Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 106 IA 310



106 Ia 310

54. Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 25. März 1980
i.S. Ernst gegen Politische Gemeinde Klosters-Serneus, Regierung und
Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden (staatsrechtliche Beschwerden)
Regeste

    Umzonung eines Grundstückes; Rechtsmittelverfahren.

    Eine Pflicht, die Grundeigentümer bei Gesamtrevision von Baugesetz und
Zonenplan persönlich zu benachrichtigen, ergibt sich nicht aus Art. 4 BV
(E. 1a).

    Das Bundesgericht kann die Motive des angefochtenen Entscheides sowohl
bei Willkür- als auch bei freier Kognition substitutieren (E. 1b).

    Ist die Umzonung einer einzelnen Parzelle im Rahmen einer
Gesamtrevision des Zonenplanes hinsichtlich der Anfechtungsmöglichkeiten
einem Rechtssatz oder einer Verfügung gleichzustellen? Frage offengelassen
(E. 3).

    Anschliessend an ein kantonales Normenkontrollverfahren kann eine
selbständige Nachprüfung der Norm durch das Bundesgericht nur noch
stattfinden, wenn das kantonale Verfahren innert der in der kantonalen
Gesetzgebung vorgesehenen Frist oder, wo keine solche vorgeschrieben ist,
innert der üblichen Rechtsmittelfrist angehoben worden ist (E. 5).

Sachverhalt

    A.- Der in Schaffhausen wohnhafte Othmar Ernst ist Eigentümer der
seinerzeit in der Wohnzone W 1 gelegenen Parzelle Nr. 610 in Klosters
Platz, die im Rahmen einer Gesamtrevision des kommunalen Baugesetzes und
des Zonenplanes als Zone für öffentliche Bauten und Anlagen ausgeschieden
wurde. Der Zonenplan-Entwurf lag vom 19. Februar bis 21. März 1973
in der Gemeinde Klosters-Serneus öffentlich auf. Ernst erhob keine
Einsprache. Baugesetz und Zonenplan wurden am 29. Juli 1973 von den
Stimmbürgern in einer Urnenabstimmung angenommen und am 27. Dezember 1973
von der Bündner Regierung genehmigt.

    Othmar Ernst focht am 18. Dezember 1975 die Umzonung seines
Grundstückes sowohl mit Verfassungsbeschwerde bei der Regierung als auch
mit Rekurs beim kantonalen Verwaltungsgericht an. Die Regierung wies die
Beschwerde als unbegründet ab; das Verwaltungsgericht trat dagegen auf den
Rekurs nicht ein, da dieser nicht rechtzeitig erhoben worden sei. Beide
kantonalen Entscheide sind von Othmar Ernst mit staatsrechtlicher
Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 und 22ter BV angefochten worden.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
I. Die Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichtes

Erwägung 1

    1.- a) Der Beschwerdeführer hat vor Verwaltungsgericht geltend
gemacht, er hätte über die vorgesehene Umzonung seiner Parzelle persönlich
informiert werden müssen, da er nicht in der Gemeinde Klosters-Serneus
wohnhaft sei und von der Zonenplanänderung in besonders schwerer Weise
betroffen werde; die zwanzigtägige Rekursfrist habe mangels einer direkten
Benachrichtigung erst von dem Tage an zu laufen begonnen, an welchem er
von der Umzonung tatsächlich Kenntnis erhalten habe.

    Das Verwaltungsgericht ist dieser Argumentation nicht gefolgt und
hat ausgeführt, dass eine persönliche Mitteilung, wie sie der Rekurrent
verlange, weder vorgeschrieben noch für die Gemeinde zumutbar sei. Bei
Gesamtrevision von Bauvorschriften und Zonenplan müsse es genügen,
wenn der neue Erlass bzw. die für dessen Anfechtung vorgesehene Frist
durch die allgemeinen Publikationsmittel bekanngemacht werde. Diese
Auffassung ist jedenfalls nicht verfassungswidrig. Eine Pflicht zur
persönlichen Benachrichtigung der einzelnen Grundeigentümer im Rahmen einer
Gesamtüberprüfung der Ortsplanung lässt sich nicht aus Art. 4 BV herleiten
und besteht nur, falls sie im kantonalen Recht ausdrücklich vorgesehen
ist. Die direkte Avisierung eines zum Rekurs berechtigten Grundeigentümers
kann, wie das Bundesgericht im (nicht publ.) Entscheid i.S. Messeeuw
vom 24. Mai 1967 für ein Baubewilligungsverfahren festgestellt hat, auch
dann nicht verlangt werden, wenn dieser nicht ortsansässig ist und sich
beispielsweise im Ausland aufhält. Selbst wenn ein Grundeigentümer nicht
in der Gemeinde wohnt, in der sein Grundbesitz liegt, hat er nicht nur die
Pflicht, für einen jederzeit den bau-, feuer- und gesundheitspolizeilichen
Vorschriften entsprechenden Zustand seiner Liegenschaften zu sorgen;
es obliegt ihm ebenso, sich ständig über die rechtliche Situation
seiner Grundstücke auf dem laufenden zu halten und bei einer Änderung
der Verhältnisse entweder selbst oder durch einen Beauftragten an Ort
die notwendigen Massnahmen zur Wahrung seiner Interessen zu ergreifen
(vgl. zit. Entscheid E. 4).

    Der Beschwerdeführer glaubt, dass jedenfalls dort eine persönliche
Mitteilung an den Grundeigentümer unerlässlich sei, wo der durch
die Planänderung verursachte Eingriff besonders schwer wiege. Eine
solche Ausnahmeregelung rechtfertigt sich jedoch nicht und müsste
zu Schwierigkeiten führen: Die Schwere eines Eingriffs lässt sich
nicht in jedem Fall ohne weiteres beurteilen, sie könnte daher kaum als
Abgrenzungskriterium dienen, ohne dass Rechtsungleichheiten entstünden. Im
übrigen mag zwar erstaunen, dass die Gemeinde Kloster-Serneus
nicht in ihrer Eigenschaft als Mieterin der Parzelle Nr. 610 mit dem
Beschwerdeführer in Kontakt getreten ist, doch bleibt dieser Umstand ohne
Einfluss auf die im zwingenden öffentlichen Recht vorgesehenen Bestimmungen
über Beginn und Lauf der Rechtsmittelfrist. Die Beschwerde erweist sich
daher als unbegründet.

    b) Die Beschwerde Ernsts müsste aber auch dann abgewiesen werden, wenn
der Begründung des Verwaltungsgerichtsentscheides nicht zugestimmt werden
könnte, da nach der neuesten Rechtsprechung des Bundesgerichtes auf den
dem Verwaltungsgericht unterbreiteten Rekurs ohnehin nicht einzutreten war.

    Das Verwaltungsgericht hat zur Frage der eigenen Zuständigkeit nicht
ausdrücklich Stellung genommen, doch ist es bei seinem Entscheid offenbar
von der damals noch geübten Praxis der Kompetenzaufteilung zwischen
Regierung und Verwaltungsgericht ausgegangen. Nach dieser standen dem
Grundeigentümer zur Anfechtung eines neu geschaffenen oder abgeänderten
Zonenplanes zwei Wege offen: Der Eigentümer konnte im Genehmigungsverfahren
Einsprache erheben, welche von der Regierung als Genehmigungsbehörde in
Sachen Ortsplanung (Art. 37 Abs. 2 des kantonalen Raumplanungsgesetzes) als
verfassungsrechtliche Beschwerde entgegengenommen wurde (vgl. Art. 3 der
Verordnung über das Verfahren in Verfassungs- und Verwaltungsstreitsachen
vor der Regierung vom 30. November 1966, VVV). Allerdings prüfte die
Regierung nur, ob die Konzeption des Planes allgemein dem öffentlichen
Interesse entspreche. Rügen "individuell-konkreter Natur" (wie Verletzung
von Treu und Glauben, Verstoss gegen die Rechtsgleichheit), die auf
eine örtlich beschränkte Plankorrektur abzielten, waren innerhalb
von zwanzig Tagen seit der Publikation des Genehmigungsbeschlusses
der Regierung mit Rekurs beim Verwaltungsgericht anzubringen. Das
Verwaltungsgericht leitete seine Zuständigkeit zur Beurteilung solcher
Rekurse ausschliesslich aus Art. 13 lit. a des Verwaltungsgerichtsgesetzes
(Gesetz über die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 9. April 1967, VGG) ab
und schloss daher von der Regierung angeordnete Planänderungen von der
Überprüfung aus (vgl. BGE 104 Ia 182 ff. E. 2b mit Hinweisen; KISTLER,
Die Verwaltungsrechtspflege im Kanton Graubünden, Diss. Zürich 1959,
S. 45 f. N. 74).

    Diese Aufspaltung des Anfechtungsverfahrens ist in BGE 104 Ia
181 ff. (Hitz gegen Gemeinde Parpan) aus Erwägungen, die hier nicht zu
wiederholen sind, als verfassungswidrig erklärt worden. In jenem Entscheid
wurde ausgeführt, dass es nach dem kantonalen Recht sowie aufgrund von
Art. 4 und 22ter BV der Regierung obliege, die Rechtmässigkeit eines
Zonenplanes vollumfänglich zu überprüfen, und dass eine nachträgliche
Anfechtung des Regierungsentscheides vor Verwaltungsgericht gemäss Art. 13
lit. b VGG ausgeschlossen sei.

    Dagegen ist die Frage ausdrücklich offengelassen worden,
ob das Verwaltungsgericht bei der Beurteilung von Rekursen gegen
individuell-konkrete Anwendungsakte der Gemeinde - insbesondere
im Baubewilligungsverfahren - vorfrageweise die Gesetz- und
Verfassungsmässigkeit eines Zonenplanes noch überprüfen könne (aaO,
E. 2d am Ende).

    Nach dieser Rechtsprechung war das Bündner Verwaltungsgericht zur
Behandlung der von Ernst erhobenen Rügen, die sich gegen den Zonenplan
der Gemeinde selbst und nicht gegen einen Anwendungsakt richteten,
unzuständig. Die staatsrechtliche Beschwerde könnte auch aus diesem
Grunde abgewiesen werden, obschon das Verwaltungsgericht seinen
Nichteintretensentscheid anders motiviert hat und selbst wenn diesen
Motiven nicht zuzustimmen wäre: Die Aufhebung eines mit staatsrechtlicher
Beschwerde angefochtenen Entscheides rechtfertigt sich bloss, wenn dieser
im Ergebnis verfassungswidrig ist, nicht schon, wenn sich die Begründung
als unhaltbar erweist. Das Bundesgericht hat deshalb die Möglichkeit,
die Motive des umstrittenen Entscheides zu ersetzen, und zwar nicht
nur auf Willkürrüge hin (vgl. BGE 103 Ia 581 f. E. 5, 94 I 311 f. E. 4
mit Hinweisen, 86 I 269, 77 I 46 E. 3), sondern auch dort, wo ihm freie
Kognition zusteht (Entscheid vom 16. Februar 1972 i.S. Patriziato di
Dalpe, E. 3, publ. in Borghi; Giurisprudenza amministrativa ticinese,
S. 105 f.; vgl. BGE 96 I 549 E. 3). Allerdings muss in diesen Fällen
die substituierte Begründung freier Überprüfung standhalten und ist
von der Möglichkeit des Austauschs der Motive, da die freie Auslegung
des kantonalen Rechts in erster Linie den kantonalen Behörden zusteht,
zurückhaltend und einzig dann Gebrauch zu machen, wenn die rechtliche
Situation als klar erscheint.

    Im vorliegenden Fall könnte sich lediglich fragen, ob den Parteien
vor der Urteilsfällung hätte Gelegenheit eingeräumt werden müssen,
zur vorgesehenen Abänderung der Motive Stellung zu nehmen. Dies war
jedoch nicht erforderlich. Es konnte den Parteien nicht entgehen, dass
der Entscheid Hitz gegen Gemeinde Parpan, der in der Amtlichen Sammlung
publiziert worden ist, für den Ausgang ihres Rechtsstreites von Bedeutung
sein konnte. Hätten sie sich zu den darin aufgeworfenen Fragen äussern
wollen, so hätte es an ihnen gelegen, einen entsprechenden Vorstoss
zu unternehmen. II. Die Beschwerde gegen den Entscheid der Regierung

Erwägung 2

    2.- Die Umzonung der Parzelle Nr. 610 ist von Othmar Ernst nicht
nur mit Rekurs ans Verwaltungsgericht, sondern auch mit einer an die
Regierung gerichteten verfassungsrechtlichen Beschwerde angefochten worden.
Diese Beschwerde ist ein Rechtsmittel besonderer Art:

    Nach Art. 3 VVV hat die verfassungsrechtliche Beschwerde den Zweck,
"die Beseitigung eines verfassungs- oder gesetzwidrigen Zustandes
durch Entscheid der Regierung herbeizuführen". Daraus ergibt sich,
dass die Bezeichnung "verfassungsrechtliche Beschwerde" zu eng ist,
da nicht nur Verfassungs-, sondern auch einfache Rechtswidrigkeit
gerügt werden darf (vgl. HATZ, Der Rechtsschutz in Baurechtssachen im
Kt. Graubünden, Diss. Zürich 1972, S. 120 N. 40a; KISTLER, aaO, S. 65,
85). Gemäss Art. 4 VVV kann mit der verfassungsrechtlichen Beschwerde
heute, nach Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, einerseits noch
die Aufhebung rechtswidriger rechtssetzender Erlasse von Gemeinden,
von anderen Körperschaften und selbständigen Anstalten des kantonalen
öffentlichen Rechts beantragt (lit. a) und andererseits die Intervention
in Fällen verlangt werden, in denen die Regierung durch Verfassung oder
Gesetz zum Einschreiten von Amtes wegen ermächtigt ist (lit. b).

    Die Einreichung einer verfassungsrechtlichen Beschwerde ist
grundsätzlich an keine Frist gebunden. Eine Ausnahme gilt einzig für
die Anfechtung kommunaler und anderer Erlasse gemäss Art. 4 lit. a VVV,
die innert zwanzig Tagen zu erfolgen hat, soweit nicht die Verletzung
zwingender Bestimmungen des eidgenössischen und kantonalen materiellen
Rechts geltend gemacht wird (Art. 5 VVV). Diese Bestimmung wird offenbar so
ausgelegt, dass die Beschwerdefrist von zwanzig Tagen nur dann einzuhalten
ist, wenn eine Verletzung kommunaler Verfahrensvorschriften beanstandet
wird (RASCHEIN, Bündnerisches Gemeindrecht, S. 143 f.).

Erwägung 3

    3.- Obschon der Beschwerdeführer formell nur einen Antrag auf Aufhebung
des Regierungsentscheides stellt und nicht auch ausdrücklich die Abänderung
des Zonenplanes verlangt, richtet sich seine Beschwerde offensichtlich
gegen den Zonenplan selbst bzw. gegen die als verfassungswidrig bezeichnete
Einzonung seines Grundstückes.

    Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung stellt der Plan, insbesondere
der Zonenplan, eine Anordnung besonderer Natur dar, welche hinsichtlich der
Anfechtungsmöglichkeiten weder dem Rechtssatz noch der Verfügung generell
gleichgestellt werden kann. Dass für die Anfechtung von Rechtsnormen
und Verfügungen nicht die gleichen Grundsätze Anwendung finden, die
Verfassungsmässigkeit einer Verfügung nur unmittelbar nach deren Erlass,
jene einer Rechtsnorm dagegen auch noch im Anschluss an einen konkreten
Anwendungsakt vor Bundesgericht in Frage gestellt werden darf, ist -
wie schon in BGE 90 I 353 (Binda gegen Comune di Sementina) dargelegt
- nicht so sehr auf die Wesensunterschiede der beiden Rechtsinstitute
zurückzuführen. Diese Ordnung beruht vielmehr auf der Überlegung, dass
der Einzelne bei Erlass einer Rechtsnorm im allgemeinen noch nicht
weiss, ob und wie sie ihn eines Tages treffen wird, und er sich erst
auf einen konkreten Anwendungsakt hin veranlasst sieht, die diesem Akt
zugrundeliegende Vorschrift anzufechten (vgl. auch BGE 104 Ia 175 mit
Hinweisen). Das Bundesgericht hat hieraus geschlossen, dass auch für
die Frage, ob ein Zonenplan nicht nur nach dessen Erlass, sondern bei
späterer Anwendung noch anfechtbar sei, darauf abgestellt werden müsse,
ob sich der Betroffene schon bei Planerlass über die ihm auferlegten
Beschränkungen Rechenschaft geben konnte und ob er im damaligen Zeitpunkt
die Möglichkeit hatte, seine Interessen zu verteidigen. Allerdings muss,
wie weiter festgestellt worden ist, die Gültigkeit des Zonenplanes
stets dann noch in Zweifel gezogen werden können, wenn die gesetzlichen
Vorschriften über die Ortsplanung geändert werden oder wenn sich die
tatsächliche Situation seit Erlass des Zonenplanes in solcher Weise
entwickelt hat, dass das öffentliche Interesse an den auferlegten
Eigentumsbeschränkungen dahingefallen sein könnte (BGE 90 I 354 ff.;
GRISEL, Droit administratif suisse, S. 395 f., 411 f.; IMBODEN/RHINOW,
Schweiz. Verwaltungsrechtsprechung, Bd. I S. 65 ff.).

    In anderen Entscheiden, in denen sich das Bundesgericht mit
Gesamtrevisionen von Zonenplänen zu befassen hatte, ist ausgeführt worden,
dass sich derart weiträumige Planungen dem verordnungsmässigen Rechtssatz
näherten und daher bei Planänderungen nicht die Grundsätze über den
Widerruf von Verwaltungsakten angewendet, sondern die Gesichtspunkte
beachtet werden müssten, die für die Abänderung baurechtlicher Normen im
allgemeinen massgebend seien (BGE 94 I 350 E. 5; Entscheid vom 11. Februar
1970, publ. in ZBl 72/1971 S. 305). Aus ähnlichen Überlegungen ist in BGE
98 Ia 31 E. 1 der Ausschluss der in einer engeren Grundwasserschutzzone
gelegenen Grundstücke aus dem Baugebiet einem Erlass gleichgestellt und
in BGE 99 Ia 714 E. 4 dem Grundeigentümer das Recht zugestanden worden,
die Einzonung seiner Grundstücke im Anschluss an eine Zonenplan-Erneuerung
anzufechten, auch wenn sich gegenüber der bisherigen Ordnung materiell
keine Änderung ergeben und der Eigentümer den früheren Plan seinerzeit
nicht beanstandet hat.

    Im vorliegenden Fall ist die Umzonung der Parzelle Nr. 610 ebenfalls
im Rahmen einer Revision des gesamten Zonenplanes vorgenommen worden. Es
stellt sich daher die Frage, ob auch hier die für die Anfechtung von
Rechtssätzen geltenden Prinzipien zu beachten seien oder ob in Anlehnung
an den Entscheid Binda zunächst zu untersuchen sei, in welchem Zeitpunkt
sich der Beschwerdeführer über die ihm auferlegte Eigentumsbeschränkung
Rechenschaft geben konnte. Die Frage kann jedoch offenbleiben, da
unabhängig davon, ob die Zonenplanänderung als Erlass oder als Verfügung
behandelt wird, die dagegen eingereichte Beschwerde - wie im folgenden
zu zeigen ist - nicht zum Erfolg führen kann.

Erwägung 5

    5.- Zonenplanänderung als Erlass:

    Vorweg ist zu prüfen, ob die vom Beschwerdeführer gegen die Umzonung
gerichtete staatsrechtliche Beschwerde rechtzeitig erhoben worden sei:

    Das Bundesgericht hat unlängst entschieden (BGE 103 Ia 360 ff.),
dass das in Art. 86 Abs. 2 OG umschriebene Erfordernis der Erschöpfung des
kantonalen Instanzenzuges auch für die Anfechtung von Erlassen gelte. Steht
dem Beschwerdeführer ein kantonales Rechtsmittel zur Verfügung, das
zur Aufhebung der angefochtenen Norm führen kann, so hat er dieses zu
ergreifen, bevor er das Bundesgericht anruft. Staatsrechtliche Beschwerde
kann erst im Anschluss an den kantonalen Normenkontrollentscheid erhoben
und mit ihr nicht bloss die Aufhebung des kantonalen Urteils, sondern auch
des angefochtenen Erlasses selbst verlangt werden (BGE 101 Ia 491 E. 9,
98 Ia 405 Nr. 64). Wieweit allerdings eine kantonale Vorschrift auch dann
noch unmittelbar mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten werden kann,
wenn das vorgängig durchzuführende kantonale Normenkontrollverfahren nicht
sofort nach Erlass der Norm, sondern - falls es an keine Frist gebunden
ist - erst Monate oder Jahre später eingeleitet wird, ist bisher noch
nicht entschieden worden (vgl. BGE 103 Ia 364 E. 1a). Die Frage ist
hier zu beantworten, da der Beschwerdeführer gegen den Zonenplan der
Gemeinde Klosters-Serneus erst rund zwei Jahre nach dessen Genehmigung
und Publikation verfassungsrechtliche Beschwerde erhob.

    a) Das Bundesgericht ist in ständiger Rechtsprechung davon ausgegangen,
dass die Aufhebung einer kantonalen Rechtsnorm auf staatsrechtliche
Beschwerde hin nur zulässig ist, wenn die Normenkontrolle direkt
anschliessend an den Erlass des Rechtssatzes erfolgt: entweder
sofort nach der Veröffentlichung der Norm, wenn das kantonale Recht
ein Verfahren zur direkten Normenüberprüfung nicht kennt, oder im
Anschluss an den Entscheid des kantonalen Verfassungsrichters, falls
das kantonale Normenkontrollverfahren seinerseits unmittelbar auf den
Erlass des Rechtssatzes hin eingeleitet wurde. Dagegen hat sich das
Bundesgericht nie als befugt erachtet, einen ihm erst später, in einem
Anwendungsfall zur Überprüfung vorgelegten Rechtssatz zu kassieren; es
hat sich stets darauf beschränkt, die verfassungswidrige Vorschrift als
unbeachtlich zu bezeichnen, sie aber fortbestehen zu lassen und nur den
direkt angefochtenen Anwendungsakt aufzuheben. Von der Aufhebung einer
kantonalen Rechtsnorm wird selbst dort abgesehen, wo diese nicht bloss
im konkreten Einzelfall verfassungswidrig gehandhabt worden ist, sondern
sich jeder verfassungskonformer Auslegung entzieht und daher eine weitere
Anwendung durch die kantonalen Instanzen praktisch ausgeschlossen ist. Es
stünde zu diesem System in Widerspruch, wenn nun das Bundesgericht in
den Kantonen mit unbefristeter Normenkontrolle die generell-abstrakten
Vorschriften noch Jahre nach deren Erlass direkt zu überprüfen und
aufzuheben hätte. Der blosse Umstand, dass einzelne Kantone das Verfahren
zur Überprüfung rechtssetzender Erlasse in besonderer Weise, anders als
im üblichen Anfechtungsverfahren, regeln, rechtfertigt ein Abweichen des
Bundesgerichtes von der bisherigen Ordnung nicht.

    b) Auch das Rechtsschutzbedürfnis des Bürgers verlangt nicht, dass
die Verfassungs- oder Gesetzmässigkeit eines kantonalen Erlasses auch
nach unbestimmt langer Geltungsdauer auf Antrag vom Bundesgericht noch
selbständig überprüft werde. Das Institut der nicht fristgebundenen
abstrakten Normenkontrolle dient weniger dem Schutze des einzelnen
Rechtsunterworfenen als vielmehr dem Interesse an einer mängelfreien
Rechtsordnung. Dem Rechtsschutzbedürfnis des Bürgers ist vollauf Genüge
getan, wenn anschliessend an die Anwendung eines Erlasses vorfrageweise
auch noch die Verfassungsmässigkeit dieser Norm überprüft werden kann.

    c) Ausschlaggebend ist schliesslich, dass sich die
Zulassung der staatsrechtlichen Beschwerde gegen einen kantonalen
Normenkontrollentscheid, der erst Monate oder Jahre nach der Publikation
des angefochtenen Erlasses provoziert worden ist, nicht mit der Bestimmung
von Art. 89 OG vereinbaren lässt, welche die Anfechtung von Erlassen
nur binnen einer bestimmten Frist zulässt, die mit Bekanntmachung
der Norm zu laufen beginnt. Zwar verlängert sich die in Art. 89 OG
vorgesehene Anfechtungsfrist in den Fällen, in denen ein kantonales
Normenkontrollverfahren zur Verfügung steht und davon nach Art. 86 Abs. 2
OG vor Anrufung des Bundesgerichtes Gebrauch zu machen ist, schon um
die Dauer dieses kantonalen Verfahrens. Würde aber auch dann noch auf
ein mit staatsrechtlicher Beschwerde gestelltes Normenkontrollbegehren
eingetreten, wenn das Prüfungsverfahren im Kanton an keine Frist gebunden
und erst lange nach der Publikation des angefochtenen Erlasses angehoben
worden ist, bedeutete dies, dass der Beschwerdeführer nicht nur den
Zeitpunkt des kantonalen Verfahrens, sondern auch den Fristenlauf zur
Einreichung der staatsrechtlichen Beschwerde nach eigenem Gutdünken
bestimmen könnte. Eine solche Lösung verstiesse gegen Art. 89 OG und
allgemein gegen die bundesrechtlichen Verfahrensbestimmungen, gemäss
denen sich Beginn und Lauf einer Frist nach Kriterien richten, die vom
Willen des Beschwerdeführers unabhängig sind; sie führte zum Ergebnis,
dass bundesrechtliche Normen durch kantonale Prozessvorschriften ihres
Sinnes praktisch entleert würden (vgl. auch KOTTUSCH, Zum Verhältnis
von Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsbarkeit, Diss. Zürich 1973,
S. 163 f.).

    Daraus ergibt sich, das anschliessend an ein kantonales
Normenkontrollverfahren eine selbständige Nachprüfung der Norm durch
das Bundesgericht nur noch vorgenommen werden kann, wenn das kantonale
Verfahren innert der in der kantonalen Gesetzgebung vorgesehenen
Frist oder, wo keine solche vorgeschrieben ist, innert der üblichen
Rechtsmittelfrist angehoben worden ist.

    e) Baugesetz und Zonenplan der Gemeinde Klosters-Serneus sind in der
Volksabstimmung vom 29. Juli 1973 angenommen und von der Bündner Regierung
am 27. Dezember 1973 genehmigt worden. Im Regierungsbeschluss wurde die
Gemeinde angewiesen, Datum und wesentlichen Inhalt der Genehmigung in
geeigneter Form zu publizieren. Dass diese Veröffentlichung ordnungsgemäss
stattfand, ist vom Beschwerdeführer nicht bestritten worden.

    Der Beschwerdeführer reichte am 18. Dezember 1975, also erst zwei
Jahre nach Genehmigung des Zonenplanes verfassungsrechtliche Beschwerde
ein und hat anschliessend an den Regierungsentscheid staatsrechtliche
Beschwerde erhoben. In dieser bringt er einzig Rügen materiell-rechtlicher
Art vor. Auf die Beschwerde kann daher, wie dargelegt, wegen Verspätung
nicht eingetreten werden.

Erwägung 6

    6.- Zonenplanänderung als Verfügung:

    Angenommen, die Umzonung der Parzelle Nr. 610 sei im
Anfechtungsverfahren einer Verfügung gleichzustellen, hatte die Bündner
Regierung die eingereichte verfassungsrechtliche Beschwerde nur im
Hinblick auf Art. 4 lit. b VVV zu prüfen, da die Beschwerde im Sinne
von Art. 4 lit. a VVV einzig zur Anfechtung rechtssetzender Erlasse
dient. Mit der verfassungsrechtlichen Beschwerde gemäss Art. 4 lit. b
kann die Regierung dort zur Intervention veranlasst werden, wo sie schon
von Amtes wegen zum Einschreiten ermächtigt ist. Die Beschwerde wird
auch dann als Anzeige entgegengenommen, wenn der Beschwerdeführer kein
eigenes Rechtsschutzinteresse ausweist (KISTLER, aaO, S. 64 f. N. 95
mit Hinweisen; HATZ, aaO S. 119 ff., RASCHEIN, aaO, S. 143). Inwieweit
die Regierung zur Behandlung einer solchen Beschwerde verpflichtet
ist und der Beschwerdeführer Anspruch auf einen Entscheid hat, ist
unklar. Unklar ist daher auch, ob die verfassungsrechtliche Beschwerde
im Sinne von Art. 4 lit. b VVV ein eigentliches Rechtsmittel darstellt
oder bloss die Wesenszüge einer Aufsichtsbeschwerde trägt. Wäre sie
als Aufsichtsbeschwerde zu betrachten, so wäre der Entscheid der Bündner
Regierung über die von Othmar Ernst eingereichte Beschwerde der Überprüfung
durch das Bundesgericht entzogen, da der Beschluss einer Aufsichtsbehörde,
auf eine Aufsichtsbeschwerde nicht einzutreten oder sie abzuweisen, nach
ständiger Rechtsprechung nicht Anfechtungsobjekt einer staatsrechtlichen
Beschwerde sein kann (BGE 90 I 230 f.; 102 Ib 84 f. mit Hinweisen). Müsste
der Regierungsbeschluss jedoch als Rechtsmittelentscheid gelten und auf
die dagegen erhobene staatsrechtliche Beschwerde eingetreten werden,
so wäre diese aus folgenden Gründen abzuweisen:

    Die Regierung hat in ihrer Beschwerdeantwort darauf hingewiesen,
dass der Beschwerdeführer seine Interessen im Genehmigungsverfahren hätte
wahrnehmen sollen und dass die nachträglich eingereichte Beschwerde, wie
das Verwaltungsgericht in seinem Entscheid ausgeführt habe, nicht mehr
zuzulassen sei. Diese Begründung lässt sich, wie bereits festgestellt
worden ist (E. 1a), nicht beanstanden und hätte es der Regierung erlaubt,
einen Nichteintretensentscheid zu fällen. Daran ändert nichts, dass
die verfassungsrechtliche Beschwerde an sich jederzeit erhoben werden
kann. Die verfassungsrechtliche Beschwerde im Sinne von Art. 4 lit. b
VVV ist nur in den Fällen gegeben, in denen die Regierung aufgrund der
Verfassung oder eines Gesetzes von Amtes wegen einschreiten darf. Nun
ist es jedenfalls nicht willkürlich anzunehmen, dass die Regierung -
deren frühere Befugnis zur Überprüfung der kommunalen Entscheide bei
Schaffung der Verwaltungsgerichtsbarkeit ans Verwaltungsgericht überging
(vgl. Art. 13 lit. a VGG; Art. 42 lit. b der Verordnung über das Verfahren
in Verwaltungsstreitsachen vor dem Kleinen Rat vom 1. Dezember 1942) -
nicht ermächtigt sei, eine von der Gemeinde erlassene Verfügung, die
bereits in Rechtskraft erwachsen ist, von Amtes wegen aufzuheben. Es
scheint im übrigen klar, dass der verfassungsrechtlichen Beschwerde im
Sinne von Art. 4 lit. b VVV als besonderem Rechtsmittel bzw. Rechtsbehelf
nicht missbräuchlich die Funktion eines ordentlichen Rechtsmittels
übertragen werden kann, wenn dieses nicht rechtzeitig ergriffen worden
ist, so wenig wie ein Revisionsverfahren zum Vorbringen von Gründen
benutzt werden kann, die bereits im ordentlichen Rekursverfahren gegen
den Entscheid hätten geltend gemacht werden können (vgl. BGE 98 Ia 573).

    Durfte die Regierung demnach mit einer haltbaren Begründung
das Eintreten auf die verfassungsrechtliche Beschwerde ablehnen, so
hat das Bundesgericht keinen Anlass, sich mit den Einwendungen des
Beschwerdeführers zu befassen. Die staatsrechtliche Beschwerde gegen
den Entscheid der Bündner Regierung ist daher abzuweisen, soweit darauf
eingetreten werden kann.

Erwägung 7

    7.- Nach dem Gesagten hat das Bundesgericht weder die gegen das
Urteil des Verwaltungsgerichtes noch die gegen den Regierungsbeschluss
erhobenen Rügen materiell-rechtlicher Natur zu behandeln. Von einer
Prüfung dieser Vorbringen kann umso eher abgesehen werden, als die
Gemeinde Klosters-Serneus nach ihren eigenen Erklärungen den Zonenplan
einer neuen umfassenden Prüfung unterziehen will und der Beschwerdeführer
die gegenwärtige Einzonung seiner Parzelle bei dieser Gelegenheit erneut
in Frage stellen kann.