Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 106 IA 249



106 Ia 249

47. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 17.
Oktober 1980 i.S. Doster gegen Verwaltungsgericht des Kantons Zürich
(staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Gesetzliche Grundlage von Gerichtsgebühren.

    - Zusammenfassung der Rechtsprechung (E. 1).

    - Hinweise auf eidgenössische und kantonale Regelungen betreffend
die gesetzliche Grundlage von Gerichtsgebühren (E. 2).

    - Haben Gerichtsgebühren, die nur dem Grundsatz nach, nicht aber
hinsichtlich der Gebührenhöhe im Gesetz verankert sind, eine genügende
gesetzliche Grundlage? (E. 3).

Sachverhalt

    A.- Martin und Thomas Doster sind Eigentümer der Liegenschaft
Römerstrasse 32 in Winterthur. Am 16. November 1977 teilte ihnen
die Aufzugskontrolle der Stadt Winterthur mit, sie hätten den in der
Liegenschaft befindlichen Personenaufzug bis zum 30. Juni 1978 der SIA-Norm
106 anzupassen oder ausser Betrieb zu setzen. Die Hauseigentümer gelangten
hierauf an den Stadtrat und alsdann an den Bezirksrat Winterthur, die
jedoch die Rechtsmittel verwarfen.

    Den Beschluss des Bezirksrates fochten Martin und Thomas Doster beim
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich an. Dieses hiess die Beschwerde
mit Entscheid vom 30. April 1980 gut und wies die Sache "zur weiteren
Untersuchung und zum Neuentscheid im Sinne der Erwägungen an den
Bezirksrat Winterthur" zurück. Die Gerichtskosten, bestehend aus einer
Gerichtsgebühr von Fr. 500.-- und den Zustellungskosten, auferlegte es
den beiden Beschwerdeführern je zu einem Viertel "unter Solidarhaft eines
jeden bis zur Hälfte". Die andere Hälfte der Gerichtskosten wurde auf
die Gerichtskasse genommen.

    Wegen Verletzung von Art. 4 BV führen Martin und Thomas Doster beim
Bundesgericht staatsrechtliche Beschwerde. Sie stellen den Antrag, der
verwaltungsgerichtliche Entscheid sei insoweit aufzuheben, als ihnen mit
diesem Entscheid Gerichtskosten auferlegt werden.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, und zwar aus folgenden

Auszug aus den Erwägungen:

                          Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Gemäss § 40 des zürcherischen Verwaltungsrechtspflegegesetzes (VRG)
erlässt das Verwaltungsgericht eine Verordnung über die Gerichtsgebühren,
die vom Kantonsrat zu genehmigen ist. Die Beschwerdeführer behaupten
vor Bundesgericht, weil nicht das Gesetz, sondern nur die Verordnung
etwas über die Bemessung der Gebühren sage, fehle diesen die nach
der bundesgerichtlichen Rechtsprechung erforderliche gesetzliche
Grundlage. Gerichtsgebühren sind Verwaltungsgebühren; sie werden vom
Abgabenpflichtigen wegen einer ihm zurechenbaren Amtshandlung erhoben
(VALLENDER, Grundzüge des Kausalabgabenrechts, Bern und Stuttgart 1976,
S. 51). Grundsätzlich gelten auch für die Gebühren die verfassungsmässigen
Grundprinzipien des Abgabenrechts, d.h. öffentliche Abgaben dürfen
nur auf Grund und Rahmen eines Gesetzes im formellen Sinne erhoben
werden. Wohl können nach der Rechtsprechung einzelne Fragen in einer
Verordnung geregelt werden, doch hat das Gesetz in solchen Fällen
den Kreis der Abgabepflichtigen, den Gegenstand der Abgabe und deren
Bemessung in Grundzügen selber festzulegen. Delegiert der Gesetzgeber
rechtsetzende Befugnisse im Abgabenrecht an die Exekutive oder an eine
richterliche Behörde, dann muss in der Regel zumindest der Höchstbetrag der
geschuldeten Leistung im Gesetz verankert sein. Der verfassungsmässige
Grundsatz der Gesetzmässigkeit ist somit verletzt, wenn wesentliche
Elemente einer Abgabe nicht durch den Gesetzgeber festgesetzt werden
(BGE 105 Ia 4 E. 1b, 104 Ia 117 E. 3, 103 Ia 243 E. 2a mit Hinweisen).
Eine Ausnahme gilt für sogenannte Kanzleigebühren. Darunter fallen aber
nur Abgaben für einfache Tätigkeiten der Verwaltung, die ohne besonderen
Prüfungs- und Kontrollaufwand erbracht werden und sich in der Höhe in einem
bescheidenen Rahmen halten (BGE 104 Ia 115 E. 3). Solche Kanzleigebühren
stehen hier indessen nicht in Frage, geht es doch um eine Gebühr von
Fr. 500.--, mit der die Aufwendungen des Staates für eine anspruchsvolle
Leistung, die Beurteilung eines Streitfalles, entgolten werden soll.

    Freilich handhabt das Bundesgericht den Gesetzmässigkeitsgrundsatz
im Gebührenrecht nicht mit aller Strenge. Auf Grund der Rechtsprechung
von BGE 104 Ia 117 E. 4 wird im Abgaberecht bei den Anforderungen
an die gesetzliche Grundlage nach der Natur der in Frage stehenden
Leistung an den Staat unterschieden, wobei der Einzelfall zu betrachten
ist. Die Anforderungen an die gesetzliche Grundlage dürfen dort
herabgesetzt werden, wo dem Bürger die Überprüfung der Gebühr an
Hand anderer verfassungsrechtlicher Prinzipien (Kostendeckungsprinzip,
Äquivalenzprinzip) ohne weiteres offen steht, nicht aber, wenn spezifisch
der Gesetzesvorbehalt diese Schutzfunktion erfüllt. Der Legalitätsgrundsatz
darf dabei weder seines Gehaltes entleert, noch auf der andern Seite in
einer Weise überspannt werden, dass er mit der Rechtswirklichkeit und dem
Erfordernis der Praktikabilität in einen unlösbaren Widerspruch gerät. Von
dieser Rechtsprechung ist auszugehen.

Erwägung 2

    2.- Auch wenn die verwaltungsgerichtliche Verordnung vom Kantonsrat
genehmigt wurde, ist sie doch kein Gesetz im formellen Sinn, da die Gesetze
im Kanton Zürich der Volksabstimmung unterstellt werden müssen (BGE 105
Ia 4 E. 1b). Doch ist festzuhalten, dass die Rechtssetzungsdelegation in
§ 40 VRG weitgehender Übung im Bund und in den Kantonen entspricht. In
den meisten kantonalen Gesetzen wird, ähnlich wie bei der hier in Frage
stehenden zürcherischen Regelung, nur festgelegt, dass Gerichtsgebühren
erhoben werden könnten, wobei deren nähere Ausgestaltung einem oberen
kantonalen Gericht oder der Regierung übertragen wird. Verbreitet
ist auch die Lösung, dass Umfang und Ausmass der Gerichtsgebühren vom
Parlament durch Dekret festgelegt werden. Nur in wenigen Kantonen ist der
Höchstbetrag für die Gerichtsgebühren im Gesetz selbst festgelegt. Das
trifft vor allem auf die Prozessordnungen der Kantone Schaffhausen und
Tessin sowie auf das neue Walliser Verwaltungsrechtspflegegesetz zu. Selbst
die Kantone Luzern und Basel-Stadt, die eigentliche Gebührengesetze kennen,
haben auf Gesetzesstufe keine Richtlinien für die Bemessung der Gebühren
aufgestellt. Demgegenüber gehen die Richtlinien des Gebührengesetzes des
Kantons Jura aus dem Jahre 1978 bis in die Einzelheiten, wiewohl auch
dieses Gesetz die Festsetzung der Gebührensätze nicht dem Gesetzgeber
vorbehält, sondern dem Parlament überlässt.

    Auch der Bundesgesetzgeber hat davon abgesehen, die Gebührensätze
oder den zulässigen Höchstbetrag der Gerichtsgebühren im Gesetz zu
verankern. So sind in Art. 153 Abs. 1 lit. b OG die Höchstbeträge für
die Gerichtsgebühren zwar gesetzlich auf Fr. 10'000.-- bzw. Fr. 20'000.--
festgelegt, doch kann das Bundesgericht über diese Beträge hinausgehen,
wenn "Besonderheiten des einzelnen Falles... es angezeigt erscheinen
lassen". Im neuen Bundesgesetz über den Militärstrafprozess (MStP) vom
23. März 1979 wird schliesslich nicht einmal ausdrücklich erklärt, dass
der Bundesrat es sei, der die Gebührensätze festzulegen habe. So bestimmen
die Art. 151, Art. 171, Art. 182, Art. 193, Art. 199 und Art. 207 MStP
lediglich, dass dem Verurteilten bzw. dem Rechtsmittelkläger "die Kosten"
des Verfahrens auferlegt werden können. Einzig gestützt auf Art. 218
MStP, der dem Bundesrat die Kompetenz zum Erlass von Vollzugsvorschriften
überträgt, hat der Bundesrat in Ziff. 9 des Anhanges 3 zur Verordnung
über die Militärstrafrechtspflege vom 24. Oktober 1979 umschrieben, was
die im Gesetz erwähnten Kosten alles umfassen, nämlich die verschiedenen
Auslagen der Gerichtskasse sowie eine Gerichtsgebühr von Fr. 100.-- bis Fr.
3'000.-- "als Beitrag an die Kosten der Gerichtskasse für Vorladungen,
Zustellungen, Urteilsausfertigung usw.".

Erwägung 3

    3.- a) Gleich wie für die Verwaltungsgebühren ist für die ihnen
entsprechenden Gerichtsgebühren wesentlich, dass sich der Betroffene
hinsichtlich ihrer Bemessung sowohl auf das Kostendeckungsprinzip als
auch auf den Grundsatz der Verhältnismässigkeit bzw. der Äquivalenz
berufen kann (BGE 100 Ia 116). Nach dem Kostendeckungsprinzip dürfen
die Gesamteinnahmen einer Gebühr die Gesamtkosten der betreffenden
Amtshandlungen nicht übersteigen (BGE 104 Ia 116). In seiner Vernehmlassung
legt das Verwaltungsgericht dar, seine Einnahmen hätten im Jahre 1979 etwa
Fr. 272'000.-- und seine Ausgaben etwa Fr. 1'252'000.-- betragen. Es
ist notorisch, dass ganz allgemein die von den Gerichten über die
Gebührenerhebung erzielten Einnahmen die Ausgaben bei weitem nicht zu
decken vermögen. Von da her ruft jedenfalls das Schutzbedürfnis des
Einzelnen keiner Regelung der Gerichtsgebühren in einem formellen Gesetz
(vgl. BGE 104 Ia 118 E. 4b).

    Nach dem Äquivalenzprinzip darf die Gebühr sodann zum objektiven
Wert der Leistung nicht in ein offensichtliches Missverhältnis geraten
und muss sich in vernünftigen Grenzen bewegen. Die Gebührensätze dürfen
nur nach sachlich vertrebaren Gesichtspunkten ausgestaltet sein und
keine Unterscheidungen treffen, für die ein vernünftiger Grund nicht
ersichtlich ist. Insbesondere darf die Höhe der Gebühr die Inanspruchnahme
gewisser Institutionen nicht verunmöglichen oder übermässig erschweren
(BGE 104 Ia 116, 103 Ia 89 mit Hinweisen). Art. 59 der KV des Kantons
Zürich bestimmt ausdrücklich, dass das Prozessverfahren "im Sinne
möglichster Rechtssicherheit sowie rascher und wohlfeiler Erledigung"
geordnet werden soll. Da die von den Gerichten zu erbringende Leistung
in der Regel um so bedeutsamer ist, je höher der Streitwert liegt,
wird bei Gerichtsgebühren der Streitwert regelmässig als Massstab
für die Berechnung der Gebühr herangezogen. Diesen Anforderungen des
Äquivalenzgrundsatzes genügt die verwaltungsgerichtliche Verordnung
vom 18. Juni 1976 über die Gerichtsgebühren, wird doch dort erklärt,
die Gerichtsgebühr bemesse sich in erster Linie nach dem Streitwert oder,
wenn dieser nicht bestimmbar sei, nach der Tragweite, die dem Entscheid im
Einzelfall zukommt. Wenn § 2 der erwähnten Verordnung Gerichtsgebühren
zwischen Fr. 50.-- (bei Streitwerten bis Fr. 500.--) und Fr. 20'000.--
(bei Streitwerten über Fr. 2'000'000.--) vorsieht, sind das Ansätze,
die sich ohne weiteres im Rahmen des Äquivalenzprinzips halten. Auch
wenn im Kanton Zürich das obligatorische Gesetzesreferendum besteht,
ist sodann der Umstand, dass die verwaltungsgerichtliche Verordnung vom
Kantonsrat genehmigt wurde, wenigstens ein Indiz dafür, dass auch der
Gesetzgeber, wenn seine Zuständigkeit gegeben gewesen wäre, im Jahre 1976
Gebührensätze gewählt hätte, die mit den vom Verwaltungsgericht gewählten
ungefähr übereinstimmen.

    b) Die zürcherische Ordnung, wonach die Gerichtsgebühren nur dem
Grundsatze nach im Gesetz, im übrigen aber, namentlich bezüglich ihrer
Höhe und Bemessung, in einer Verordnung festgelegt sind, entspricht,
wie dargelegt, einer in der Schweiz allgemein verbreiteten Regelung. Sie
lässt sich rechtfertigen, weil es um Gebühren geht die von einem Gericht
festzusetzen sind d.h. von einer den Streitfall als neutrale Instanz
beurteilenden Behörde, die vom Ausgang des jeweiligen Rechtsstreites
nicht betroffen und mit Ermessensentscheiden vertraut ist, und diese
Ermessensentscheidungen lassen sich im Einzelfall wiederum an Hand der
verfassungsmässigen Grundsätze der Kostendeckung und der Äquivalenz
überprüfen. Die angefochtene zürcherische Regelung verletzt das
verfassungsmässige Gesetzmässigkeitsprinzip nicht, da es unter solchen
Umständen genügen muss, wenn die Gebühren wenigstens dem Grundsatze nach
im Gesetz verankert sind. Die Schutzfunktion für den Einzelnen, die dem
Gesetzesvorbehalt zukommt, gebietet nicht, an die gesetzliche Grundlage
der Gerichtsgebühren höhere Anforderungen zu stellen. Solches hiesse
vielmehr, den Gesetzmässigkeitsgrundsatz in einer Weise zu überspannen,
dass er mit der Rechtswirklichkeit und dem Erfordernis der Praktikabilität
in einen unlösbaren Widerspruch geriete (vgl. BGE 104 Ia 117 E. 4).