Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 106 IA 237



106 Ia 237

44. Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 26. November
1980 i.S. F. c. G. und Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte im
Kanton Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Art. 88 OG; Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde.

    Der Verzeiger kann den im Disziplinarverfahren getroffenen Entscheid
der zürcherischen Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte grundsätzlich
nicht mit staatsrechtlicher Beschwerde anfechten.

Auszug aus den Erwägungen:

                          Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Mit Eingabe vom 20. Juni 1980 verzeigte F. Rechtsanwalt G. bei der
Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte im Kanton Zürich. Zur Begründung
machte der Verzeiger geltend, Rechtsanwalt G. habe sich als Vertreter der
Ehefrau von F., die seit 1975 den Scheidungsprozess plane und betreibe,
pflichtwidrig verhalten. Mit Beschluss vom 1. September 1978 stellte die
Aufsichtskommission das Disziplinarverfahren gegen Rechtsanwalt G. ein,
soweit sie auf die Verzeigung eintrat. F. erhebt gegen diesen Beschluss
staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV.

Erwägung 2

    2.- Nach der Rechtsprechung der Aufsichtskommission kommt dem Verzeiger
im Disziplinarverfahren nicht die Stellung des Geschädigten bzw. der
Partei im Sinne der Strafprozessordnung zu. Wie in ZR 70/1971, Nr. 103
ausgeführt wurde, dient das aufsichtsbehördliche Verfahren nicht den
Privatinteressen, sondern der Wahrung der Sauberkeit des Anwaltsstandes.
Nach der Rechtsprechung der Aufsichtskommission löst der Verzeiger das
Verfahren nur aus, doch hat er auch dann keine Parteistellung, wenn ein
privates Interesse mitspielt. In solchen Fällen kann er nach der Praxis
der Aufsichtskommission wohl am Verfahren beteiligt werden, zum Beispiel
durch Vorladung zu Vernehmungen des Beschuldigten oder allfälliger Zeugen,
doch ist der Entscheid über eine solche Beteiligung von Fall zu Fall
zu treffen (aaO, S. 280). Diese Praxis steht mit den Vorschriften des
Gesetzes über den Anwaltsberuf (Anwaltsgesetz) vom 3. Juli 1938, welches
das Disziplinarverfahren gegen Rechtsanwälte regelt, nicht in Widerspruch.

    Dient das Disziplinarverfahren vor der Aufsichtskommission
ausschliesslich öffentlichen Interessen, so wird der Verzeiger durch
dessen Einstellung nicht in seinen eigenen rechtlich geschützten
Interessen verletzt (Art. 88 OG). Auf eine gegen den Einstellungsbeschluss
gerichtete Beschwerde ist daher nicht einzutreten. Da dem Verzeiger im
Disziplinarverfahren keine Parteirechte zustehen, ist er auch nicht
befugt, mit staatsrechtlicher Beschwerde eine Verletzung derartiger
Rechte zu rügen. Die staatsrechtliche Beschwerde kann sich einzig gegen
den Kostenentscheid richten (nicht publ. Urteil des Bundesgerichts vom
29. Dezember 1954 i.S. Brenn c. Dr. Sch. und Aufsichtskommission über
die Rechtsanwälte im Kanton Zürich, E. 2).

Erwägung 3

    3.- Im vorliegenden Fall sind dem Beschwerdeführer für das kantonale
Verfahren keine Kosten auferlegt worden. Auf die staatsrechtliche
Beschwerde ist daher nicht einzutreten.