Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 106 IA 100



106 Ia 100

23. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 22.
Februar 1980 i.S. R., S., Z. und D. gegen Anwaltskammer des Kantons Bern
(staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Art. 31 BV; Disziplinarrecht der Rechtsanwälte.

    1. a) Der Anwalt kann sich auf die Handels- und Gewerbefreiheit
berufen; Berücksichtigung weiterer Grundrechte (E. 6a);
   b) Schranken der Berufstätigkeit des Anwalts (E. 6b);

    2. Kognition des Bundesgerichts bei Entzug des Freizügigkeitspatents
(E. 6c).

    3. Gesetzliche Grundlage der Berufspflichten des Anwalts (E. 7).

    4. Einzelne Verstösse gegen die Berufspflichten:

    a) im Zusammenhang mit der Abgabe von Presseerklärungen und Abhaltung
von Pressekonferenzen (E. 8, 10);
   b) Verlassen der Gerichtsverhandlungen (E. 9);

    c) Weiterleitung von Hungerstreikerklärungen der Mandanten an die
Presse (E. 11);
   d) Bruch der Informationssperre (E. 12).

    5. Verhältnismässigkeit disziplinarischer Sanktionen:

    a) Der Entzug des Anwaltspatents (Grund- oder Freizügigkeitspatent)
ist nur zulässig, wenn aufgrund einer Gesamtbewertung der bisherigen
Berufstätigkeit des Anwalts eine andere Sanktion als ungenügend erscheint,
um in Zukunft ein korrektes Verhalten zu gewährleisten (E. 13c).

    b) Beurteilung des Verhaltens der Beschwerdeführer;
Verhältnismässigkeit des Patententzugs im konkreten Fall verneint (E. 14).

Sachverhalt

    A.- Am 20. Dezember 1977 überquerten die deutschen Staatsangehörigen
Gabriele Kröcher und Christian Möller auf einem verbotenen Weg die Grenze
zwischen Frankreich und der Schweiz. Sie wurden durch zwei Grenzwächter
angehalten und veranlasst, auf den Grenzwachtposten zu kommen. Als
dort mit der Überprüfung ihrer Identität begonnen wurde, ergriffen
sie die Flucht. Während sich Möller an das Steuer seines Autos setzte,
begann Gabriele Kröcher, auf die zwei Grenzwächter zu schiessen. Die
beiden Beamten wurden verletzt. Gabriele Kröcher und Christian Möller
wurden später in Delémont verhaftet. Gegen die Verhafteten wurde ein
Strafverfahren wegen versuchten Mordes, eventuell versuchter vorsätzlicher
Tötung, und weiterer Delikte eröffnet. Anlässlich der Befragung durch
Polizeibeamte und den Untersuchungsrichter verweigerte Möller jede
Aussage. Gabriele Kröcher lehnte ebenfalls ab, zu den ihr vorgeworfenen
Ereignissen Stellung zu nehmen. Sie machte aber einige Angaben zu ihren
persönlichen Verhältnissen und zu ihren politischen Auffassungen. Sie
erklärte, sich im bewaffneten Kampf gegen die bestehende Gesellschaft zu
befinden. Aus den Akten geht hervor, dass Gabriele Kröcher am 17. Dezember
1973 in Deutschland wegen wiederholten Mordversuchs und bewaffneten Raubes
zu acht Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden war. Im Zusammenhang mit
der Entführung des Politikers Peter Lorenz wurden die deutschen Behörden
im Jahre 1975 gezwungen, Gabriele Kröcher zusammen mit anderen Häftlingen
freizulassen.

    Das Geschworenengericht des V. Bezirks des Kantons Beru sprach Gabriele
Kröcher und Christian Möller am 30. Juni 1978 unter anderem des versuchten
Mordes sowie der Gewalt und Drohung gegen Beamte schuldig. Gabriele Kröcher
wurde zu einer Zuchthausstrafe von 15 Jahren verurteilt, Christian Möller
zu einer solchen von 11 Jahren.

    Gabriele Kröcher und Christian Möller wurden von den im Kanton Zürich
ansässigen Rechtsanwälten B. R., E. S., H. Z. und G. D. verteidigt. Wegen
des Verhaltens der Verteidiger im Strafverfahren leitete die Anwaltskammer
des Kantons Bern ein Disziplinarverfahren ein. Mit Entscheid vom 29. Mai
1979 entzog sie den Vier Anwälten die Bewilligung zur Ausübung des
Anwaltsberufes im Kanton Bern wegen Verletzung von Art. 16 des Gesetzes
über die Advokaten vom 10. Dezember 1840 (AG) sowie der Ziffern 1, 2,
3, 6, 11 und 14 der Standesregeln des bernischen Anwaltsverbandes vom
22. Oktober 1938. Zur Begründung wurde zusammenfassend ausgeführt, die
Anwaltskammer sei zur Überzeugung gelangt, dass es den Disziplinarbeklagten
nicht darum gegangen sei, ein möglichst günstiges Urteil zu erstreiten;
sie hätten den Prozess vielmehr als Gelegenheit benutzen wollen, um den
Staat, die Justiz und die Behörden in Misskredit zu bringen. Die Anwälte
hätten sich mit der Sache der Angeklagten identifiziert und die ihnen
mit den Anwaltspatenten eingeräumte Funktion in der Justiz zum Versuch
missbraucht, den Rechtsstaat selber zu erschüttern und lahmzulegen. Sie
besässen damit die nötige Vertrauenswürdigkeit nicht mehr, um weiterhin
im Kanton Bern den Anwaltsberuf auszuüben.

    Gegen den Entscheid der Anwaltskammer erheben die Rechtsanwälte R.,
S. und Z. staatsrechtliche Beschwerde. Eine weitere Beschwerde wurde
von Rechtsanwalt D. eingereicht. Das Bundesgericht hat beide Verfahren
vereinigt.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 6

    6.- a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichts steht
der Anwalt unter dem Schutz der in Art. 31 BV gewährleisteten Handels-
und Gewerbefreiheit, ebenso wie die Inhaber der anderen liberalen
Berufe und wie alle übrigen Personen, die einer privatwirtschaftlichen
Erwerbstätigkeit nachgehen (BGE 105 Ia 71 E. 3a; 103 Ia 431 E. 4b; 100 Ia
166 E. 3 mit weiteren Hinweisen). Der überwiegende Teil der Lehre vertritt
die gleiche Auffassung (vgl. AUBERT, Traité de droit constitutionnel
suisse, Bd. II, Nr. 1888 f.; SALADIN, Grundrechte im Wandel, 2. A., S. 234;
MARTI, Die Wirtschaftsfreiheit der schweizerischen Bundesverfassung, S. 46;
NEF, Handels- und Gewerbefreiheit, IV, SJK Nr. 619, S. 9; vgl. ferner
die in BGE 105 Ia 71 genannten Autoren). In der Literatur ist indes auch
geltend gemacht worden, die Unterstellung der Tätigkeit des Anwalts
unter Art. 31 BV sei nicht zutreffend, weil dieses Grundrecht mit der
Forderung erhöhter Verantwortlichkeit der freien Berufe dem Staate
gegenüber unvereinbar sei (SALZMANN, Das besondere Rechtsverhältnis
zwischen Anwalt und Rechtsstaat, Diss. Freiburg 1976, S. 126 ff.). Dieser
Auffassung kann nicht gefolgt werden, wie das Bundesgericht schon in
BGE 105 Ia 71 festgehalten hat. Was die Einordnung unter Art. 31 BV
betrifft, so ist freilich richtig, dass die Tätigkeit des Anwalts und
die dafür geltenden staatlichen Beschränkungen nicht ausschliesslich
im Lichte dieses wirtschaftlichen Grundrechts zu beurteilen sind. Im
Rahmen der verfassungsrechtlichen Prüfung sind gegebenenfalls auch die
Sinngehalte weiterer Grundrechte zu berücksichtigen, wie namentlich
der Meinungsäusserungsfreiheit und der Pressefreiheit. Soweit staatliche
Beschränkungen für die Tätigkeit des Strafverteidigers bedeutsam sind, sind
sie insbesondere auch daran zu messen, dass sie die wirksame Wahrnehmung
der verfassungsmässigen Rechte des Beschuldigten nicht verunmöglichen
dürfen. Die Berücksichtigung dieser Grundrechte schliesst jedoch nicht
aus, dass sich der Anwalt gegen Beschränkungen seiner Tätigkeit und
namentlich gegen Disziplinarstrafen auf Art. 31 BV berufen kann. Der
Anrufung dieses Grundrechts steht auch nicht entgegen, dass der Anwalt
besonderen Beschränkungen unterworfen ist, die für andere Berufe nicht
oder nicht in gleicher Weise gelten. Darauf ist im folgenden einzugehen.

    b) Wie das Bundesgericht wiederholt ausgeführt hat, ist der Anwalt
bei seiner Berufstätigkeit an die Schranken gebunden, die sich aus seiner
Stellung als "Diener des Rechts" und als "Mitarbeiter der Rechtspflege"
ergeben (BGE 103 Ia 431 E. 4b; 98 Ia 58 E. 3). Da diese Umschreibungen
möglicherweise zu Missverständnissen und damit zu Grundrechtsbeschränkungen
führen könnten, die mit der Verfassung nicht vereinbar wären, rechtfertigt
es sich, ihren Sinn näher zu erläutern. Der Anwalt ist "Diener des
Rechts" und "Mitarbeiter der Rechtspflege" insoweit, als ihm die
Aufgabe zukommt, die Rechtsuchenden bei der Verfolgung ihrer subjektiven
Rechtsschutzinteressen zu beraten und zu unterstützen. Er nimmt damit eine
Aufgabe wahr, ohne deren Erfüllung der Bürger seine Rechtsansprüche häufig
nicht durchsetzen könnte und ohne deren Wahrnehmung die Verwirklichung
der Rechtsordnung ganz allgemein in Frage gestellt wäre. Der Tätigkeit
des Anwalts kommt darüber hinaus im Strafprozess besondere Bedeutung
zu. Wird der Beschuldigte in schwereren Straffällen nicht durch einen
Anwalt verteidigt, so fehlt eine unerlässliche Voraussetzung für einen
gerechten und rechtsstaatlichen Prozess. Dem Anwalt sind im Verfahren
denn auch eine Reihe besonderer Befugnisse eingeräumt, so z.B. das Recht
auf unbeaufsichtigten Verkehr mit seinem inhaftierten Mandanten, auf
Einräumung ausreichender Gelegenheit zur Vorbereitung der Verteidigung,
auf Anwesenheit bei Befragungen des Beschuldigten, auf Herausgabe der
Akten, usw. (vgl. zum Umfang dieser Befugnisse im einzelnen: BGE 105 Ia
100 E. 2, 3; 104 Ia 17 ff.;, 103 Ia 304 E. 6b). Zugleich und nicht zuletzt
mit Rücksicht auf diese Befugnisse sind dem Anwalt aber auch besondere
Pflichten auferlegt. Er ist zur Wahrung der Standeswürde verpflichtet und
hat insoweit die geschriebenen und ungeschriebenen Regeln zu beachten,
die im Interesse des rechtsuchenden Publikums und des geordneten Ganges der
Rechtspflege das Vertrauen in seine Person und die Anwaltschaft insgesamt
gewährleisten sollen. Im Verhältnis zu den Behörden der Rechtspflege
setzt die Vertrauenswürdigkeit des Anwaltes namentlich voraus, dass er
gegenüber seinem Klienten die Unabhängigkeit wahre. Verliert er diese, so
entfällt die Vertrauensgrundlage dafür, dass der Anwalt seine Tätigkeit
korrekt ausüben und seine Stellung nicht zu Verfahrensfremden Zwecken
missbrauchen werde. An der unerlässlichen Vertrauensgrundlage fehlt es
aus dem gleichen Grunde, wenn sich der Anwalt gegen die Verfassungsmässige
Ordnung stellt und für deren gewaltsame Änderung eintritt.

    Die Bezeichnungen "Diener des Rechts" und "Mitarbeiter der
Rechtspflege" bedeuten aber nicht, dass der Anwalt wie der Richter auf
die objektive Wahrheitsfindung und Rechtsanwendung verpflichtet sei. Wohl
trägt seine Tätigkeit zur Verwirklichung des objektiven Rechts bei,
indem namentlich davon ausgegangen wird, dass der Richter um so sicherer
zum richtigen Urteil finde, je besser die widerstreitenden subjektiven
Rechtspositionen vertreten werden. Der Anwalt ist aber nicht staatliches
Organ und auch nicht "Gehilfe des Richters", sondern Verfechter von
Parteiinteressen und als solcher einseitig für seinen jeweiligen
Mandanten tätig. Das gilt insbesondere für den Strafverteidiger. Ihm
obliegt es, dem staatlichen Strafanspruch entgegenzutreten und auf ein
freisprechendes oder möglichst mildes Urteil hinzuwirken. Damit erfüllt
er die ihm als "Mitarbeiter der Rechtspflege" zukommende Aufgabe. Während
die Vertrauenswürdigkeit des Anwalts, wie bereits ausgeführt, Verlangt,
dass er gegenüber seinem Klienten die Unabhängigkeit wahre, so bedingt
die eben geschilderte Aufgabe die Unabhängigkeit der Verteidigung
vom Staat. Der Anwalt hat seine Tätigkeit nicht am staatlichen
Strafverfolgungsinteresse auszurichten, sondern am Interesse des
Beschuldigten an einem freisprechenden oder möglichst milden Urteil, und
es muss ihm hinsichtlich der Wahl der Verteidigungsmittel ein hohes Mass
an Entscheidungsfreiheit zukommen. Gesetzliche oder standesrechtliche
Vorschriften, die das nicht berücksichtigen, halten vor der Verfassung
nicht stand. Das heisst aber nicht, dass die Tätigkeit des Anwalts keinen
Schranken unterliege. Dem Verteidiger ist es verwehrt, rechtswidrige Mittel
zu ergreifen. Unzulässig ist es ferner, wenn er zu Mitteln Zuflucht
nimmt, die das Ziel des Verfahrens, über Schuld oder Unschuld seines
Klienten einen der Rechtslage entsprechenden Entscheid zu fällen und
gegebenenfalls das Mass der Strafe festzulegen, vereiteln sollen. Da die
formelle Verteidigung des Beschuldigten in schwereren Fällen Voraussetzung
für ein rechtsstaatliches Verfahren ist, handelt der Verteidiger seinen
Pflichten ferner auch dann zuwider, wenn er die ihm Obliegende Aufgabe
schlechterdings nicht erfüllt. Ob derartige Pflichtwidrigkeiten vorliegen,
ist wegen der dem Anwalt zustehenden weiten Entscheidungsfreiheit jedoch
mit grosser Zurückhaltung zu beurteilen.

    c) Der Entzug der Bewilligung zur Ausübung des Anwaltberufes stellt
einen besonders schweren Eingriff in die Handels- und Gewerbefreiheit dar
und zwar unabhängig davon, ob diese Massnahme den Kanton des Grundpatents
oder nur einen "Freizügigkeitskanton" betrifft. Das Bundesgericht prüft
die Auslegung und Anwendung des kantonalen Gesetzesrechts daher nicht
lediglich unter dem beschränkten Gesichtswinkel der Willkür, sondern
mit freier Kognition. Ebenfalls frei prüft es, ob die als zutreffend
anerkannte Auslegung und Anwendung des kantonalen Rechts mit den
angerufenen verfassungsmässigen Rechten, insbesondere mit dem Grundsatz der
Verhältnismässigkeit, vereinbar sei (BGE 103 Ia 431 E. 4a mit Hinweisen).

Erwägung 7

    7.- Der Beschwerdeführer D. rügt, dass die angeblich missachteten
Berufspflichten nicht in genügender Weise im Gesetz umschrieben seien.

    a) Die Ausübung der Advokatur im Kanton Bern wird durch das Gesetz
über die Advokatur vom 10. Dezember 1840 (AG) geregelt. Art. 16 AG lautet,
soweit er hier interessiert, wie folgt:

    "Die Advokaten sollen den Parteien, welche ihnen ihr Zutrauen schenken,
   nach dem besten Wissen raten; die gütliche Ausgleichung von

    Rechtsstreitigkeiten möglichst befördern; niemals ein Rechtsgeschäft
   übernehmen oder verfechten, wo nach ihrer Ansicht das Recht nicht
   auf der

    Seite der sie beratenden Partei ist, es sei denn dasselbe sei ihnen von

    Amtes wegen übertragen worden ...; keine von den Gesetzen nicht
   zugelassenen Rechtsverfolgungs- und Verteidigungsmittel gebrauchen; in
   allen Punkten des Verfahrens die einschlagenden Gesetze genau befolgen;
   ... bei Verteidigungen in Straffällen sich nur von der Idee der

    Gerechtigkeit leiten lassen, niemals durch rechtswidrige oder
unmoralische

    Mittel gegen ihre bessere Überzeugung zu hindern suchen, dass den

    Angeklagten die verdiente Strafe treffe, sondern vielmehr nur der
Anwendung
   unverdienter oder übermässiger oder zweckwidriger Strafen
   entgegenwirken..."

    Diese Aufzählung der Berufspflichten ist nicht abschliessend,
sondern es werden lediglich die hauptsächlichen Obliegenheiten des
Anwalts stichwortartig umschrieben. Zur näheren Auslegung des Gesetzes
sind die Standesregeln des bernischen Anwaltsverbandes vom 22. Oktober
1938 (publiziert in: SJZ 37/1940-41, S. 9 ff.) heranzuziehen, in
welchen im einzelnen ausgeprägt ist, was Art. 16 AG in allgemeiner
Form bestimmt. Diese Art der Umschreibung der Berufspflichten des
Rechtsanwalts ist nicht verfassungswidrig, wie das Bundesgericht schon
in BGE 98 Ia 360 E. 3a festgehalten hat, denn es wäre nicht möglich,
die verschiedenen, auf die Wahrung der Vertrauenswürdigkeit des Anwalts
hinzielenden Berufspflichten einzeln und abschliessend aufzuzählen
(vgl. auch GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. A., 1979,
S. 639 f.). Es besteht kein Anlass, von dieser Rechtsprechung abzuweichen.

    b) Damit ist nicht gesagt, dass sich die in Art. 16 AG enthaltene
Umschreibung der Berufspflichten des Anwalts materiell in allen Teilen mit
der Verfassung vereinbaren lasse. Welche Pflichten dem Anwalt auferlegt
werden können, ergibt sich aus den vorstehenden allgemeinen Grundsätzen
(E. 6b) sowie aus den nachfolgenden Erwägungen, die sich mit dem Verhalten
der Beschwerdeführer im einzelnen befassen.

Erwägung 8

    8.- a) Im Entscheid der Anwaltskammer wird den Beschwerdeführern
die Abgabe verschiedener Presseerklärungen und die Abhaltung von
Pressekonferenzen zur Last gelegt, die überwiegend dem Zweck
gedient hätten, auf die zuständigen Behörden Druck auszuüben,
sie in der Öffentlichkeit zu diffamieren und als voreingenommen
darzustellen. Derartige Erklärungen seien standeswidrig. Die geäusserte
Kritik sei weder notwendig noch durch die Umstände gerechtfertigt gewesen,
zudem sei sie ohne die nötige Zurückhaltung erfolgt. Die Beschwerdeführer
hätten deshalb gegen Art. 16 AG und Ziff. 6 der Standesregeln verstossen;
letztere Vorschrift hat folgenden Wortlaut:

    "Der Fürsprecher hat alles zu vermeiden, was ihn in den Verdacht
bringt,

    Sensationen zu schaffen oder Reklame für sich zu machen.

    Der Fürsprecher erlässt Presseerklärungen für seine Partei nur dann,
wenn
   dies unbedingt nötig ist. Er leitet sie ein mit der Formel: "Der
   Anwalt des

    X schreibt uns", es wäre denn, der Inhalt der Erklärung verlange,
dass auch
   der Anwalt mit seinem Namen dazu stehe."  b) Nach der Rechtsprechung
   des Bundesgerichts steht dem
Anwalt in der Kritik an der Rechtspflege weitgehende Freiheit zu, soweit er
diese Kritik in den verfahrensmässigen Formen - sei es in Rechtsschriften,
sei es anlässlich mündlicher Verhandlungen - Vorbringt. Diese Freiheit
ergibt sich vorab aus dem Verteidigungsrecht der von ihm vertretenen
Partei; sie ist darüber hinaus im Interesse der Sicherung einer integren,
den rechtsstaatlichen Anforderungen entsprechenden Rechtspflege
unentbehrlich. Mit Hinblick auf dieses öffentliche Interesse hat das
Bundesgericht denn auch erklärt, es sei geradezu Pflicht und Recht des
Anwalts, Missstände aufzuzeigen und Mängel des Verfahrens zu rügen. Der
Preis, der für diese unentbehrliche Freiheit der Kritik an der Rechtspflege
zu entrichten ist, besteht darin, dass auch gewisse Übertreibungen
in Kauf zu nehmen sind. Wenn dem Anwalt unbegründete Kritik verboten
ist, so kann er auch eine allenfalls begründete nicht mehr gefahrlos
vorbringen. Die Wirksamkeit der Kontrolle der Rechtspflege wäre damit in
Frage gestellt. Erweisen sich die erhobenen Rügen bei näherer Abklärung
als unbegründet, so kann das für sich allein kein Grund für die Verhängung
einer Disziplinarstrafe sein. Standeswidrig und damit unzulässig handelt
der Anwalt bei der Äusserung von Kritik in den verfahrensmässigen Formen
nur, wenn er eine Rüge wider besseres Wissen oder in ehrverletzender Form
erhebt, statt sich auf Tatsachenbehauptungen und Wertungen zu beschränken
(BGE 96 I 526 E. 2, 3; vgl. auch 103 Ia 431 E. 4b).

    Andere, strengere Anforderungen können an die Äusserungen des Anwalts
gestellt werden, die nicht innerhalb des Verfahrens ergehen, sondern
an die Öffentlichkeit gerichtet sind. Es ist nicht verfassungswidrig,
wenn dem Anwalt die Abgabe von öffentlichen Erklärungen nur dann und nur
insoweit gestattet wird, als "besondere Umstände" dies als angebracht
erscheinen lassen. Solche besonderen Umstände können namentlich darin
bestehen, dass eine öffentliche Erklärung zur Wahrung der Interessen
des Klienten geboten ist, oder dass sie zur Abwehr von gegen den Anwalt
persönlich gerichteten Angriffen erfolgt. Die Abgabe von Presseerklärungen
kann sich zudem in Verfahren rechtfertigen, denen in der Öffentlichkeit
besondere Aufmerksamkeit gewidmet wird und über deren Gang die Massenmedien
oder die Behörden selber laufend orientieren. Tritt der Anwalt an die
Öffentlichkeit, so kann überdies verlangt werden, dass er objektiv in der
Darstellung und sachlich im Ton bleibe. Allzu strenge und übertriebene
Anforderungen sind jedoch auch in dieser Hinsicht nicht zulässig (BGE 98
Ia 59 E. 4; vgl. auch BGE 103 Ia 432 E. 5).

    Verfassungswidrig ist es, dem Anwalt die Abgabe von Presseerklärungen
oder die Abhaltung einer Pressekonferenz nur dann zu gestatten, wenn
dies als "unbedingt nötig" erscheint (nicht veröffentlichtes Urteil vom
26. November 1969 i.S. M.; Urteil vom 13. Mai 1970 i.S. W.; in ZR 70,
Nr. 85). Die entsprechende Vorschrift in Ziff. 6 Abs. 2 der bernischen
Standesregeln entspricht der Verfassung daher nicht.

    In der nachfolgenden Erwägung 10 sind die einzelnen Presseerklärungen
und Pressekonferenzen nach diesen Grundsätzen zu beurteilen. Es
rechtfertigt sich jedoch, vorab auf die Vorfälle einzugehen, die
unmittelbar Bezug auf das Verfahren vor dem Geschworenengericht haben
und die den Beschwerdeführern ebenfalls als standeswidrig zur Last
gelegt werden.

Erwägung 9

    9.- a) Anfang Mai 1978 fragte der Präsident der Kriminalkammer die
Beschwerdeführer an, ob sie gegen die in Aussicht genommenen Daten für
die "Bildungssitzung" und die Hauptverhandlung des Geschworenengerichts
zwingende Gründe einzuwenden hätten. Die Beschwerdeführer antworteten
dem Präsidenten der Kammer, es dürfte aus dem bisherigen Verfahren "auch
ihm" klargeworden sein, dass sie die Haftbedingungen der Angeklagten und
die Bedingungen der Verteidigungsarbeit in keiner Weise akzeptierten.
Entsprechende Beschwerden seien denn auch beim Bundesgericht hängig. Unter
diesen Umständen könne die Verteidigung die Terminierung des Prozesses nur
als "unerhörte Provokation" verstehen, und sie werde über Prozesstermine
frühestens nach Erhalt der bundesgerichtlichen Urteile verhandeln.

    Gemäss Ziff. 4 der Standesregeln spricht und schreibt der Fürsprecher
sachlich und in würdiger Form. Gemäss Ziff. 11 begegnet er dem Richter und
den Behörden mit Achtung und erwartet von ihnen dasselbe. Die Anwaltskammer
konnte mit Grund annehmen, dass die Beschwerdeführer diese Vorschriften
missachtet und dabei gegen Art. 16 AG verstossen haben. Es war zwar
durchaus verständlich, wenn sich die Verteidigung gegen die in Aussicht
genommenen Prozessdaten zur Wehr setzte. Es war aber unangemessen, von
einer "Provokation" zu sprechen und zu erklären, die Anwälte würden über
die Prozesstermine frühestens nach Erhalt der bundesgerichtlichen Urteile
"Verhandeln".
   b) Als die Kriminalkammer an den in Aussicht genommenen
Sitzungsdaten festhielt, legten die Rechtsanwälte R., S. und D. ihre
Mandate nieder. Im Verfahren blieb einzig Rechtsanwalt Z. Dieser nahm
an der Bildungssitzung vom 30. Mai 1978 nicht teil; da ihm das im
angefochtenen Entscheid nicht als standeswidrig zur Last gelegt wird,
braucht darauf nicht näher eingegangen zu werden.

    An der Hauptverhandlung vom 12. Juni 1978 stellte Rechtsanwalt
Z. drei "Vorfragen", nämlich: die Verhandlungen sollten in deutscher
Sprache geführt werden; der Prozess sei um einen Tag zu verschieben,
weil die Angeklagten wegen ihrer Verlegung nach Pruntrut bereits um vier
Uhr hätten aufstehen müssen und nicht verhandlungsfähig seien; sodann,
verschiedene der im Saal anwesenden Polizisten sollten sich entfernen,
da sie den Verteidiger irritierten und den Verkehr mit den Angeklagten
behinderten. Die beiden ersten Anträge wurden abgewiesen. Auch dem
dritten Antrag gab das Gericht nur teilweise statt, indem es anordnete,
dass die zwischen den Angeklagten und zu deren Seiten sitzenden Polizisten
einen Abstand von zwei bis drei Metern einhalten sollten. Rechtsanwalt
Z. erklärte darauf, er sei nicht bereit, unter diesen Bedingungen am
Prozess teilzunehmen. Die Sicherheitsmassnahmen seien übertrieben. Als
das Gericht an den getroffenen Massnahmen festhielt, verliess
Rechtsanwalt Z. die Verhandlung. Er erklärte, er werde am Nachmittag
eine Pressekonferenz organisieren; das Mandat behalte er bei. - In seiner
Vernehmlassung an die Anwaltskammer machte Rechtsanwalt Z. geltend, seine
Mandanten hätten gewünscht, dass er unter den herrschenden Bedingungen
nicht mehr im Saal anwesend sei. Er, Z., hätte das auch unabhängig von
diesem Begehren mit seinem Berufsgewissen nicht vereinbaren können.

    Im angefochtenen Entscheid wird Rechtsanwalt Z. das Verlassen der
Hauptverhandlung als standeswidrig zur Last gelegt. Nachdem er eine nach
dem bernischen Strafverfahren notwendige Verteidigung übernommen habe, sei
es nicht mehr in seinem Belieben gestanden, ob er diese auch tatsächlich
ausübe oder dem Prozess fernbleibe. Ein Begehren der Mandanten, zu
ihrer Verteidigung nichts mehr zu unternehmen, könne für den Anwalt nicht
verbindlich sein. In einem solchen Falle habe dieser seine Klienten auf die
anwaltlichen Pflichten hinzuweisen und ihnen den Mandatsentzug anheim zu
stellen, wenn sie mit einer korrekten Verteidigung nicht einverstanden
seien. Das sei im vorliegenden Fall nicht geschehen. Namentlich
berechtigten auch erschwerte Verhandlungs- und Verteidigungsbedingungen den
Anwalt nicht dazu, sich seiner Aufgabe zu entziehen. Es stehe ihm frei,
derartige Bedingungen zu rügen und allenfalls mit Rechtsmitteln dagegen
anzukämpfen. Wenn er damit nicht durchdringe, so habe er die Verteidigung
jedoch unter den gegebenen Bedingungen fortzusetzen, sofern er nicht das
Mandat niederlege. Rechtsanwalt Z. habe es im vorliegenden Falle an der
vom Anwalt geforderten Unabhängigkeit fehlen lassen und seine Funktion
als freier Diener am Recht in schwerer Weise verletzt.

    Die Anwaltskammer konnte das Verhalten von Rechtsanwalt Z. mit
Grund als unzulässig erachten. Sie durfte davon ausgehen, dass an
der Geschworenengerichtsverhandlung keine Umstände vorlagen, welche
die Verteidigungsarbeit in ernstlicher Weise behinderten. Bei dieser
Sachlage war es grob standeswidrig, wenn Rechtsanwalt Z. aus der Sitzung
davonlief. Ob das Gericht die Verhandlungen weiterführte oder wegen des
Davonlaufens des Verteidigers unterbrach, ist nicht entscheidend. An der
Pflichtwidrigkeit dieses Verhaltens ändert auch nichts, dass Rechtsanwalt
Z. mit dem Verlassen der Sitzung einem entsprechenden Wunsch seiner
Mandanten nachkam. Ein solches Begehren konnte für ihn nicht massgebend
sein. Mit diesen Erwägungen soll freilich nicht gesagt sein, dass ein
Verlassen der Verhandlungen in jedem Falle als standeswidrig zu gelten
habe. Ein derartiger Schritt des Verteidigers liesse sich wohl nicht
beanstanden, wenn er in guten Treuen als einziges Mittel erachtet werden
könnte, um durch die Unterbrechung des Prozesses einen für die Angeklagten
drohenden nicht wiedergutzumachenden Nachteil zu verhindern. Das war hier
jedoch offenkundig nicht der Fall. Dass die Verteidigungsarbeit geradezu
verunmöglicht oder zumindest in ernstlicher Weise behindert worden sei,
erscheint jedenfalls als ausgeschlossen.

    c) Das Geschworenengericht setzte die Hauptverhandlung am 26. Juni
1978 fort, nachdem für die Angeklagten amtliche Verteidiger bestellt
worden waren. Rechtsanwalt Z. blieb dieser Sitzung fern, obwohl er
sein Mandat nach wie vor innehatte. Auch dieses Verhalten konnte von der
Anwaltskammer mit Grund als pflichtwidrig erachtet werden.

Erwägung 10

    10.- Im folgenden ist auf die einzelnen Presseerklärungen und
Pressekonferenzen einzugehen.
   a) Die Beschwerdeführer R., S. und Z. gaben am 11. Januar 1978
eine Presseerklärung ab, in welcher sie mitteilten, dass sie den
Untersuchungsrichter am 27. Dezember 1977 um freien, unbeaufsichtigten
Verkehr mit ihren Mandanten ersucht hätten. Der Untersuchungsrichter
habe dieses Gesuch am folgenden Tag abgelehnt, ohne auf die rechtlichen
Vorbringen näher einzugehen. Die am 29. Dezember erhobene Beschwerde sei
von der Anklagekammer noch nicht beantwortet worden. Die Beschuldigten
seien, wie zahlreiche andere Gefangene, dem persönlichkeitsvernichtenden
Regime der Totalisolation ausgesetzt. Es frage sich, ob hier nicht eine
Taktik angewendet werde, die darauf hinziele, die körperliche und geistige
Integrität der Gefangenen zu beeinträchtigen, die Verteidigungsrechte
zu sabotieren und ein Geständnis zu erzwingen. Mit Presseerklärung vom
19. Januar 1978 gaben die drei Anwälte bekannt, die Anklagekammer habe
den Untersuchungsrichter angewiesen, der Verteidigung den sofortigen und
unbeaufsichtigten Besuch der Beschuldigten zu gestatten.

    Dass die drei Anwälte mit diesen Erklärungen an die Presse gelangten,
ist nicht zu beanstanden. Der am 20. Dezember 1977 erfolgten Verhaftung
ihrer Mandanten wurde in den Massenmedien grösste Aufmerksamkeit
zuteil. Wenn die Verteidiger am 11. Januar 1978 zuhanden der Presse die
Erklärung abgaben, dass sie mit den Beschuldigten noch keinen Kontakt
hätten aufnehmen können, und wenn sie zum Ausdruck brachten, dass sie diese
Situation als unzulässig erachteten, so kann das nicht als standeswidrig
bezeichnet werden. Das heisst nicht, dass sich der Anwalt ohne weiteres an
die Öffentlichkeit wenden dürfe, wenn er der Auffassung ist, es liege eine
Rechtswidrigkeit vor und der Beschwerdeentscheid lasse zu lange auf sich
warten. Eine derartige Kritik ist in der Regel auf den verfahrensrechtlich
vorgesehenen Wegen vorzubringen. Im vorliegenden Fall hätte denn auch
der Umstand, dass die am 29. Dezember 1977 eingereichte Beschwerde am
11. Januar 1978 noch nicht behandelt war, für sich allein keinen genügenden
Grund für die Abgabe einer Presseerklärung bilden können. Berücksichtigt
man indes, dass den Verteidigern seit ihrer Bestellung noch keinerlei
Kontakt mit den Verhafteten erlaubt worden war, so lässt sich die
Abgabe einer Erklärung an die Öffentlichkeit vertreten. Insoweit liegt
demnach keine Standeswidrigkeit vor. Dagegen haben die drei Anwälte
das standesrechtlich Zulässige mit der Formulierung der Presseerklärung
überschritten. Das gilt namentlich für die Schlusspassage, in welcher sie
ausführten, man müsse sich fragen, ob die Behörden nicht darauf hinzielten,
die körperliche und geistige Integrität der Gefangenen zu beeinträchtigen,
die Verteidigungsrechte zu sabotieren und ein Geständnis zu erzwingen.

    Was die Presseerklärung vom 19. Januar 1978 anbelangt, so macht die
Anwaltskammer mit Recht geltend, dass ein Anwalt die gebotene Zurückhaltung
verletze, wenn er ohne besondere Veranlassung in der Presse bekannt gebe,
dass er ein günstiges Urteil erstritten habe. Im vorliegenden Fall war die
Presseerklärung vom 19. Januar 1978 indes bedingt durch die - im Grundsatz
zulässige - Erklärung vom 11. Januar 1978. Nachdem die Beschwerdeführer
das Kontaktverbot in der Öffentlichkeit gerügt hatten, konnten sie nach
der Aufhebung des Verbots ohne Verletzung ihrer Standespflichten eine
entsprechende Erklärung in der Presse abgeben. Das gilt namentlich deshalb,
weil die Beschwerdeführer in dieser Angelegenheit zahlreiche Anfragen von
Journalisten erhalten hatten, wie sie glaubhaft geltend machen. Die Form
der zweiten Presseerklärung ist ebenfalls nicht zu beanstanden.

    b) Rechtsanwalt Z. erliess am 22. März 1978 eine Presseerklärung
über den Abbruch des ersten Hungerstreiks der Gefangenen. In
der Mitteilung wurde festgehalten, dass der Abbruch entgegen
anderslautenden Zeitungsmeldungen nicht deswegen erfolgt sei, weil echte
Hafterleichterungen gewährt worden wären. Die vorgenommenen minimalen
Haftveränderungen änderten nichts an den "menschenvernichtenden
Auswirkungen der Isolationshaft". Zudem beanstandete Z. den
eingeschränkten Kontakt zwischen Verteidigern und Beschuldigten, ferner
warf er der Gefängnisverwaltung ein in höchstem Masse unverantwortliches,
ja medizinisch gefährliches Verhalten vor, wenn sie den Hungerstreik
durch das Vorsetzen schmackhafter Mahlzeiten zu brechen versuchten.

    Die Abgabe dieser Presseerklärung lässt sich damit rechtfertigen,
dass der Beschwerdeführer Zeitungsberichten entgegentreten wollte, die
er als unrichtig erachtete. Dass er bei dieser Gelegenheit die Haft-
und Verteidigungsbedingungen kritisierte, kann ihm nicht zum Vorwurf
gemacht werden. Was den näheren Inhalt der Presseerklärungen anbelangt,
so sind die Ausführungen freilich an der Grenze dessen, was mit der dem
Anwalt gebotenen Zurückhaltung vereinbar ist. Berücksichtigt man indes,
dass die Ausführungen, namentlich jene hinsichtlich der Auswirkungen der
Untersuchungshaft, den persönlichen Überzeugungen des Beschwerdeführers
entsprachen und folgt man dem Grundsatz, dass an die Objektivität und
Sachlichkeit einer an sich zulässigen Erklärung keine allzu strengen
Anforderungen zu stellen sind, so kann die Presseerklärung vom 22. März
1978 auch in ihrem Inhalt nicht als standeswidrig erachtet werden.

    c) In einer Presseerklärung vom 6. April 1978 teilten die Rechtsanwälte
D. und Z. mit, dass die Gefängnisbehörden weiterhin auf der körperlichen
Durchsuchung der die Gefangenen besuchenden Anwälte beharrten, obwohl
in den Besuchszimmern Trennscheiben angebracht seien und obwohl die
Anklagekammer die körperliche Durchsuchung als mit der Standeswürde
der Anwälte unvereinbar erklärt habe. Diese Mitteilung kann nicht als
unzulässig erachtet werden, und zwar selbst dann nicht, wenn sie darauf
hinzielte, die Behörden zur Einstellung der beanstandeten Massnahmen
zu veranlassen.

    d) In einem nicht datierten "offenen Brief" an Bundesrat Kurt
Furgler nahm Rechtsanwalt R. Bezug auf eine durch das Schweizerische
Polizeiinstitut durchgeführte Arbeitstagung über die Bekämpfung des
Terrorismus. Bei dieser Gelegenheit wurde eine Übung über das Verhalten
im Falle einer terroristischen Geiselnahme durchgeführt, und es wurde
supponiert, dass die Terroristen die Freilassung von Gabriele Kröcher und
von Christian Möller verlangt hätten. Die Presse berichtete über diese
Übung. Rechtsanwalt R. führte im "offenen Brief" unter anderem aus, es sei
anscheinend kein Mittel gut genug, um die Beschuldigten als "Staatsfeind
Nr. 1" abzustempeln und zum Freiwild zu erklären, offenbar in der Hoffnung,
auf diese Weise den Abbau rechtsstaatlicher Grundsätze im Strafverfahren
voranzutreiben. Die Anwaltskammer hat Rechtsanwalt R. nicht zum Vorwurf
gemacht, dass er gegen die Verwendung der Namen seiner Mandanten öffentlich
Protest einlegte. Dieser Vorwurf wäre auch nicht zulässig gewesen. Die
Anwaltskammer hat R. dagegen mit Grund zur Last gelegt, dass er die
Grenzen einer objektiven und sachlichen Schreibweise überschritten habe.

    e) Am 24. Mai 1978, unmittelbar nach der Niederlegung der Mandate
durch die Rechtsanwälte D., R. und S., hielten die vier Beschwerdeführer
eine Pressekonferenz ab, in welcher sie diesen Schritt begründeten. Bei
den Akten befinden sich vier Manuskripte, die den Text der abgegebenen
Erklärungen enthalten. Rechtsanwalt S. äusserte sich zu den Haftbedingungen
und führte unter anderem aus, die Verteidiger wollten nicht länger an
einem Verfahren mitwirken, in welchem eine Rechtswidrigkeit die andere
jage und in welchem die Anwälte nur noch eine Alibi-Funktion hätten, damit
sich die Verantwortlichen brüsten könnten, sie hätten die sogenannten
rechtsstaatlichen Garantien voll gewahrt. Rechtsanwalt D. äusserte sich
zu den Verteidigungsrechten. Das Verfahren sei voll von Schikanen, die
herrschenden Bedingungen verunmöglichten eine wirksame Verteidigungsarbeit
und seien für einen Anwalt inakzeptabel. Rechtsanwalt R. führte aus, das
laufende Verfahren verstosse gegen das in der EMRK gewährleistete Recht auf
Verteidigung und gegen die Unschuldsvermutung. Die Beschuldigten könnten
angesichts der "Vorverurteilung", der sie ausgesetzt seien, nicht mit
einer unabhängigen Beurteilung durch das Gericht rechnen. In einem solchen
Verfahren zu verteidigen, werde zur Farce, und die Anwälte seien nicht
gewillt, an diesem Spiel mitzuwirken. Rechtsanwalt Z. legte die Gründe
dar, warum er sein Mandat weiter führe. Strafverteidigung heisse Kampf
auf der Seite des Beschuldigten, Kampf gegen Strafverfolgungsmethoden des
Staates, wie sie im Falle seiner Mandanten klar zutage getreten seien. Hier
habe der Staat unmittelbar nach der Verhaftung sein legalistisches Feld
verlassen und ein mörderisches Haftregime eingerichtet. Um die Mandanten
vor weiteren schweren Übergriffen des Staates möglichst zu bewahren, um
sie zu besuchen und menschlich zu betreuen, lege Z. sein Mandat nicht
nieder, doch schliesse er sich dem Protest seiner Kollegen an.

    Dass die vier Anwälte nach der teilweisen Niederlegung der Mandate
eine Pressekonferenz abhielten, lässt sich nicht als standeswidrig
erachten. Nach jenem Schritt herrschte in der Öffentlichkeit ein
erhebliches Bedürfnis nach Information. Es konnte davon ausgegangen werden,
dass über die Mandatsniederlegung in den Massenmedien auch ohne Abhaltung
einer Pressekonferenz berichtet worden wäre, und es war anzunehmen, dass
der Vorfall ohne Bekanntgabe der Gründe Anlass zu vielerlei Vermutungen und
Spekulationen gegeben hätte. Die Anwaltskammer räumt denn auch selber ein,
dass man für die Abhaltung der Pressekonferenz an sich Verständnis haben
könne. Offensichtlich standeswidrig war indes der Inhalt der abgegebenen
Erklärungen. So lassen sich namentlich die Ausführungen der Rechtsanwälte
S., R. und Z. mit dem Gebot objektiver und sachlicher Ausdrucksweise
schlechterdings nicht vereinbaren. Die Anwaltskammer hat das Verhalten der
Anwälte an dieser Pressekonferenz gemeinsam gewürdigt, obwohl jeder eigene
Ausführungen machte. Diese Beurteilung ist zulässig. Die Anwaltskammer
konnte mit Grund annehmen, dass die Einzelheiten der Pressekonferenz
zum vornherein abgesprochen worden seien und dass die vier Anwälte dafür
grundsätzlich die gemeinsame Verantwortung zu übernehmen hätten.

    f) Die Rechtsanwälte Z. und R. führten am 12. Juni 1978, nachdem
Z. die Hauptverhandlung des Geschworenengerichts verlassen hatte,
eine Pressekonferenz durch, welche den aktuellen Ereignissen des Tages
gewidmet war. Die Anwaltskammer legte Rechtsanwalt Z. die Abhaltung dieser
Pressekonferenz nicht zur Last. Das ist zutreffend, und zwar aus den
gleichen Gründen, die eben (lit. e) dargelegt worden sind. Der Inhalt der
abgegebenen Äusserungen ist nicht im einzelnen bekannt. Im angefochtenen
Entscheid wird denn auch in dieser Hinsicht kein Vorwurf erhoben. Die
Anwaltskammer nahm dagegen an, die Teilnahme von Rechtsanwalt R. an
der Pressekonferenz sei als standeswidrig zu erachten, da er in diesem
Zeitpunkt nicht mehr Vertreter der Beschuldigten gewesen sei.

    Diese Beurteilung vermag sich auf die Erwägungen von BGE 98 Ia 62
zu stützen. Das Bundesgericht führte in jenem Entscheid aus, ein Anwalt,
der sein Mandat bereits niedergelegt habe, könne sich zur Rechtfertigung
einer öffentlichen Erklärung nicht darauf berufen, dass er im Interesse
seines Klienten gehandelt habe. Wenn das laufende Verfahren Anlass
zu Kritik gebe, so obliege es seinem Nachfolger, die entsprechenden
Beanstandungen Vorzubringen. Dem früheren Anwalt könne die Abgabe einer
öffentlichen Erklärung nur dann nicht verwehrt werden, wenn sie dazu
diene, eine öffentlich geäusserte Kritik an der früheren Mandatsführung in
angemessener Weise zu beantworten. An diesen Erwägungen ist im Grundsatz
festzuhalten. Es lässt sich aber nicht ausschliessen, dass ein Anwalt
in besonderen Fällen auch nach der Beendigung seines Mandats noch im
Interesse des früheren Klienten handeln kann. Das ist möglich, wenn der
Anwalt sein Mandat nicht deswegen niedergelegt hat, weil das notwendige
Vertrauensverhältnis zu seinem Klienten entfallen ist, sondern wenn
dieser Schritt in der Meinung erfolgte, eine bestimmte Prozessanordnung
oder die gesamten Umstände liessen eine gehörige Erfüllung der dem
Anwalt obliegenden Aufgabe nicht zu. So verhielt es sich im vorliegenden
Fall. Bei dieser Sachlage war es zumindest nicht standeswidrig, wenn sich
Rechtsanwalt R. auch nach der Mandatsniederlegung noch um die Beschuldigten
kümmerte und wenn er Rechtsanwalt Z., der das zuvor gemeinsam ausgeübte
Mandat weiterführte, zur Pressekonferenz begleitete. Wie sich Rechtsanwalt
R. an der Pressekonferenz äusserte, ist nicht bekannt. Es kann ihm deshalb
auch insoweit keine Standeswidrigkeit zur Last gelegt werden.

    g) Rechtsanwalt Z. nahm am 26. Juni 1978 an der Fortsetzungsverhandlung
des Geschworenengerichts nicht teil. Er hielt aber am gleichen Tag
in Pruntrut eine Pressekonferenz ab, an welcher er die Gründe für
sein Verhalten bekannt gab. Rechtsanwalt Z. erklärte namentlich, die
Auswirkungen des angeordneten Haftregimes liessen erkennen, dass Menschen
gebrochen werden sollten und eine Vernichtung angestrebt werde. Die
Angeklagten seien Teil einer Bewegung, die einen Guerillakrieg führe,
einen Krieg der Schwachen gegen die Starken, gegen die Allgewalt. Damit
seien sie die neuen Völkerrechtssubjekte. Die Nationalstaaten seien
vom imperialistischen Ausbeutungssystem hinweggefegt worden. Unter der
Maskerade "Schutz des Rechtsstaates" werde ein millionenschwerer Apparat
von Polizei, Armee und paramilitärischen Anti-Demonstrationstruppen
aufgebaut. Der liberale Rechtsstaat werde heute ideologisch und
propagandistisch von den Staatsschergen mit faschistischer Erfahrung
aufrecht erhalten. Zusammenfassend erklärte Rechtsanwalt Z., die Massnahmen
der Schweiz stellten Kriegshandlungen gegen seine Mandanten dar. Diese
seien Guerillas, Kombattante des bewaffneten Widerstandes. Vorfälle in
dieser Auseinandersetzung würden vom innerstaatlichen Strafrecht nicht
erfasst, sondern seien Gegenstand des völkerrechtlichen Kriegsrechts. Dem
Geschworenengericht fehle deshalb zum vornherein die Zuständigkeit zur
Aburteilung der beiden Angeklagten. Im Anschluss an die Pressekonferenz
wurde ferner eine mit "Bewegung 2. Juni" unterzeichnete Erklärung verteilt.

    Im angefochtenen Entscheid wurde offen gelassen, ob die Abhaltung
der Pressekonferenz unter den fraglichen Umständen schon an sich
unzulässig gewesen wäre. Die Frage kann auch hier dahingestellt bleiben.
Bermerkt sei immerhin, dass jedenfalls die Abgabe einer Presseerklärung
nicht als standeswidrig hätte erachtet werden können. Was den Inhalt
der an der Pressekonferenz abgegebenen Erklärungen anbelangt, so
nahm die Anwaltskammer an, Rechtsanwalt Z. habe sich einer schweren
Pflichtwidrigkeit schuldig gemacht. Z. habe anlässlich der Pressekonferenz
namentlich Propaganda für die politischen Ziele seiner Mandanten und
für die Rechtsmässigkeit des Terrors im Kampf gegen den Imperialismus
gemacht. Diese Beurteilung trifft zu. Die vom Beschwerdeführer
Z. abgegebenen Erklärungen lassen sich mit der Stellung des Anwalts in
keiner Weise vereinbaren und sind als krass standeswidrig zu erachten.

Erwägung 11

    11.- Die Anwaltskammer warf den Beschwerdeführern sodann vor, sie
hätte für die Gefangenen zwei Hungerstreikerklärungen entworfen, der Presse
weitergegeben und behauptet, die Erklärungen stammten von den Angeklagten.
Dieses Verhalten und der Inhalt der Erklärungen seien standeswidrig. In den
Hungerstreikerklärungen werde namentlich davon gesprochen, die Gefangenen
seien einer "Vernichtungshaft in einer Spezialabteilung" unterworfen,
die Verantwortlichen legten einen "mörderischen Zynismus" an den Tag
und die angeordnete Fernsehüberwachung der Gefangenen diene einzig dazu,
ihre eventuelle Hinrichtung als Selbstmord zu tarnen.

    a) Im vorliegenden Fall ist nicht dargetan, dass die
Hungerstreikerklärungen von den Beschwerdeführern redigiert worden
sind. Davon könnte nur ausgegangen werden, wenn anzunehmen wäre, die
Gefangenen seien selber nicht in der Lage gewesen, die Erklärungen
zu entwerfen und den Inhalt ihren Verteidigern mitzuteilen. Für eine
solche Annahme besteht kein Grund. Dass die Anwälte mit ihrem Mandanten
nur in Besuchszimmern mit Trennscheiben verkehren konnten, bildete
kein unüberwindliches Hindernis. In der staatsrechtlichen Beschwerde I
wird zudem geltend gemacht, dass sich die Gefangenen hinsichtlich dieser
Erklärungen über ihre Anwälte gegenseitig hätten verständigen können. Auch
das ist nicht von der Hand zu weisen. Es ist deshalb davon auszugehen,
dass die Hungerstreikerklärungen nicht von den Beschwerdeführern
verfasst, sondern - von den erwähnten Koordinationsdiensten abgesehen -
von den Rechtsanwälten R., S. und Z. lediglich niedergeschrieben sowie von
Rechtsanwalt Z. an die Presse übermittelt wurden, versehen mit dem Vermerk,
dass der Forderungskatalog von den Mandanten stamme. Eine Mitwirkung von
Rechtsanwalt D. ist nicht erstellt.

    b) Das Bundesgericht hatte sich bereits im nicht veröffentlichten
Urteil i.S. D. vom 6. Juli 1977 mit der Frage zu befassen, unter welchen
Umständen die Weiterleitung einer Hungerstreikerklärung an die Presse als
standeswidrig zu gelten habe. Es ging davon aus, dass eine Weiterleitung
grundsätzlich zulässig sei, wenn die Erklärung bei direkter Absendung durch
den Gefangenen von den mit der Kontrolle befassten Behörden nicht hätte
zurückgehalten werden können. Das ist nach der Rechtsprechung der Fall,
wenn die Veröffentlichung der Erklärung den Haftzweck nicht gefährdet,
nicht zu einer Störung der Gefängnisordnung führt und wenn ihr Inhalt
weder krass unanständig noch unflätig beleidigend ist (BGE 101 Ia 152;
Urteil vom 3. Dezember 1975, i.S. Schlegel, E. 2, in EuGRZ 3/1976, S. 84
ff.). Ist die Erklärung in dieser Hinsicht nicht zu beanstanden, so ist
der Anwalt zu ihrer Weiterleitung befugt. Ist aber immerhin zu erkennen,
dass die Erklärung bezüglich ihres Wahrheitsgehaltes fragwürdig und
bezüglich der darin enthaltenen Werturteile äusserst einseitig ist, so
kann vom Anwalt verlangt werden, dass er selber sich von der Erklärung
ausdrücklich distanziere. Damit soll der Anschein vermieden werden,
er unterstütze deren Aussage ohne Vorbehalt und solidarisiere sich
damit. Eine bloss stillschweigende Distanzierung genügt nicht. Ist der
Anwalt der Auffassung, eine derartige Distanzierung laufe dem Interesse
seines Mandanten zuwider, so hat er auf die Weiterleitung der Erklärung
an die Presse zu verzichten. Das Bundesgericht hat diese Erwägungen im
erwähnten Urteil im Rahmen seiner beschränkten Kognition angestellt. Etwas
anderes ergibt sich indes auch bei freier Prüfung nicht.

    c) Im vorliegenden Fall kann dahingestellt bleiben, ob schon die
blosse Weiterleitung der Hungerstreikerklärungen unzulässig gewesen wäre.
Standeswidrig war jedenfalls, wenn die Beschwerdeführer R., S. und Z. die
gegenseitige Absprache der Gefangenen über die Erklärung ermöglichten und
die Erklärung in der Folge in ihrer Kanzlei ausfertigen liessen. Damit
leisteten sie Mithilfe zur Publikation von öffentlichen Mitteilungen,
die ersichtlich masslose und unqualifizierte Vorwürfe gegen die Organe
der Justiz enthielten. Standeswidrig war namentlich, wenn Rechtsanwalt
Z. die Erklärungen der Presse zusandte, ohne sich ausdrücklich von deren
Inhalt zu distanzieren. Der blosse Hinweis, der Forderungskatalog stamme
von den Mandanten, genügte offenkundig nicht. Ist davon auszugehen,
die Hungerstreikerklärungen seien in ihrem Inhalt von den Angeklagten
entworfen worden, so lässt sich indes nicht am Vorwurf festhalten,
Rechtsanwalt Z. habe die Öffentlichkeit hinsichtlich der Verfasser der
Dokumente irregeführt.

Erwägung 12

    12.- Die Anwaltskammer warf Rechtsanwalt Z. vor, er habe
Christian Möller anlässlich des Besuchs vom 30. Mai 1978 Mitteilungen
zukommen lassen, die unter die gerichtliche Informationssperre gefallen
seien. Aus einem von Möller verfassten Brief gehe nämlich hervor, dass der
Beschuldigte Kenntnis von einer Gefangenenbefreiung in Berlin sowie von der
Verhaftung verschiedener Terroristen in Frankreich und Jugoslawien gehabt
habe. Diese Informationen könnten ihm nur durch Rechtsanwalt Z. vermittelt
worden sein, der damit die Informationssperre in standeswidriger Weise
durchbrochen habe.

    An diesem Vorwurf kann nicht festgehalten werden. Eine
Informationssperre war im Falle der Beschuldigten nur zulässig, soweit
sie durch den Haftzweck (Vermeidung von Flucht- oder Verdunkelungsgefahr)
geboten oder im Interesse der Aufrechterhaltung der Gefängnisordnung
gerechtfertigt war. Im Entscheid der Anwaltskammer wird nicht geltend
gemacht, dass Rechtsanwalt Z. seinem Mandanten Zeitungen oder Zeitschriften
übergeben habe, die, weil die Übermittlung verschlüsselter Informationen
denkbar war, unter die angeordnete Sperre fielen. Nach den Umständen ist
einzig davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer seinem Mandanten von
den fraglichen Ereignissen mündlich berichtete. Dass dadurch der Haftzweck
gefährdet oder die Gefängnisordnung beeinträchtigt worden wäre, wird
im angefochtenen Entscheid nicht dargetan. Bei dieser Sachlage kann dem
Beschwerdeführer insoweit keine Pflichtwidrigkeit zur Last gelegt werden.

Erwägung 13

    13.- Es steht demnach fest, dass die Beschwerdeführer ihre
Berufspflichten in verschiedener Hinsicht verletzt haben. Zu prüfen
bleibt daher, ob die angeordnete Sanktion bezüglich ihrer schwere
verfassungsmässig sei. Art. 17 des bernischen Advokatengesetzes enthält
folgende Regelung:

    "1. Die Advokaten stehen unter der Aufsicht des Obergerichts. Dieses
hat
   darüber zu wachen, dass dieselben die ihnen durch das Gesetz auferlegten

    Pflichten pünktlich erfüllen, und die Widerhandlungen nach gehöriger

    Untersuchung der Sache für einfache Übertretungen ihrer Amtspflichten
je
   nach der Art derselben mit einer Ermahnung oder einem Verweis,
   oder einer

    Geldbusse bis auf zweihundert Franken, oder Einstellung in der
Ausübung des

    Berufes bis auf ein Jahr, oder Entziehung des Patentes zu bestrafen,
und
   sie überdies zum Ersatz des verursachten Schadens und zur Restitution
   des

    Zuvielbezogenen zu verfällen.

    ...

    7. Einem Advokaten ist das Patent zu entziehen, wenn er den Zustand der
   bürgerlichen Ehrenfähigkeit verliert, und je nach Umständen auch,
   wenn er sich zu wiederholten Malen wegen Pflichtverletzung Strafe
   zugezogen hat."

    c) Disziplinarische Sanktionen gegen Anwälte unterstehen dem
Grundsatz der Verhältnismässigkeit. Von Verfassungswegen ist demnach
geboten, dass sie zu Art und Schwere der begangenen Pflichtwidrigkeit
in einem angemessenen Verhältnis stehen und nicht über das hinausgehen,
was erforderlich ist, um den Schutz des rechtsuchenden Publikums zu
gewährleisten und Störungen des geordneten Ganges der Rechtspflege zu
verhindern (BGE 102 Ia 29 E. 1a; 100 Ia 360 E. 3). Der Disziplinarbehörde
steht bei der Wahl und namentlich bei der Bemessung der Sanktion ein
gewisser Spielraum des Ermessens offen, in den das Bundesgericht nicht
eingreift. Die Behörde ist aufgrund des Prinzips der Verhältnismässigkeit
aber gehalten, das unterschiedliche Gewicht der verschiedenen Sanktionen
und die darin zum Ausdruck kommende Rangordnung zu beachten. Was die
in Art. 16 AG vorgesehenen Massregeln betrifft, so sind Ermahnung,
Verweis und Busse für leichtere oder solche Fälle bestimmt, die an sich
die Vertrauenswürdigkeit des Anwalts nicht beeinträchtigen können. Sie
haben Strafcharakter; mit ihnen soll der Disziplinarverstoss gesühnt und
der Fehlbare spezialpräventiv von der Wiederholung ähnlicher Handlungen
abgehalten werden. Die befristete Einstellung in der Berufsausübung ist
gedacht für schwere Vorfälle, welche die Vertrauenswürdigkeit eines Anwalts
erschüttern; sie hat Merkmale sowohl der Strafe wie der administrativen
Massnahme. Der Entzug des Patents schliesslich ist keine Disziplinarstrafe,
sondern eine Massnahme, durch welche das rechtsuchende Publikum und die
Rechtspflege vor einer berufsunwürdigen Person geschützt werden soll
(BGE 102 Ia 29 E. 1b). Aus dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit folgt
für die Disziplinarbehörde weiter, dass ein Patententzug als schwerster
Eingriff in die Berufsausübung in der Regel nur nach einer vorangegangenen
Warnung angeordnet werden darf. Eine erstmalige Verfehlung vermag diese
Massnahme nur ausnahmsweise zu rechtfertigen, nämlich dann, wenn sie eine
Mentalität aufzeigt, die mit der Eigenschaft eines Anwalts schlechthin
unvereinbar ist, und wenn aufgrund einer Gesamtbewertung der bisherigen
Berufstätigkeit eine andere Sanktion als ungenügend erscheint, um in
Zukunft ein korrektes Verhalten des Anwalts zu gewährleisten (BGE 100
Ia 360 E. 3b). Der Patententzug ist ultima ratio für den Fall, dass
zum Schutz des rechtsuchenden Publikums und zur Abwendung von weiteren
Störungen der Rechtspflege einzig die Möglichkeit bleibt, den fraglichen
Anwalt von der weiteren Berufsausübung auszuschliessen.

    Ist ein Patententzug sachlich am Platz, so kann er wegen seines
Massnahmecharakters ohne weiteres in sämtlichen Kantonen angeordnet
werden, in denen der Anwalt zur Berufsausübung zugelassen ist (BGE 102
Ia 29 E. 1b mit Hinweisen).

Erwägung 14

    14.- a) Die Verstösse der Beschwerdeführer gegen die ihnen als Anwälte
obliegenden Pflichten sind von unterschiedlichem Gewicht. Die geringsten
Vorwürfe treffen Rechtsanwalt D., dem im wesentlichen die Ausführungen an
der gemeinsamen Pressekonferenz vom 24. Mai 1978, nach der Niederlegung
des Mandats, sowie das Schreiben an den Präsidenten der Kriminalkammer
zur Last zu legen sind. Die gleichen Vorwürfe treffen die Rechtsanwälte
R. und S., denen darüber hinaus der Inhalt der Presseerklärungen vom
11. und 19. Januar 1978 und die Mitwirkung bei der Veröffentlichung der
Hungerstreikerklärungen zum Vorwurf gereicht. Rechtsanwalt R. hat sich
ferner bei der Veröffentlichung des "offenen Briefes" an Bundesrat Kurt
Furgler standeswidrig verhalten. Am schwersten wiegen die Verfehlungen
von Rechtsanwalt Z. Ihm sind der Inhalt der Presseerklärungen vom 11. und
19. Januar 1978, die Ausführungen an der Pressekonferenz vom 24. Mai 1978
und namentlich die Erklärungen an der Pressekonferenz vom 26. Juni 1978,
dem Tag der Fortsetzungsverhandlung, zur Last zu legen. Standeswidrig
hat er sich ferner bei der Weiterleitung von Hungerstreikerklärungen der
Gefangenen verhalten. Schliesslich gereicht ihm das Verhalten während
des Prozesses zur Last. Er hat die Mitverantwortung für das Schreiben
an den Präsidenten der Kriminalkammer zu tragen; pflichtwidrig war
sodann das Verlassen der Hauptverhandlung und die Nichtteilnahme an der
Fortsetzungsverhandlung.

    b) Die Anwaltskammer ging davon aus, für den Entscheid über die zu
treffende Disziplinarsanktion bestehe kein Grund, die einzelnen Verstösse
der Beschwerdeführer gesondert zu würdigen. Vielmehr müsse das Verhalten
der Verteidiger in seiner Gesamtheit bewertet werden. In dieser Hinsicht
sei die Anwaltskammer zur Ansicht gelangt, den Beschwerdeführern sei es
nicht darum gegangen, ein möglichst günstiges Urteil zu erstreiten,
sondern den Prozess als Gelegenheit zu benützen, den Staat, die
Justiz und die Behörden in Misskredit zu bringen. Motiv dafür sei
die Identifizierung der Verteidiger mit der Sache der Angeklagten
gewesen, wie namentlich die Ausführungen von Rechtsanwalt Z. an der
Pressekonferenz vom 26. Juni 1978 zeigten. Rechtsanwalt Z. billige
das Verhalten der Terroristen und unterstütze deren Kampf durch den
Missbrauch seines Anwaltspatents. Das Verhalten der Beschwerdeführer,
ihre Einstellung und ihre Identifikation mit den Angeklagten lasse sie
nicht mehr als vertrauenswürdig erscheinen. Bei den Rechtsanwälten D. und
S. sei namentlich zu berücksichtigen, dass sie im Jahre 1976 im Kanton
Zürich wegen Verstössen, die denjenigen im vorliegenden Verfahren
sehr ähnlich seien, mit Bussen von je Fr. 800.-- diszipliniert
worden seien. Rechtsanwalt S. sei im Jahre 1976 von der bernischen
Anwaltskammer wegen unkollegialen Verhaltens eine Ermahnung erteilt
worden. Rechtsanwalt Z. sei disziplinarisch nicht vorbestraft, doch wiege
sein Verschulden nicht minder schwer. Gesamthaft betrachtet hätten sich
die vier Disziplinarbeklagten als derart vertrauensunwürdig erwiesen und
ihre Verstösse sowie ihr Verschulden wögen derart schwer, dass allen die
Bewilligung zur Ausübung des Anwaltsberufs im Kanton Bern zu entziehen sei.

    c) Dieser Beurteilung kann nicht in allen Teilen gefolgt
werden. Zutreffend ist, dass sich die Beschwerdeführer im Strafverfahren
gegen Gabriele Kröcher und Christian Möller in einer Art und Weise
verhalten haben, die ihre Vertrauenswürdigkeit erschüttert. Das gilt
insbesondere für Rechtsanwalt Z., dessen Vertrauenswürdigkeit als Anwalt
namentlich aufgrund der Ausführungen an der Pressekonferenz vom 26. Juni
1978 in hohem Masse in Frage gestellt ist. Die Beschwerdeführer sind - wenn
auch in unterschiedlichem Masse - mit Äusserungen an die Öffentlichkeit
getreten, die in der Tat den Eindruck entstehen lassen, es sei ihnen vorab
darum gegangen, den Staat und seine Behörden in Misskredit zu bringen. Die
Erklärungen, die Rechtsanwalt Z. abgegeben hat, als er seine Nichtteilnahme
an der Fortsetzungsverhandlung des Geschworenengerichts begründen wollte,
sind mit der Aufgabe und Stellung des Anwalts sogar schlechterdings
nicht vereinbar. Das vermag sicherlich eine befristete Einstellung im
Beruf zu rechtfertigen, eine Sanktion also, die einerseits bezweckt,
einen nicht mehr voll vertrauenswürdigen Anwalt für bestimmte Zeit von
der Berufsausübung auszuschliessen, die daneben aber das Ziel verfolgt,
den Anwalt künftig zu einer korrekten Haltung zu veranlassen. Die Massnahme
des Patententzugs ist dagegen nur zulässig, wenn angenommen werden muss,
dass eine befristete Einstellung im Beruf oder die Anordnung einer der
sonstigen, auf Besserung abzielenden Sanktionen ohne Wirkung bleiben
werde. Das kann im vorliegenden Fall nicht gesagt werden, auch wenn die
Schwere der begangenen Pflichtverletzungen nicht zu übersehen ist.

    Die Verfehlungen der Beschwerdeführer haben sich in einem Verfahren
ereignet, das in verschiedener Hinsicht aussergewöhnlich war und das die
Verteidiger vor eine Aufgabe stellte, deren Schwierigkeit nicht verkannt
werden darf. Den Beschwerdeführern hätte oblegen, im Verfahren die für die
Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte zu beleuchten, auf die Qualifikation
der Tat, die als solche nicht bestritten werden konnte, einzugehen, die
persönlichen Verhältnisse und Beweggründe der Angeklagten darzulegen und
auf diese Weise auf ein möglichst mildes Urteil hinzuwirken. Sie hatten
jedoch Angeklagte zu verteidigen, die den Kampf gegen die staatliche
Ordnung aus innerer Überzeugung führten. Bei derartigen Tätern kommt es
immer wieder vor, dass sie eine echte Verteidigung gar nicht wollen,
sondern es vorziehen, die staatliche Ordnung eben durch den Verlauf
des Prozesses als ungerecht erscheinen zu lassen. Es ist anzunehmen,
dass dies auch bei den Mandanten der Beschwerdeführer der Fall war.
Diese Situation machte eine pflichtgemässe Verteidigung zum vornherein
zu einer äusserst heiklen und schwierigen Aufgabe. Es kommt hinzu,
dass das Strafverfahren gegen die Mandanten der Beschwerdeführer unter
aussergewöhnlichen Sicherheitsvorkehren durchgeführt werden musste,
die zu Freiheitsbeschränkungen führten, die bisher nicht üblich waren
und im Regelfall auch nicht als verfassungsmässig gelten können (nicht
veröffentlichtes Urteil vom 7. Juni 1978 i.S. Kröcher und Möller). Diese
Sicherheitsvorkehren wirkten sich nicht nur auf die Beschuldigten
aus, sondern brachten auch für die Verteidigungsarbeit erhebliche
Unannehmlichkeiten mit sich, wie das Bundesgericht im bereits erwähnten
Urteil anerkannte. Vereinzelt wurden zudem Beschränkungen angeordnet,
die sich in der Folge als nicht haltbar erwiesen und die bei den Anwälten
den - wenn auch unberechtigten - Eindruck entstehen lassen konnten,
es würden ihnen bewusst unnötige Schwierigkeiten bereitet. Zu beachten
ist schliesslich, dass das Verfahren gegen Gabriele Kröcher und Christian
Möller von allem Anfang an im Brennpunkt des Interesses der Öffentlichkeit
stand. Dieser Umstand ist nicht auf das Verhalten der Beschwerdeführer
zurückzuführen; es ist aber anzunehmen, dass er zu den sich im Laufe des
Verfahrens steigerndern Pflichtwidrigkeiten beigetragen hat.

    Das alles vermag die Verfehlungen der Beschwerdeführer nicht
zu rechtfertigen. Die erwähnten Umstände und die Tatsache, dass die
Anwaltskammer nicht dargetan hat, dass das Verhalten der Beschwerdeführer
in ihrer sonstigen Berufstätigkeit ebenfalls für den Entzug der
Berufsausübungsbewilligung spreche, lassen aber einen Patententzug
aufgrund der festgestellten Verfehlungen und im jetzigen Zeitpunkt
als nicht erforderlich erscheinen. Die von der Anwaltskammer erwähnten
Disziplinarbussen führen zu keinem anderen Schluss, auch wenn ihnen ein
gewisses Gewicht nicht abzusprechen ist. Im vorliegenden Fall ist davon
auszugehen, dass die Vertrauenswürdigkeit der Anwälte erschüttert ist. Es
kann aber nicht gesagt werden, dass eine Sanktion, welche künftig ein
korrektes Verhalten gewährleisten soll, ohne Aussicht auf Erfolg sei. Das
gilt namentlich auch deshalb, weil die befristete Einstellung im Beruf
eine Sanktion darstellt, deren Schwere und Wirkung nicht zu unterschätzen
ist. Der angeordnete Patententzug steht bei dieser Sachlage mit dem
Grundsatz der Verhältnismässigkeit nicht im Einklang.

    d) Es scheint, dass die Anwaltskammer keinen Patententzug angeordnet
hätte, wenn sich ihr Entscheid nicht auf blosse Freizügigkeits-, sondern
auf Grundpatente bezogen hätte. Für auswärtige und im Kanton Bern nur
gelegentlich tätige Anwälte hielt die Anwaltskammer eine befristete
Einstellung in der Berufsausübung indes als zu leichte Massregel, die
kaum als genügende Warnung verstanden werde. Dieser Überlegung kann nicht
gefolgt werden. Sie vermag nichts daran zu ändern, dass der Patententzug
keine Disziplinarstrafe, sondern eine Massnahme ist, die nur angeordnet
werden kann, wenn keine Aussicht darauf besteht, dass sich der Anwalt nach
Anordnung einer anderen Massregel künftig korrekt verhalten werde. Die
Überlegung der Anwaltskammer hätte überdies zur Folge, dass ausserkantonale
Anwälte mit strengeren Sanktionen belegt werden könnten als innerkantonale
Anwälte, welche die gleiche Pflichtwidrigkeit begangen haben. Das ist
nicht haltbar. Der Überlegung der Anwaltskammer kann schliesslich aus
einem dritten Grunde nicht gefolgt werden: Ergeht der Patententzug im
Freizügigkeitskanton zu Recht, so kann die gleiche Massnahme auch im
Stammkanton sowie in allen übrigen Kantonen angeordnet werden, in denen der
betreffende Anwalt tätig ist (E. 13c). Die Sanktion erhielte damit eben
jene Schwere, welche die zuerst entscheidende Disziplinarbehörde vermieden
hätte, wenn sie über den Entzug des Grundpatentes hätte entscheiden müssen.

    Bei dieser Sachlage sind die staatsrechtlichen Beschwerden
gutzuheissen, und der angefochtene Entscheid ist aufzuheben. Die
Anwaltskammer wird einen neuen Entscheid zu fällen haben, der den
dargelegten Erwägungen Rechnung trägt.