Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 106 IA 151



106 Ia 151

28. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 17.
Oktober 1980 i.S. Caviezel gegen Gemeinde Horgen und Verwaltungsgericht
des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Art. 88 OG; aktuelles Interesse.

    Wird der eingeforderte Steuerbetrag vorbehaltlos bezahlt und
gegen einen Zahlungsbefehl kein Rechtsvorschlag erhoben, so entfällt
grundsätzlich das aktuelle Interesse an der Beschwerdeführung. Dieses
bleibt dann bestehen, wenn der zuviel bezahlte Betrag nach einer Abänderung
der Einschätzung im Beschwerdeverfahren aufgrund des kantonalen Rechts
von Amtes wegen zurückbezahlt werden muss.

Sachverhalt

    A.- Mit Verfügung vom 11. Juli 1977 nahm die Kommission für
Grundsteuern Horgen gegenüber Frau Rosmarie Caviezel eine Ermessenstaxation
auf dem Vermögensgewinn vor. Nach verschiedenen Mahnungen liess
das Gemeindesteueramt Horgen Frau Caviezel für den eingeforderten
Steuerbetrag einen Zahlungsbefehl zustellen. Die Steuerpflichtige erhob
nicht Rechtsvorschlag. Am 9. Januar 1978 wurde der Betrag einschliesslich
Zinsen und Betreibungskosten bezahlt. Mit Eingabe vom 14. Dezember 1977
erhob Frau Caviezel Beschwerde mit der Begründung, die Steuerforderung
sei übersetzt. Gleichzeitig stellte sie das Gesuch um Wiederherstellung
der Beschwerdefrist. Mit Entscheid vom 28. Juni 1978 wies die kantonale
Finanzdirektion das Fristwiederherstellungsgesuch wegen Verspätung ab
und trat auf die Beschwerde demzufolge nicht ein. Die Beschwerde an das
kantonale Verwaltungsgericht blieb ohne Erfolg. Das Bundesgericht tritt
auf die dagegen erhobene staatsrechtliche Beschwerde ein und weist sie ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition,
ob die staatsrechtliche Beschwerde zulässig sei. Dabei ist nicht von
Bedeutung, ob die Beschwerdeführerin bereits im kantonalen Verfahren
Parteistellung innehatte; einzig entscheidend ist, ob die im OG
vorgesehenen Prozessvoraussetzungen gegeben sind (BGE 104 Ia 159 E. 2b;
102 Ia 94 E. 1; 101 Ia 544 E. 2).

    a) Nach der Rechtsprechung setzt die staatsrechtliche Beschwerde
ein aktuelles praktisches Interesse an der Aufhebung des angefochtenen
Entscheids voraus (BGE 104 Ia 488 E. 2; 103 Ia 10 mit Hinweisen), weil
das Bundesgericht andernfalls nicht mehr über konkrete, sondern bloss
theoretische Fragen zu entscheiden hätte. Das erforderliche aktuelle
Interesse fehlt insbesondere, wenn der Hoheitsakt vollstreckt oder sonst
gegenstandslos geworden ist (BIRCHMEIER, Bundesrechtspflege, S. 376, N. 4
lit. b zu Art. 88 OG). In diesem Sinne hat das Bundesgericht entschieden,
dass ein aktuelles praktisches Interesse an der Aufhebung einer Verfügung
fehlt, mit welcher verfallene, aber im Laufe des Verfahrens vorbehaltlos
entrichtete Beiträge eingefordert werden (BGE 99 V 79).

    b) Im vorliegenden Fall wurde gegen den Zahlungsbefehl
kein Rechtsvorschlag erhoben, sondern der geforderte Steuerbetrag
vielmehr ohne Vorbehalt einbezahlt. Der Betrag wurde zwar nicht von der
Beschwerdeführerin, sondern offenbar von ihrem Vater überwiesen. Das ändert
indessen nichts daran, dass die Schuld ohne Vorbehalt getilgt wurde. Bei
dieser Sachlage stellt sich die Frage, ob die Beschwerdeführerin im
gegenwärtigen Zeitpunkt noch ein aktuelles praktisches Interesse an der
Aufhebung des angefochtenen Entscheides hat. Das ist dann der Fall, wenn
sie aufgrund des kantonalen Rechts nach einer allfälligen Gutheissung der
Beschwerde den zuviel bezahlten Betrag trotz bedingungsloser Einzahlung
noch zurückfordern könnte. Gemäss § 118 StG werden zuwenig bezahlte Beträge
mit Zins nachgefordert, zuviel bezahlte Beträge mit Zins zurückerstattet,
wenn die Einschätzung im Einsprache-, Rekurs- oder Beschwerdeverfahren
geändert wird und die Einschätzung rechtskräftig ist. Daraus ist zu
schliessen, dass die Einzahlung des Steuerbetrages und der Verzicht auf den
Rechtsvorschlag nach kantonalem Recht nicht ohne weiteres als Anerkennung
der Steuerschuld und des Betrages sowie als Verzicht auf die Ergreifung von
Rechtsmitteln ausgelegt werden kann. Vielmehr zahlt die Steuerverwaltung
zuviel bezahlte Beträge nach der rechtskräftigen Festsetzung der Steuer
durch die Rechtsmittelbehörden ohne weiteren Antrag von Amtes wegen
zurück (vgl. dazu auch REIMANN/ZUPPINGER/SCHÄRRER, Kommentar zum Zürcher
Steuergesetz, Bd. III, S. 583 ff. zu Art. 118 StG). Die Beschwerdeführerin
hat demnach ein aktuelles Interesse an der Gutheissung der Beschwerde
und an der Aufhebung des angefochtenen Entscheides; auf die Beschwerde
kann eingetreten werden.