 Abs. 4 der Verordnung über das Instruktionskorps vom 17. Dezember
1973). Sind sie aber einem Kurs oder einer Schule zugeteilt, so stehen sie
wie die übrigen Offiziere und Unteroffiziere im Militärdienst und sind in
dieser Eigenschaft dem Militärstrafrecht unterworfen (vgl. SCHUHMACHER, Der
Geltungsbereich des schweizerischen Militärstrafgesetzes, Diss. Freiburg
1936, S. 99 ff., AMBERG, Grenzlinien zwischen militärischem und
bürgerlichem Strafrecht, Diss. Bern 1975, S. 19 ff.).

    b) Fw Rychard war der Mat Trp UOS 281 als Instruktionsunteroffizier
zugeteilt, als sich der Selbstunfall ereignete. Er stand damit
im Militärdienst und war im Sinne von Art. 2 Ziff. 1 MStG dem
Militärstrafrecht unterworfen.

Erwägung 3

    3.- Nach Art. 223 Abs. 2 MStG hebt das Bundesgericht Verfahren und
Urteile auf, die einen Übergriff der bürgerlichen in die militärische
Gerichtsbarkeit oder der militärischen in die bürgerliche Gerichtsbarkeit
enthalten.

    Da für die Beurteilung der Widerhandlung Martin Rychards gegen die
Gesetzgebung über den Strassenverkehr die militärischen Gerichte zuständig
sind, ist das Strafmandat des Gerichtspräsidenten Fraubrunnen vom 2. August
1979 aufzuheben. Die Rechtskraft dieses Strafurteils steht der Aufhebung
nicht entgegen, da die militärischen Behörden im vorliegenden Fall selbst
die Kompetenz beansprucht haben (BGE 76 I 192 E. 1).